Auf der IFA in Berlin hat das niederländische Unternehmen Fairphone das Fairphone 5 vorgestellt. Wie auch schon bei den Vorgängern lassen sich auch hier einzelne Teile reparieren, die Software bekommt lange Updates – so soll verhindert werden, dass sich Kundinnen und Kunden zu rasch wieder ein neues Gerät kaufen. Im Gespräch mit dem STANDARD erklärt der CFO und interimistische CEO Noud Tillemans, wie sich das neue Gerät vom Vorgänger unterscheidet, wo die größten Schwachstellen in der Branche stecken und warum die Legislative auf seiner Seite ist.

STANDARD: Sie haben zuletzt auf der IFA das Fairphone 5 vorgestellt. Was sind in puncto Hardware die größten Unterschiede zwischen Fairphone 4 und Fairphone 5?

Tillemans: Der größte Unterschied sind die Chipsets. Die neuen Qualcomm-QCM-6490-Chipsets ermöglichen uns Software-Support für die nächsten acht Jahre. Die Kamera bietet 50 Megapixel mit drei Linsen. Das Display bietet OLED statt LCD. Es ist dünner und leichter.

"Wir streben zehn Jahre Software-Support an."

STANDARD: Wenn Sie sagen, dass Sie acht Jahre ermöglichen: Wie lange ist der Support-Zeitraum, den Sie insgesamt anpeilen?

Tillemans: Wir versprechen acht Jahre und streben tatsächlich zehn Jahre an. Da geben wir uns zwei Jahre Flexibilität. Die acht Jahre sind für den Gesamtmarkt schon ein sehr hohes Niveau, für uns selbst nicht. Das haben wir schon mit dem Fairphone 2 gemacht. Daher streben wir zehn Jahre an, um zu zeigen, dass das möglich ist.

Fairphone 5, Einzelteile
Die Einzelteile des Fairphone 5 lassen sich austauschen und reparieren.
Der Standard/Stefan Mey

STANDARD: Bei vorherigen Fairphones haben Sie bei den Updates ein paar Android-Versionen übersprungen. Wird das bei dem Fairphone 5 auch so sein?

Tillemans: Das Überspringen wurde verursacht, weil wir ein wenig hinten waren und daher beschlossen, eine Version auszulassen, um wieder aufzuholen. Das war nicht geplant. Und mit dem Fairphone 5 wollen wir unsere Zyklen beschleunigen und regelmäßig Updates liefern.

STANDARD: Sie setzen auf ein Plain Android ohne unnötigen Schnickschnack. Wie schnell werden Sie daher mit den Updates sein?

Tillemans: Wir sind üblicherweise drei bis sechs Monate hinterher, da wir nicht die Ersten sind, die diverse Source-Codes und Softwarepakete bekommen.

"Über eine Partnerschaft verkaufen wir auch Fairphones mit einem vorinstallierten, Google-freien Android." 

STANDARD: Man kann ja auch ein alternatives Android ohne Google installieren. Denken Sie, dass viele Menschen das machen werden?

Tillemans: Wir haben eine Partnerschaft mit Murena aus Frankreich. Sie verkaufen Fairphones mit einem vorinstallierten, Google-freien Android. Das ist auch in Bezug auf Datenschutz interessant. Sie haben das Fairphone 5 bereits in ihrem Sortiment. Zudem ermöglichen wir als einer der wenigen Anbieter jedem User, ein beliebiges Betriebssystem zu installieren.

Das Fairphone 4 im Vergleich mit dem Fairphone 5.
Das Fairphone 4 (links) im Vergleich mit dem Fairphone 5.
Der Standard/Stefan Mey

STANDARD: Fairphone hat vor allem die Mission, die Verwendung seltener Erden zu reduzieren und Recycling zu fördern. Wie ist der Status in der Wertschöpfungskette?

Tillemans: Sehr gut. Wir fokussieren uns auf 14 "Kernmaterialien", bei denen wir etwas verändern und die Branche herausfordern wollen. Dazu gehören etwa Kobalt, Lihtium, Aluminium und Gold, aber auch Plastik. Davon kommen 70 Prozent aus dem Recycling oder wurden unter fairen Bedingungen abgebaut. Beim Fairphone 4 waren es noch 35 bis 40 Prozent. Das ist ein großer Schritt, denn mit jedem neuen Handy fängt man quasi von vorne an, muss mit den Lieferanten reden und Wege finden, faire Materialien zu bekommen.

STANDARD: Werden jemals 100 Prozent möglich sein?

Tillemans: Ja, warum nicht? Vielleicht auch nur 99 Prozent, denn es ist kompliziert. Aber wir haben den Sprung von 40 auf 70 Prozent geschafft, dann sollte auch der Schritt auf 100 Prozent möglich sein. Allerdings auch in Kombination mit Crediting, also Kompensationen, wenn man manche Quellen nicht genau überprüfen kann.

"Wenn sich wirklich etwas ändern soll, dann müssen sich auch die finanziellen Anreize ändern."

STANDARD: Fairphone ist ja nicht nur ein Handyhersteller, man versteht sich ja auch als Wegbereiter. Sie wollen ja die Branche überzeugen. Nun zeigte sich auch Apple zuletzt offen für das Recht auf Reparatur. Ist das echt oder nur ein Marketinggag?

Tillemans: Es kommt ja auch Regulierung auf die Branche zu. Daher wird es ab einem bestimmten Punkt real sein müssen. Ich begrüße alle legislativen Maßnahmen rund um das Recht auf Reparatur. Auf kurze Zeit geht es aber freilich nur darum, etwas abzuhaken. Das ganze System rund um Smartphones ist falsch. Man wird als Marke nur einmal beim Kauf entlohnt, wenn man ein neues Handy verkauft. Unternehmen wollen den Kunden also möglichst bald wiedersehen und ihn überzeugen, ein neues Telefon zu kaufen. Entweder, indem man sichergeht, dass das Handy nicht repariert werden kann. Oder in dem man bessere Specs liefert. Wenn sich also wirklich etwas ändern soll, dann müssen wir auch die finanziellen Anreize ändern. Daher bieten wir in den Niederlanden nun "Fairphone as a Service": Wir geben den Kundinnen und Kunden das Handy, sie zahlen uns monatlich. Dabei wird eine Marke laufend bezahlt und dafür belohnt, den Kunden laufend glücklich zu halten mit dem Gerät, das sie schon besitzen. Wenn wir den Kunden für fünf Jahre glücklich halten und für fünf Jahre bezahlt wird, dann sind alle glücklich. Und dann ändert sich wirklich etwas.

Noud Tillemans auf der IFA 2023
Fairphone-CEO Noud Tillemans auf der IFA in Berlin: Freilich lässt sich auch der Akku des Fairphone 5 problemlos austauschen.
Der Standard/Stefan Mey

STANDARD: Jedenfalls ist die Legislative offensichtlich auch auf Ihrer Seite, zumindest in der EU.

Tillemans: Ja, auf jeden Fall beim Recht auf Reparatur. Ich werde auch oft gefragt: Wenn alle Handys repariert werden können, wo ist dann ihr Geschäftsmodell? Wir haben aber einen holistischen Zugang auf das Thema Fairness. Wir sind eher eine Art Bewegung. Wir wollen die Ansprüche heben und die Branche in verschiedenen Bereichen herausfordern. Von Datensicherheit über Fairness bei den Materialen bis hin zur Reparatur. Da sind wir allen anderen Marken fünf bis zehn Jahre voraus.

STANDARD: Brüssel arbeitet ja auch an der Verpflichtung zum austauschbaren Akku.

Tillemans: Ja, und zu Recht! Das war vor 20 Jahren die Norm, und das sollte es auch wieder geben. Hinzu kommt, dass Teile wie das Display schnell kaputtgeben. Daher glauben wir an die volle Modularität. Daher hat unser jüngstes Gerät noch mehr Einzelteile, die man austauschen kann. (Stefan Mey, 7.9.2023)