Im Gastblog erklärt Volkswirt Fabian Siuda von der Wirtschaftsuniversität Wien, welche Zusammenhänge sich zwischen der Partnerwahl und wirtschaftlichen Faktoren in Deutschland beobachten lassen.

Die Entscheidung für Partnerschaft und Heirat wird von vielen Faktoren – allen voran natürlich gegenseitiger Liebe und Zuneigung – beeinflusst. Neben diesen emotionalen Gründen spielen auch ökonomische Abwägungen eine Rolle. Auch wenn klassische Vernunftehen heute eher aus der Zeit gefallen wirken, haben ökonomische Abwägungen immer noch einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Partnerwahl. Gerade die berufliche Stellung hat einen starken Einfluss auf die Attraktivität eines potenziellen Partners. Dies deutet darauf hin, dass Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt die Partnerwahl beeinflussen könnten.

Geld, Ringe, Eheringe;
Welchen Einfluss hat das Einkommen auf die Partnerwahl?
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Das Einkommen ist ein gutes Beispiel, um dies zu verdeutlichen. Neben seiner Höhe spielt auch die Stabilität über die Zeit eine entscheidende Rolle für Haushalte. Ein stabiles Einkommen erleichtert die Planung von großen Anschaffungen und ermöglicht eine vorausschauende Familienplanung. Außerdem fungiert der Partner oder die Partnerin als Absicherung im Falle eigener Arbeitslosigkeit, denn das Einkommen der anderen Person sichert den Konsum ab. Je nach Ausgestaltung der Sozialversicherung kann dies das Arbeitslosengeld ergänzen oder ersetzen. In der Ökonomik sprechen wir vom Versicherungsmotiv der Ehe.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie nutzen wir die Hartz-Reformen in Deutschland, um dieses Versicherungsmotiv wissenschaftlich zu untersuchen. Mit der Einführung von Hartz I im Jahr 2003 wurde die Unterstützung von Langzeitarbeitslosen stärker vom Einkommen des Partners oder der Partnerin abhängig gemacht. Der altersabhängige Freibetrag für den Verdienst des Partners oder der Partnerin wurde zunächst um circa 60 Prozent (von maximal über 33.000 Euro auf 13.000 Euro) und 2005 mit Hartz IV praktisch auf null gesenkt. Verdient der Partner oder die Partnerin mehr als diesen Freibetrag, wird das Arbeitslosengeld reduziert oder entfällt vollständig. Durch diese Reform wurden Ehen mit Personen, die einem höheren Arbeitslosigkeitsrisiko ausgesetzt sind, unattraktiver.

Die Rolle der Staatsbürgerschaft

Wir untersuchen die Determinanten des Arbeitslosigkeitsrisikos anhand deutscher Sozialversicherungsdaten. Neben Bildung, Alter und Geschlecht, spielt auch die Staatsbürgerschaft eine wichtige Rolle für das Arbeitslosigkeitsrisiko. Personen mit Migrationshintergrund haben im Durchschnitt eine höhere Wahrscheinlichkeit, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Basierend auf dem Versicherungsmotiv der Ehe würde man also erwarten, dass die Attraktivität von Eheschließungen zwischen deutschen und nicht-deutschen Staatsbürgern durch die Hartz-Reformen abgenommen hat.

Um diese Hypothese zu testen, setzen wir die Anzahl der Eheschließungen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu den Bevölkerungsanteilen dieser Gruppen ins Verhältnis. Die Interpretation ist die folgende: Wenn der Anteil einer gewissen Bevölkerungsgruppe an der Gesamtbevölkerung größer ist, sollten auch mehr Individuen dieser Bevölkerungsgruppe heiraten. Ändert sich dieses Verhältnis von Eheschließungen zu Bevölkerungsanteilen über die Zeit, so kann man davon ausgehen, dass sich an den Determinanten der zugrundeliegenden Heiratsentscheidungen etwas verändert hat.

In der Tat beobachten wir, dass nach der Reform die Anzahl der Eheschließungen zwischen Personen deutscher Staatsangehörigkeit und Nicht-EU-Ausländern unter das Niveau fällt, das man aufgrund des Bevölkerungsanteils von Nicht-EU-Ausländern in Deutschland erwarten würde. Zur Gruppe der Nicht-EU-Ausländer zählen wir sowohl Bürger und Bürgerinnen der EU-Beitrittsländer des Jahres 2004 als auch Menschen aus Ländern außerhalb der EU beziehungsweise Europas. Wir analysieren die Zahl der Eheschließungen separat und sehen, dass der Abwärtstrend sich für Eheschließungen zwischen Deutschen und Personen aus Ländern außerhalb Europas etwa fünf Jahre nach der Reform stabilisiert. Für Eheschließungen zwischen Deutschen und Personen aus den EU-Beitrittsländern setzt sich der Trend aber weiter fort.

Grafik
Die Attraktivität der Ehe in Deutschland unter Berücksichtigung der jeweiligen Staatsbürgerschaften.
Eigene Berechnungen

Diese Divergenz deckt einen weiteren Mechanismus auf, durch den der Arbeitsmarkt die Partnerwahl beeinflussen kann. EU-Bürger und EU-Bürgerinnen haben uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Menschen aus anderen Regionen der Welt müssen den Zugang erst erlangen, zum Beispiel indem sie Person deutscher Staatsangehörigkeit heiraten. EU-Bürger und EU-Bürgerinnen aus den Beitrittsländern waren nach 2004 aber nicht mehr auf einen deutschen Ehepartner angewiesen, um in Deutschland leben und (mit ein paar Jahren Verzögerung) arbeiten zu können. Daher fällt die Attraktivität dieser Ehen weiter, auch nachdem der Effekt der Arbeitsmarktreform internalisiert worden ist.

Für Eheschließungen zwischen zwei Deutschen sowie zwischen Deutschen und einer Person aus einem EU-Mitgliedsland sehen wir keine Veränderung in unserem Attraktivitätsmaß. Eine mögliche Erklärung ist, dass EU-Bürger und EU-Bürgerinnen deutschen Staatsbürgern in Bezug auf Arbeitsmarktzugang und Sozialversicherung gleichgestellt sind. Differenziert man die Gruppe der EU-Bürger und EU-Bürgerinnen basierend auf deren sprachlicher Nähe, sieht man, dass Personen aus Ländern mit einer ähnlichen Sprache (etwa Österreich oder Niederlande) weniger von den Änderungen betroffen sind als EU-Bürger und EU-Bürgerinnen aus Ländern mit einer größeren sprachlichen Distanz (etwa Spanien oder Portugal). Dies dürfte unter anderem daran liegen, dass Sprachkenntnisse ein wichtiger Baustein für ein niedrigeres Arbeitslosigkeitsrisiko sind.

Bedeutung für Österreich

In vielen Ländern, Österreich ist hier keine Ausnahme, werden in regelmäßigen Abständen Arbeitsmarktreformen gefordert und durchgeführt. Eine Begründung ist oft die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Oftmals wird in diesem Zusammenhang eine Anpassung der Arbeitslosenunterstützung gefordert, um mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme zu setzen. Sollten aber strukturelle Hindernisse am Arbeitsmarkt weiterbestehen, kann das unerwartete Folgen in anderen Bereichen haben, was wir am Beispiel der Eheschließungen zeigen. Ehen zwischen Inländern und Personen mit Migrationshintergrund werden oft als Indikator für die erfolgreiche Integration von Ausländern gesehen. Eine verringerte Attraktivität dieser Eheschließungen kann die Migrationspolitik behindern und zur weiteren Polarisierung der Gesellschaft beitragen. (Fabian Siuda, 12.9.2023)