Die schwarzweiß gemusterte Asiatische Tigermücke, Aedes albopictus
Die tagaktive Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) kann unter anderem Dengue-Fieber übertragen.
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Das Bild, das sich vergangene Woche Pariserinnen und Parisern bot, kennt man sonst nur aus tropischen Metropolen: Kammerjäger der Gesundheitsbehörden rückten in Schutzanzügen aus, um Insektizide gegen die grassierenden Tigermücken zu versprühen. Straßen wurden gesperrt und die Bewohnerinnen und Bewohner des Vororts Colombes sowie eines Viertels des 13. Arrondissements aufgefordert, die Fenster zu schließen und ihre Wohnungen nicht zu verlassen.

Grund dafür waren zwei Fälle von Reiserückkehrern, die sich mit Dengue-Fieber infiziert hatten. Da Asiatische Tigermücken den Virus übertragen können, wurde die Maßnahme ergriffen, um eine mögliche Verbreitung der Tropenkrankheit zu verhindern. Die Behörden fürchteten den Ausbruch einer lokalen Epidemie – denn wie schon in weiten Teilen Europas ist die aus Südostasien stammende Stechmücke auch in Frankreich längst auf dem Vormarsch. Und sie breitet sich immer weiter nach Norden aus.

Helle Kleidung empfohlen

Zu Insektiziden griff man auch in der norditalienischen Lombardei. Rund um den Gardasee sind in den vergangenen Wochen mehrere Fälle von Dengue-Fieber registriert worden – allerdings hatten sich die Betroffenen nicht in einem tropischen Gebiet, sondern vor Ort angesteckt. Von Mensch zu Mensch kann die Krankheit nicht direkt überspringen, diesen Transfer kann aber die Tigermücke (Aedes albopictus) übernehmen. Lange war sie nur in Süditalien heimisch. Die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC beobachtet daher den "Lombardei-Cluster" ganz genau. Grund zur Panik bestehe aber nicht, betonen Fachleute. Nur in seltenen Fällen treten nach einer Ansteckung gefährliche Komplikationen auf. Die Menschen im betroffenen Gebiet sind jedenfalls angehalten, Arme und Beine mit heller Kleidung zu bedecken (die tagaktiven Tigermücken bevorzugen dunkle Kleidung) und Insektenschutzmittel und Moskitonetze zu verwenden.

Karte Verbreitung Tigermücke in Europa
Die Karte zeigt, in welchen Regionen die Asiatische Tigermücke nachgewiesen wurde oder sich etabliert hat.
DER STANDARD / ECDC

Zwar sind Tigermücken, die an ihrem markant getigerten Muster und einem weißen Strich am Rücken erkennbar sind, mittlerweile auch in Österreich etabliert, von ihnen übertragene Dengue-Fälle sind jedoch nicht bekannt. Im Zuge des Klimawandels steige auch in nördlicheren europäischen Ländern das Risiko, sich über Stechmücken mit West-Nil-, Dengue-, Chikungunya- und Zikaviren zu infizieren, warnte im Juni die ECDC. Durch höhere Temperaturen, Hitzewellen und starke Regenfälle finden invasive Arten wie die Tigermücke ideale Bedingungen vor, um sich zu vermehren. Milde Winter begünstigen das Überwintern und lassen die Populationen weiter wachsen. Auch Krankheitserreger entwickeln sich schneller und können länger in den Mücken zirkulieren, wenn es über längere Zeit heiß ist.

Ungewöhnliche Fälle

Klimatische Veränderungen spielen Fachleuten zufolge auch eine Rolle bei den Dengue-Ausbrüchen, die derzeit in einigen Ländern Südamerikas und Asiens zu beobachten sind. So rief die Regierung Guatemalas aufgrund der Fiebererkrankung den Gesundheitsnotstand aus. In Bangladesch wiederum vermeldete die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass Dengue dort nun endemisch geworden sei – wie in Indien. "Es ist schon etwas Besonderes, dass es derzeit vermehrt zu Dengue-Fällen kommt. In tropischen Regionen oder Südamerika ist das eigentlich nicht ungewöhnlich, aber Fälle wie nun am Gardasee muss man beobachten", sagt Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie vom Universitätsklinikum Tübingen.

Erkennungsmerkmale der Tigermücke
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Für das österreichische Gesundheitsministerium stellt die "weitere Ausbreitung von Dengue-Fieber bis hin zum endemischen Auftreten der Krankheit eine nicht zu unterschätzende Gefahr" dar, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Der Klimawandel und der zunehmende globale Reiseverkehr, der die Einschleppung von Krankheiten begünstige, würden dazu führen, dass "insgesamt in Zukunft durchaus mit Ansteckungen in Österreich gerechnet werden muss". Man will sich jedenfalls besser für derartige Fälle wappnen: "Unter Einbeziehung der 2022 gegründeten Bereitschaftsgruppe für vektorübertragene Krankheiten wird im Moment ein Leitfaden für den Umgang mit einem vermehrten Auftreten von Fällen von unter anderem Dengue-Fieber erarbeitet", heißt es. Grundsätzlich ist Dengue-Fieber meldepflichtig. Maßnahmen wie der Einsatz von Bioziden sowie das Entleeren von potenziellen Brutstätten können auf Grundlage des Epidemiegesetzes von lokalen Gesundheitsbehörden verhängt werden.

Ausbreitung an Stadträndern

In Österreich nimmt die Verbreitung der weniger als einen Zentimeter großen Stechmücke "rapide" zu, wie Karin Bakran-Lebl von der österreichischen Gesundheitsbehörde Ages bescheinigt. "Seit rund zehn Jahren wurden immer wieder einzelne Exemplare entdeckt. Seit Tigermücken 2020 zum ersten Mal in Wien in einer Kleingartensiedlung gefunden wurden, breiten sie sich sehr schnell aus." In Graz wurden die Stechmücken 2021 erstmals nachgewiesen. 2022 wurden Tigermücken dann in allen Bundesländern gefunden. Sie fühlen sich vor allem an Stadträndern wohl, wo es tendenziell wärmer ist und genügend Brutstätten in Form von kleinen Wasserstellen sowie viele menschliche Wirte bereitstehen.

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Um einen Überblick über die Entwicklung der Tigermückenpopulation zu bekommen, führt die Ages seit 2020 ein stichprobenartiges Monitoring durch. An etwa 60 Standorten in ganz Österreich werden zwischen Mai und Oktober sogenannte Ovitraps aufgestellt. Das sind kleine, mit Wasser gefüllte Kübel, die als attraktive Eiablagestellen dienen und regelmäßig beprobt werden. 2023 war bisher generell ein schwaches Gelsenjahr, sagt Bakran-Lebl, nur ein Drittel der Zahl vom Vorjahr wurde registriert. Das würden auch die Meldungen aus der Bevölkerung bestätigen, die mit der App Mosquito Alert Gelsen melden und einschicken kann.

Mitten in der Tigermückensaison

Dennoch: "Auch wenn die Menge heuer kleiner ist, die Tigermücken breiten sich weiter aus", sagt die Ages-Stechmückenexpertin. "Wir werden mit ihnen leben müssen." In Wien dürfte ihre Vermehrung heuer ersten Erhebungen zufolge annähernd gleich geblieben sein, sagt Sabine Walser von der MA 15, dem Wiener Gesundheitsdienst. So richtig würde die Tigermückensaison aber erst im August, September und Oktober durchstarten, sagt die Expertin.

Das Risiko, dass es auch in Österreich zu einer durch einen Tigermückenstich übertragenen Krankheit kommt, halten Bakran-Lebl und Walser derzeit für äußerst gering. Schließlich müssten viele Faktoren zusammentreffen. "Die Tigermücken müssen in großer Zahl da sein, der Erreger muss da sein, und die Temperatur muss hoch genug sein, dass sich der Erreger in der Gelse vermehren kann und die Gelse lange genug lebt, um den Virus an einen Wirt weitergeben zu können", sagt Ages-Mikrobiologin Bakran-Lebl. Doch auch wenn das Ansteckungsrisiko gering ist, müssten wir uns künftig darauf einstellen, dass man öfter von den lästigen Mücken gestört wird – schließlich stechen sie auch bei 30 Grad in praller Sonne zu.

Handy-App Mosquito Alert
Mit der kostenfreien App Mosquito Alert kann man Gelsenfunde melden und zur Untersuchung einschicken.
APA/JAMES GATHAN

Es sei jedenfalls unumgänglich, insbesondere in Wien und Graz ein "intensives Monitoring sowie Gegenmaßnahmen unter Einbindung der Bevölkerung" durchzuführen, "um zu versuchen, die Population zu dezimieren, und um ein weiteres Ausbreiten zu verhindern (oder zumindest zu verlangsamen)" heißt es in dem Jahresbericht 2022 zum Ovitrap-Monitoring. Die wirksamste Prävention ist jedenfalls, das Problem an der Wurzel zu packen und es den Tigermücken (wie auch anderen Gelsen) möglichst schwer zu machen, sich zu vermehren. Das heißt: jegliche Gefäße, von der Regentonne bis zum Topfuntersetzer abzudecken, auszuleeren oder umzudrehen. (Karin Krichmayr, 10.9.2023)