Fotografie von Gundula Schulze Eldowy
Eines der gefälligeren Fotos von Gundula Schulze Eldowy: Die ostdeutsche Fotografin porträtierte die Schattenseiten des real existierenden Sozialismus.
Gundula Schulze Eldowy

Wohlfühlausstellungen sehen anders aus: Der Direktor des neu geschaffenen Foto-Arsenals Wien, Felix Hoffmann, zeigt zu seinem Einstand zwei Ausstellungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – und dennoch in ihrer Radikalität im Umgang mit dem menschlichen Körper viel gemeinsam haben.

Bis Ende 2024 residiert man im Wiener Museumsquartier, dann zieht die neu geschaffene Institution in das Arsenalgelände beim Hauptbahnhof, wo nach den Plänen von Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler ein neuer "Kulturcluster" entstehen wird. Neben dem Foto-Arsenal, das man in einer Hauruckaktion gründete, weil das Kunsthaus künftig stärker mit Umweltthemen als mit Fotografie bespielt werden soll, wird auf dem weitläufigen Gelände auch ein Depot für das Filmmuseum errichtet.

Schonungsloser Blick

Die Ausweichräumlichkeiten im Museumsquartier wurden bereits für das Festival Foto Wien genutzt, dessen Programmierung durch Hoffmann ein Wegweiser war, in welche Richtung die von ihm geleitete Institution gehen könnte. Mit den jetzt eröffneten Erstpräsentationen der deutschen Fotografin Gundula Schulze Eldowy und ihrer japanischen Kollegin Mari Katayama legt er jetzt ordentlich nach.

Fotografie von Mari Katayama
Die japanische Künstlerin Mari Katayama inszeniert ihren Körper seit ihrer Jugend samt unterschiedlichen realen und künstlerischen Prothesen in theatralischer Hochglanzmanier.
Mari Katayama

Der schonungslose Blick auf den menschlichen Körper eint die beiden Künstlerinnen, die aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen und Generationen kommen. Kreist das Schaffen der 1987 geborenen Japanerin hauptsächlich um ihren eigenen (amputierten) Körper, so ist es bei der 1954 in Ostdeutschland geborenen Schulze Eldowy jener von Freunden und nahen Bekannten.

Freundschaft mit R. Frank

Zwei Zyklen aus den letzten Jahren des DDR-Regimes hat Hoffmann aus dem breiten Schaffen der nach der Wende in die USA (und später nach Peru) ausgewanderten Künstlerin ausgewählt. In New York arbeitete sie eng mit dem legendären Fotografen Robert Frank, und man versteht sofort, was die beiden verband. Blickte Frank hinter die Kulisse des amerikanischen Traums, so waren es bei Schulze Eldowy die Schattenseiten des real existierenden Sozialismus, die Häuserruinen Ostberlins, die heruntergekommenen Industrieanlagen oder Schlachthäuser. Am radikalsten wird Schulze Eldowys fotografischer Blick aber, wenn sie dokumentiert, wie sich das Leben in die geschundenen Körper eingeschrieben hat.

Sie zeigt Armut und Einsamkeit, fotografiert in Kreißsälen und Palliativstationen. Es sind Fotografien jenseits aller Tabus, die im Falle jener der Zufallsbekanntschaft Tamerlan an die Grenzen des Erträglichen gehen. Die letzten Jahre der hochbetagten Freundin sind von starkem körperlichem Verfall geprägt, am Ende müssen ihr die Beine abgenommen werden.

Mari Katayama erlebte dieses Schicksal krankheitsbedingt bereits mit neun Jahren, seit ihrer Jugend inszeniert sie ihren Körper samt unterschiedlichen realen und künstlerischen Prothesen in theatralischer Hochglanzmanier. Ihre Bilder sind ein Kontrapunkt aus der aktuellen Gegenwart zu jenen von Schulze Eldowy – und so anders, dass es beinahe wehtut. (Stephan Hilpold, 5.9.2023)