Feiern in der Wiener Arena. Sicher fühlen sich beim Feiern aber längst nicht alle. 
Eine Umfrage der VCC erörterte unter jungen Menschen, was sie beim Ausgehen an Diskriminierung erlebt haben.
Christian Fischer

Die DJ läuft zur Höchstform auf. Man tanzt ausgelassen, schwitzt, die Luft ist dick, es ist alles egal – es ist ein fantastischer Abend. Und dann ist da plötzlich diese Hand am Po. Man dreht sich um, doch da ist niemand mehr. Die Euphorie und das Gefühl von Freiheit weichen plötzlich einer Beklemmung. Gerade hat man die Hände noch tanzend in die Luft gerissen, jetzt verschränkt man sie schützend vor der Brust. Auf dem Heimweg tut man so, als würde man "telefonieren", den Schlüssel in der geballten Faust – nur für den Fall.

Situationen wie diese kennt so gut wie jede, die schon einmal nachts unterwegs war. Fast alle Nachtschwärmerinnen und Nachtschwärmer haben schon bedrohliche Situationen erlebt, beobachtet oder Anekdoten gehört. Doch harte Zahlen sind Mangelware. Die Vienna Club Commission (VCC) ist eine Service- und Vermittlungsstelle für alle Akteur:innen im Wiener Club- und Veranstaltungskontext und hat nun eine Befragung zum Thema "Sicherheit im Wiener Nachtleben" durchgeführt. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag im Rahmen des Wave Vienna Festivals präsentiert. Es geht um sexuelle Übergriffe, aber auch um Diskriminierung durch Türsteher und Beleidigungen. "Wir wollen diese emotionale Debatte mit Fakten untermauern", sagt VCC-Geschäftsführerin Martina Brunner. Mit der Durchführung der Umfrage wurde das Institut Educult beauftragt. Die VCC hatte die Umfrage über Social Media und in Clubs beworben. Laut Educult-Geschäftsführer Aron Weigl haben über 2.200 Personen an der Online-Umfrage teilgenommen.

Mann-Sein schützt

Die Umfrage wurde im März und April durchgeführt, die Teilnehmenden waren dem Thema entsprechend jung. Mehr als die Hälfte ist laut eigenen Angaben zwischen 20 und 29 Jahre alt, knapp ein Viertel zwischen 30 und 40. Zum subjektiven Sicherheitsgefühl auf Veranstaltungen im Wiener Nachtleben befragt, gaben mehr als drei Viertel der Befragten an, sich schon mindestens einmal unsicher gefühlt zu haben. Am größten ist das Gefühl der Unsicherheit bei der Altersgruppe der 19 bis 25-Jährigen. Weigl und sein Team haben zudem konkrete schlechte Erfahrungen abgefragt.

Nur sieben Prozent der Befragten gaben dabei an, noch nie eine Form von Diskriminierung beim Fortgehen zumindest beobachtet zu haben. Darunter fielen in der Studie unter anderem sexuelle Belästigung, Einlassverweigerung oder physische Übergriffe. Rund zwei Drittel gaben an, eine Form von Diskriminierung zumindest einmal selbst erlebt zu haben. Dabei sei laut Aron Weigl eindeutig erkennbar, dass bestimmte Gruppen deutlich häufiger Diskriminierungserfahrungen machen: People of Colour, Frauen und queere Personen gaben deutlich öfter an, schlechte Erfahrungen im Nachtleben gemacht zu haben – "eigentlich alle, die keine weißen Cis-Männer sind", fasst es Weigl zusammen. Das bestätigt auch die Aktivistin Frederika Ferkova. Die Obfrau des Veranstalterkollektivs Hausgemacht hat zuletzt eine Debatte über Machtmissbrauch und Übergriffe in der Wiener Techno-Szene angestoßen und über 100 Meldungen über Übergriffe im Nachtleben erhalten. Der STANDARD berichtete.

Awarenessarbeit noch die Ausnahme

Laut der Umfrage der VCC sind die Orte, an denen die Diskriminierung stattfindet, meist die Veranstaltungen und Clubs selbst. Gregor Imhof, der den Wiener Club SASS betreibt, sieht die Szene, was Sicherheitskonzepte und Awareness angeht, aber "noch nicht einmal in den Kinderschuhen". Das SASS sei hier allerdings schon weiter – der Club habe ein Awarenessteam, das ein sichereres Feiern ermöglichen soll. Allerdings brauche es für Clubs noch mehr Anreize und mitunter finanzielle Unterstützung, solche Konzepte umzusetzen. Noch koste Awarenessarbeit die Veranstalter viel Geld, bringe aber "wenig Lorbeeren" ein, so Imhof. Er hofft dennoch, dass es früher oder später keinen Club ohne Awarenessteam mehr geben werde. Immerhin sei es auch im Interesse der Clubbetreiberinnen und Clubbetreiber, Übergriffe zu verhindern. "Wenn Gäste diskriminiert werden, kommen diese mitunter nicht wieder – die Täter aber schon. Dabei sollte es umgekehrt sein", sagt Imhof. Den aktuellen Zustand im Nachtleben nennt er "unerträglich". Allerdings betont er: Nachtlokale können nur bedingt Einfluss darauf nehmen, wie ihre Gäste sich verhalten. "Es sind gesellschaftliche Probleme, die in die Clubs hineingetragen werden."

Aus der Umfrage geht hervor, dass sich die Partygäste vor allem besser geschultes Personal in den Clubs und Lokalen wünschen. Die VCC hat deshalb eine Checkliste für soziale Nachhaltigkeit erarbeitet, die für die Betreiber:innen als Anfangspunkt dienen könne. Außerdem werden aktuell Workshops konzipiert, die Beschäftigte im Nachtleben auf etwaige Diskriminierungsvorfälle besser vorbereiten sollen. Dafür soll künftig auch mit der Initiative "Ich bin dein Rettungsanker" der Stadt Wien zusammengearbeitet werden. Damit solche Schulungen auch etwas bringen, sei laut VCC-Geschäftsführerin Brunner aber entscheidend, "dass Clubs ihre Mitarbeiter:innen nicht nur aus Marketingzwecken hinschicken, sondern die Konzepte auch umsetzen". (Antonia Rauth, 7.9.2023)