Hustend kommt Martina Parker aus dem Achazium und geht zum Durchatmen ins Freie. "Die Haube schmückt mich zwar nicht", sagt sie, "aber vielleicht schützt sie die Haare vor dem Rauch." Sie macht drei tiefe Atemzüge und geht dann wieder zurück, rauf in den ersten Stock, wo die Rauchkuchl ihrem Namen alle Ehre macht. "Ich mach das Fenster da zu", sagt Ernst Achaz. Sehr zur Verwunderung aller, die im Rauch stehen. Doch tatsächlich fängt dadurch der Rauch durch die Öffnung in der Decke abzuziehen an.

Eine Rauchkuchl in der mehrere Leute gemeinsam kochen.
Die Rauchkuchl im Achazium macht ihrem Namen alle Ehre.
Guido Gluschitsch

Achaz gibt zu, dass er auch noch nicht ganz genau weiß, welches Fenster bei welcher Wetterlage offen und welches geschlossen sein muss, damit der Rauch am besten abzieht. Dabei kennt er sein Achazium, das auch als der Untere Edelhof der Burg Forchtenstein bekannt ist, wie sonst niemand.

Tierbodenheizung

Im 14. Jahrhundert war das Haus vermutlich ein Ritterhof und bestand ursprünglich nur aus einem Turm, an den immer wieder angebaut wurde. Im Erdgeschoß dürfte ein Stall gewesen sein. Rinnen im Felsboden, die vermutlich Fäkalien nach außen leiteten, legen das nahe. Zudem nutzte man damals Tiere quasi als Heizung der oberen Geschoße.

Im 15. und 16. Jahrhundert war der Edelhof im Besitz von Rittern und Grafen, fiel einem Feuer zum Opfer und musste neu aufgebaut werden. Ab 1627 gehörte der Hof zur Grafschaft Esterházy – und seit geraumer Zeit Ernst Achaz. "Ich habe mir schon als Kind gewünscht, in einer Burg zu leben", erzählt er. Den Unteren Edelhof kannte er schon lange, als er eines Nachts im Internet sah, dass er zum Verkauf steht. Der Preis war so fair, dass Achaz dachte, da müsse was nicht stimmen – und vermutete einen Saustall in der direkten Nähe oder etwas Ähnliches. Das ließ ihm keine Ruh, er fuhr gleich hin, war gegen zwei Uhr dort und roch und hörte nichts, was störte. Noch in derselben Nacht leitete er den Kauf des Gebäudes ein.

Die Fassade des Achazium, an der man sieht, wie schief alle Mauern sind.
Im Achazium ist keine Mauer gerade oder im Lot und einen rechten Winkel gibt es vermutlich im ganzen Edelhof nicht.
Guido Gluschitsch

Seit damals ist viel passiert. Ernst Achaz renovierte und setzte instand. Ein Haus, das unter Denkmalschutz steht. Das Lachen ist ihm noch nicht vergangen, merkt man, wenn er scherzt: "Die Geschichte des Hauses reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Ich wollte Historiker überreden, irgendwie ins zwölfte zu kommen, aber da war nichts zu machen."

Konzertsaal und Rauchkuchl

Im Erdgeschoß ist heute ein kleiner Saal mit Bühne, wo immer wieder Konzerte stattfinden. Und im ersten Stock hat er eben erst die alte Rauchkuchl aus dem 16. Jahrhundert neu aufgebaut. Eine Mammutaufgabe, wie er erzählt. Und Achaz behält das alles nicht allein für sich, sondern öffnet die Tore, etwa damit in der Rauchkuchl authentisch gekocht werden kann.

Ein Blick in die Rauchkuchl.
Die Rauchkuchl, originalgetreu wieder aufgebaut, öffentlich zugänglich und in Betrieb, ist eine Besonderheit. Die meisten anderen dienen als Museumsstück.
Guido Gluschitsch

Heute gibt es gebratenen Hammel, geschälte Bohnen, gebackene Zwiebeln, Erbsen am Spieß, eine Weichselsalse und eine Torta di Marzapane. Und das geht zum Beispiel so: "Nim gesoten erbeiz vnd slahe die durch ein sip ..." Georg Geml vom Kochkulturmuseum leitet die große Rauchkocherei und hat mehrere alte Kochbücher dabei, wie eines von Bartholomäus Scappi aus dem 16. Jahrhundert. Kochbücher sind nämlich schon sehr früh gedruckt worden, weiß er. Das erste deutschsprachige Kochbuch soll aus dem Jahr 1489 stammen. Nur wie viel Stück eines Buches gedruckt wurden, ist nicht überliefert.

Ein Blick in ein Kochbuch aus dem Mittelalter.
Ein Blick in ein Kochbuch aus dem Mittelalter.
Guido Gluschitsch

Geml hat für diesen Abend die alten Rezepte nicht nur transkribiert und übersetzt, sondern auch für die heutige Zeit interpretiert. Denn was es früher bei Rezepten kaum gab, das waren genaue Mengenangaben. Da ist von "nicht allzu viel Butter" die Rede – oder einfach "thue dann honig dar an vnd geribens prot". Nicht alles erscheint uns heute schlüssig. Wie etwa, warum eine Art Omelett aus Erbsen und Eiern zugeschnitten, aufgespießt und dann noch einmal mit Ei bestrichen wird, um es weiter im Ofen zu garen.

Mittelalter-Tinder

Schon klar ist, warum das Omelett in mundgerechte Stücke geschnitten wird. Denn damals aß man mit der Hand. Genauer gesagt mit drei Fingern. Von welcher Hand die stammen, hing davon ab, wo man saß. Denn wie Geml erklärt, teilte man sich in der gehobenen Gesellschaft meist eine Schüssel und ein Glas. Saß man links der Schüssel, nahm man die linke Hand zum Essen. Aber nicht der drohende Abwasch war der Grund, das Geschirr zu teilen. Es ging mehr um die Interaktion bei Tische. Mittelalter-Tinder würden wir es heute vielleicht nennen.

Ein Mann und eine Frau in historischem Gewand.
Georg Geml und seine Kollegin vom Kochkulturmuseum sind dem Erlebnis entsprechend gekleidet.
Guido Gluschitsch

Doch bevor sich die drei Frauen und die drei Herren, die im Achazium zum Kochkurs angetreten sind, ausschnapsen, wer mit wem eine Schüssel teilt, ist die Tafel schon gedeckt und jeder bekommt seinen eigenen Holzteller und -löffel. Und eine Kochschürze, wie auch eine mehr oder weniger schmückende, weiße Haube, die man damals trug. Zu Recht.

Denn die Rezepte, die heute in der Rauchkuchl von den Teilnehmern gekocht werden, stellen das dar, was man heute als Haubenküche bezeichnen würde. Es ist ein Menü, wie man es in einem betuchten Haus an einem besonderen Abend serviert hätte. Was aber nicht am Hammel liegt, wie Geml erzählt.

Zwei Köche mit mittelalterlichen Hauben bearbeiten Fleisch.
Zwei Hobby-Haubenköche beim spicken des Hammels.
Guido Gluschitsch

"Fleisch gab es auch in niederen Ständen. Das waren Tiere, die man nicht über den Winter bringen wollte, oder Jungtiere, die nicht stark genug waren", erzählt er. Obwohl, rund ein Drittel aller Tage im Jahr waren Fasttage. "Jeder Freitag und vor allem die Tage vor großen Festen wie Ostern und Weihnachten." Was es aber nicht gab, waren Erdäpfel, Paradeiser, Paprika und Kukuruz.

Zwei Frauen beim Kochen in der Rauchkuchl.
Vor allem im Burgenland kennt man die hier kochende Sabine Lentsch viel eher als Handwerkerin im Fernsehen auftritt.
Guido Gluschitsch

"Aber Messer hat’s geben", sagt einer der Männer, der gerade mühsam Mandeln im Mörser zu einem Brei zerdrücken versucht. Er schnappt sich eines und beginnt die Mandeln zu hacken, bevor er sie weiter stampft und mit Rosenwasser beträufelt. Was es noch gab, das waren Kräuter. Davon verwendete man viel mehr als heute, erklärt Georg Geml. Vor allem je schlechter das Fleisch schon gerochen hat, umso mehr Kräuter nahm man. "Das steht auch so in einem Kochbuch." Außerdem gab es eine Reihe von Pfeffersorten, die man heute in keinem Supermarkt mehr kaufen kann und die kaum noch jemand kennt.

Ein Mann und eine Frau beim Kochen.
Auch diese Dame kennt man aus dem TV – Uschi Zezelitsch kocht dort sogar manchmal, in Gartensendungen, das was sie in ihrem Beet erntet.
Guido Gluschitsch

Ganz billig war die Würzerei aber nicht immer. Ein Pfund Safran kostete mit 180 Kreuzern so viel wie ein Pferd, Pfeffer immerhin noch 26 Kreuzer. "Vielleicht waren die Gewürze aber nach dem langen Transport auch nicht mehr so intensiv im Geschmack", sagt Geml.

Der kaum gewürzte Hammel hat hervorragend geschmeckt, sagen alle – und Martina Parker meint, dass auch der Rauch seinen Teil am Geschmack hat.
Guido Gluschitsch

Sehr intensiv ist am Abend aber der Geruch des Gewandes. "Das Essen war köstlich", erzählt Martina Parker kurz nach dem Event, "aber bei mir rennt schon die Waschmaschine." Die schmucke Haube dreht sich nicht mit. Die hat sie im Achazium gelassen. (Guido Gluschitsch, 10.9.2023)

Zwei Frauen mit mittelalterlichen Hauben.
Bestellerautorin Martina Parker und ORF-Redakteurin Sabine Lentsch als Haubenköchinnen.
Guido Gluschitsch