Galgen vor dem Landesgericht Wien
Kritik an dem Urteil kam aus der FPÖ, aber auch aus der ÖVP. Innenminister Gerhard Karner verurteilte gleichzeitig Aufrufe zur Lynchjustiz: Am Dienstag wurde etwa ein Galgen vor dem Landesgericht postiert.
Foto: Heribert Corn

Das Urteil im Prozess gegen Ex-Burgschauspieler Florian Teichtmeister, der zehntausende Dateien mit Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger hortete und diese zum Teil auch bearbeitete, sorgte für zahlreiche politische Reaktionen. Dass Teichtmeister zwei Jahre bedingt erhielt und die Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum ebenfalls bedingt ausgesprochen wurde, empörte die Freiheitlichen. "Es kann nicht sein, dass Täter bei solchen Delikten ohne Haft davonkommen", sagte der blaue Justizsprecher Harald Stefan. Er zeigte sich vom Urteil "enttäuscht". Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp wütete auf X (vormals Twitter): "Wenn der Rechtsstaat so versagt, braucht man sich in Zukunft über Selbstjustiz nicht wundern."

Unmut äußerte auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Als Familienvater und Staatsbürger verstehe er das Urteil persönlich nicht, sagte er. Er verurteilte aber auch Aufrufe zur Lynchjustiz. Dass Teichtmeister keinen Tag in Haft müsse, sei "ein fatales Signal" an Täter und an Opfer, sagte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Die Boulevardzeitung Österreich urteilte gleich selbst – und titelte mit "Urteil der Schande".

Staatsanwaltschaft verzichtete auf Rechtsmittel

Das Urteil ist seit Mittwoch rechtskräftig: Staatsanwältin Julia Kalmar verzichtete auf Rechtsmittel, gab die Behörde auf Anfrage des STANDARD bekannt.

In Justizkreisen wird das Urteil wegen des Besitzes und der Herstellung von pornografischen Darstellungen Minderjähriger als streng, aber vertretbar angesehen. Zwar sei es ungewöhnlich, bei einem Unbescholtenen zwei Drittel des Strafrahmens (in diesem Fall von drei Jahren) auszuschöpfen – die meisten Richterinnen und Richter bleiben bei der Verurteilung eines Ersttäters unter der Hälfte. Angesichts des langen Deliktzeitraums und der Vielzahl der Dateien sei es aber nachvollziehbar. Richter Stefan Apostols Begründung der Entscheidung – die Milderungsgründe wie das reumütige Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit und der selbstständige Therapiebeginn – wird überwiegend als schlüssig gesehen. Nicht vergessen darf man, dass Apostol als eher strenger Richter gilt – erst Mitte August verurteilte er einen unbescholtenen 26-Jährigen, der 71 Dateien in vier Jahren aus dem Internet heruntergeladen hatte, zu sechs Monaten bedingter Haft.

Florian Teichtmeister im Landesgericht Wien
Ex-Burgschauspieler Florian Teichtmeister nach dem Urteilsspruch am Dienstag.
APA/BARBARA GINDL

Plakolm kritisiert Zadić

Abseits des Urteils sorgt der Fall Teichtmeister auch dafür, dass es einen verschärften Strafrahmen für Sexualstraftäter geben wird. Darauf hat sich die türkis-grüne Bundesregierung im Jänner 2023 geeinigt. Noch sind die strengeren Gesetze aber nicht in Kraft: Die ÖVP ortete massive Versäumnisse beim grünen Koalitionspartner. ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm bezeichnete es als "extrem fahrlässig", dass Justizministerin Alma Zadić ihrer Verantwortung noch nicht nachgekommen sei.

Im Justizressort wird darauf verwiesen, dass nach dem Ende der Begutachtungsfrist Mitte Mai die Stellungnahmen zur Gesetzesnovelle noch gesichtet und eingearbeitet werden mussten. Man sei "auf den letzten Metern" versicherte ein Sprecher von Zadić. Ein Beschluss werde im nächsten Justizausschuss erfolgen. Die Änderungen sollen schnellstmöglich, "bestenfalls vor Jahreswechsel", in Kraft treten, wie es zum STANDARD hieß. Im Fall Teichtmeister hätte auch ein früherer Beschluss jedenfalls keine Auswirkungen auf das Strafmaß gehabt.

Im Detail sehen die künftigen Gesetzesverschärfungen im Bereich pornografischer Darstellung Minderjähriger so aus:

·Herstellung, anbieten, anderen verschaffen Unter diesen Punkt fällt auch das Delikt Teichtmeisters – mit einer bisherigen Maximalfreiheitsstrafe von drei Jahren (siehe Wissen). Künftig soll bei "1 bis 30 Abbildungen von sexualbezogenem Kindesmissbrauchsmaterial" auch eine Mindeststrafe von sechs Monaten gelten. Bei mehr als 30 Abbildungen ist ein Rahmen zwischen einem und fünf Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen.

·Besitz Hier wird die Höchststrafe teilweise mehr als verdoppelt. Bisher war – egal für wie viele Fotos oder Videos – eine Höchststrafe von zwei Jahren vorgesehen. Ab Anfang 2024 soll bei ein bis 30 Abbildungen eine Maximalstrafe von drei Jahren gelten. Bei mehr als 30 Fotos oder Videos gilt ein Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren.

·Herstellung zum Zweck der späteren Verbreitung Aktuell gilt ein Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren. Dieser soll – wenn mehr als 30 Abbildungen vorliegen – auf zehn Jahre verdoppelt werden. Die Mindeststrafe soll auf ein Jahr angehoben werden.

·Tätigkeitsverbote Im Gesetzesentwurf wird die Möglichkeit für Tätigkeitsverbote für verurteilte Täter im Bereich Kinder und Jugendliche ausgeweitet.

Auch Prävention noch ausständig

Kritisch sieht die Strafverschärfungen die Wiener Strafrechtsprofessorin Katharina Beclin. "Höhere Strafen bringen nichts." In Justizkreisen wird auch darauf verwiesen, dass sich immer mehr Kinder und Jugendliche selbst wegen der Verbreitung und des Besitzes von pornografischen Darstellungen Minderjähriger strafbar machen – Stichwort Sexting. Darunter fällt auch, wenn eine Minderjährige einem geringfügig älteren Jugendlichen Nacktbilder oder andere Intimfotos schickt. Knapp die Hälfte der Tatverdächtigen, gegen die im Vorjahr ermittelt wurde, war unter 18 Jahren alt.

Im Regierungspaket seien neben den schärferen Strafen auch Kinderschutz und ein besserer Opferschutz enthalten, heißt es aus dem Justizressort. Änderungen im Strafrecht seien nur "ein Baustein zum Schutz unserer Kinder". Die ebenfalls angekündigten verpflichtenden Kinderschutzkonzepte in allen österreichischen Schulen gibt es aber noch nicht. Diese starten erst mit Beginn des kommenden Schuljahres 2024/25. Laut Bildungsministerium sei das ein "rollierender Prozess", wie es zum STANDARD heißt. Sprich: Nicht in allen Schulen werden diese ab Schulbeginn im kommenden Schuljahr auch umgesetzt sein.

Stichwort Therapie: Das Behandlungsangebot für Pädophile ist in Österreich nicht sehr umfangreich. Am bekanntesten ist das seit zehn Jahren bestehende Projekt "Nicht Täter werden" der Männerberatung Wien. Unter ntw@maenner.at kann man sich auch anonym an die Expertinnen und Experten wenden, um in einer Therapie zu lernen, wie man das Begehren nach Minderjährigen oder Unmündigen unter Kontrolle halten kann und wie man die Grenzen der Kinder respektiert.

Rechtsanwalt zeigt Demonstranten an

Folgen gibt es für Teilnehmerinnen und Teilnehmer jener Demonstration "besorgter Bürgerinnen und Bürger" am Dienstag vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien, bei denen unter anderem ein selbstgebastelter Galgen mitgeführt wurde. Für Rechtsanwalt Manfred Arbacher-Stöger ist damit eine Grenze überschritten, weshalb er zwei namentlich genannte Personen und die unbekannten Kundgebungsteilnehmer bei der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt hat. Die Anklagebehörde solle prüfen, ob die Tatbestände der Verhetzung und der "Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen" erfüllt sind.

Rechtsanwalt Manfred Arbacher-Stöger ortete bei der Demonstration die Aufforderung zu Gewalt und die Anstachelung zum Hass nicht nur gegen Teichtmeister, sondern gegen alle Pädophilen.
EPA / Christian bruna

Denn für den Anwalt sind sowohl der Galgen als auch beispielsweise ein präsentiertes Schild mit der Aufschrift: "Heute werden Eier rollen" neben einem blutverschmieren Penis die Aufforderung zu Gewalt und die Anstachelung zum Hass nicht nur gegen den angeklagten Teichtmeister sondern gegen alle Pädophilen. Die Polizei Wien sah das anders und stellte sich auf den Standpunkt, dass die Utensilien durch die Versammlungs- und Meinungsfreiheit gedeckt seien. (David Krutzler, Michael Möseneder, 6.9.2023)