Dieses Bild wurde mit der KI Midjourney erstellt. Der Prompt lautete: "illustration of a friendly looking robot, presenting newspapers, looking at the camera. --ar 3:2"
Midjourney/Der Standard

Liebe Mitmenschen,

in den Messehallen der IFA in Berlin mangelte es nicht an Beispielen dafür, dass KI derzeit ein Trendthema ist: So gehört eine ganze Halle voller Roboter zu den skurrilen Highlights des Events, diverse Hersteller integrieren "KI" (gemeint ist eigentlich in den meisten Fällen: Objekterkennung) in ihre Haushaltsgeräte, und Acer stellte ein E-Bike aus, das via KI das Fahrverhalten optimieren soll. Wem das Gewusel an den Ständen zu hektisch war, der konnte wiederum in die vergleichsweise ruhigen Vorträge und Podiumsdiskussionen flüchten, die am Rande des Megaevents stattfanden. Und auch hier habe ich einige spannende Dinge erfahren.

So widmet sich Lior Romanowsky, Gründer des israelischen Unternehmens Spartans, der Verwendung von KI im Kontext von Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen. Aufmerksamen Leserinnen und Lesern dieses Newsletters ist ja schon länger das Tool Skybox AI von Blockade Labs bekannt, mit dem auf Textbefehl 360-Grad-Bilder erstellt werden können. Romanowsky führt aber auch an, dass etwa über Large-Language-Models (LLMs) Charaktere in Computerspielen auf überzeugendere Weise miteinander und mit den Spielern agieren könnten. Zudem springe die Industrie zunehmend auf den Zug auf, erzählt er: Bei Unity zum Beispiel können sich Developer für eine AI-Beta anmelden.

Andere Beispiele für KI in der Contentproduktion liefert der als "Kwebbelkop" bekannte Influencer Jordi Maxim van den Bussche. Er hat einen virtuellen Influencer namens "Bloo" kreiert, der an seiner Stelle Gaming-Videos kommentiert. Über 800.000 Menschen haben Bloos Kanal abonniert, mehr als 800 Videos mit dem blauhaarigen Avatar sind bisher erschienen. Außerdem hat van den Bussche eine digitale Kopie von sich selbst erstellen lassen: Diese sieht zwar noch aus wie eine Comicfigur – er rechnet aber damit, dass in den kommenden Monaten auch fotorealistische Klone Usus sein werden. Und schließlich hat sein Unternehmen JVDB Studios noch eine Software namens Dubdash entwickelt, welche Videos automatisch übersetzt und über eine Text-to-Speech-Lösung in der Zielsprache ausspielt. Ein eindrucksvolles Demovideo kann man sich unter diesem Link ansehen.

Tools, Tools, Tools

Doch die Kreativbranche ist freilich nicht das einzige Feld, in dem KI zu Umwälzungen führt. Das zeigt auch die Nachrichtenlage der vergangenen Woche. So hat sich in einer Prüfung herausgestellt, dass keine andere KI juristisch so gut argumentieren kann wie ChatGPT. An anderer Stelle wird versucht, Schlafstörungen mithilfe von KI zu verstehen. Das Tech-Medium "Gizmodo" dreht die spanische Ausgabe ab und ersetzt Redakteure durch eine Übersetzungs-KI. In der 3D-Druck-Szene herrscht Aufregung, weil ein neues KI-Tool angeblich 2D-Bilder in druckfähige 3D-Modelle umwandeln kann. Und wenn Apple kommende Woche die neuen iPhones präsentiert, dann ist klar: Im Betriebssystem iOS steckt schon heute recht viel KI.

Was bedeutet es für die Arbeitswelt, wenn diese und andere Tools von Einzelpersonen – teils ohne Wissen der Chefs – in Unternehmen eingesetzt werden? Meine Kollegin Anika Dang hat sich umgehört und beantwortet auch die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen zu KI im Arbeitsleben.

Mehr Skepsis

Trotz all der positiven Nachrichten ist nicht zu übersehen, dass auch die Skepsis gegenüber dieser Technologie zunimmt. Bekannt wurde diese Woche außerdem, dass Russland verstärkt in KI investieren will und Google eine Kennzeichnung von mit KI erstellter politischer Werbung verlangt. Themen, welche die Bevölkerung des britischen Überseegebiets Anguilla nur beschränkt tangieren. Die Karibikinsel profitiert nämlich auf eigene Art vom KI-Boom: Denn die Nachfrage nach Domains mit der Endung ".ai" ist in den vergangenen Monaten massiv gestiegen.

Bleiben Sie menschlich, und bleiben Sie uns gewogen.

Herzlichst,

Stefan Mey, Ressortleiter Web