Pianist Víkingur Ólafsson
Von Bach über Rameau bis hin zu Beethoven reichen die pianistischen Entdeckungsreisen im Wiener Konzerthaus. Dabei sind: Der Isländer Víkingur Ólafsson...
Konzerthaus Wien

Buchbinder ohne Beethoven? Unvorstellbar. "Mein Leben als Pianist ist gleichzeitig auch ein Leben mit Beethoven. Sein Werk fasziniert mich, seitdem ich begonnen habe, mich mit Musik zu beschäftigen." Als Rudolf Buchbinder mit elf Jahren im Musikverein debütierte, spielte er Beethovens erstes Klavierkonzert. Die 32 Sonaten des Bonner Meisters hat er mehrfach aufgenommen und über 50-mal im Rahmen eines Zyklus aufgeführt. Unter den unzähligen Noten, die Buchbinder besitzt, befinden sich allein 39 verschiedene Ausgaben der Beethoven-Sonaten. Er selbst spielt aus der Liszt-Ausgabe. "Liszt war ein großer Verehrer Beethovens, und er hat in der Partitur weder etwas weggelassen noch hinzugefügt. Sogar die Fingersätze von Beethoven stehen drin."

Wenn Buchbinder auf die Bühne tritt, hat er fast immer Beethoven mit im Gepäck. So auch zum Auftakt der Konzertreihe Klavier im Großen Saal am 1. Oktober, wenn er neben Schuberts Vier Impromptus D_935 und Chopins h-Moll-Sonate Beethovens bahnbrechende Waldstein-Sonate spielt. Als Sonata Grande hat der Komponist sie bezeichnet, und groß ist sie in vielerlei Hinsicht: Allein der Schlusssatz zählt 543 Takte. Beethoven schuf ein Opus symphonischen Ausmaßes: romantisch-wild und von schwindelerregender Virtuosität.

Pianist Rudolf Buchbinder
...der Österreicher Rudolf Buchbinder...
Marco Borggreve

Nicht nur Gnome

Island ist nicht nur die Insel der Elfen und Gnome, Feen und Trolle; hier scheint der Boden auch für ­Musiker fruchtbar. Ob Avantgarde, Elektro, Indie, Pop, Rap oder Klassik – hier gedeiht alles. Im Bereich der E-Musik heißt der derzeit heißeste Musikexport Víkingur Ólafsson. Ólafsson, der das Publikum gerne mit außergewöhnlichen Programmkonstellationen überrascht, widmet sich derzeit Johann Sebastian Bach. "Ohne Bach wäre alles nichts", sagt er. "Wenn Glass’ Musik Minimal Music ist, dann ist Bach maximal." Im Juni veröffentlichte Ólafsson ein umwerfend schönes Album mit Bachs Goldberg-Variationen. Nun ist er mit dem Zyklus auf Herbsttournee, die ihn am 3. November ins Konzerthaus führt.

Das letzte Rezital des Jahres im Großen Saal gestaltet am 4. Dezember Daniil Trifonov. Seit seinem 3. Preis beim Warschauer Chopin-Wettbewerb hat der Russe eine kometenhafte Karriere hingelegt. Virtuose Romantik liegt ihm genauso wie schimmernder Impressionismus oder intimer Barock. Als er vor zwei Jahren hier als Zugabe Bachs Choral Jesus bleibet meine Freude spielte, blieb es im Saal lange still.

Pianistin Elisabeth Leonskaja
...die Russin Elisabeth Leonskaja...
Marco Borggreve

Diesen Herbst ist Trifonov sowohl symphonisch als auch solistisch unterwegs. Nach Konzerten mit dem Cleveland Orchestra, den New Yorker Philharmonikern und dem Philadelphia Orchestra begibt sich Trifonov auf Solo-Tour. Mit im Gepäck hat er Musik von Rameau, Wolfgang Amadeus Mozart und Felix Mendelssohn Bartholdy.

Ein echtes Mammut

Mit Ludwig van Beethoven schließt sich an diesem Abend der Kreis: Dreizehn Jahre nach der Waldstein-Sonate komponierte Beethoven die Große Sonate für Hammerklavier. Das einstündige Mammutwerk galt früher als unspielbar – vielleicht auch, weil es die einzige Sonate ist, bei der Beethoven die exakten Metronomzahlen dazuschrieb. Spannend, mit welchem Tempo Trifonov nach Wien kommt.

Pianist Daniil Trifonov
sowie der Russe Daniil Trifonov.
Konzerthaus Wien

Noch mehr Klaviermusik bietet der Zyklus Klavier im Mozartsaal. An sechs Abenden sind hier große Namen ebenso zu erleben wie junge Meisterpianisten. Rafał Blechacz eröffnet den Konzertreigen am 17. Oktober mit Stücken von Bach, Beethoven, Szymanowski und natürlich Frédéric Chopin – schließlich ist der polnische Virtuose einer der besten Chopin-Interpreten.

Wenn der große Grigory Sokolov (er gastiert am 22. Mai 2024 im Konzerthaus) voller Begeisterung über das Klavierspiel von Alexandra Dovgan spricht, sollte man unbedingt die Ohren spitzen. "Wir erleben hier etwas ganz Besonderes. Alexandras Spiel ist wahrhaftig und konzen­triert. Ich sage ihr eine große Zukunft voraus." Mehr Worte braucht es nicht, außer dass die russische Pianistin 16 Jahre jung ist und im Mozart-Saal vor zwei Jahren ihr Wien-Debüt gab. Am 15. Dezember stehen Bach, Beethoven und Rachmaninoff auf dem Programm.

Ferne Planeten, polnische Avantgarde und ein Ozean aus Musik

Der Zyklus "Atmosphères" erkundet Klangwelten zwischen traditioneller und experimenteller Musik, Klassik, Elektro und Jazz

Wien – Wie lässt sich der Begriff ­„Atmosphäre“ treffend beschreiben? Am besten mit Musik. Für den 1979 geborenen aserbaidschanischen Pianisten Isfar Sarabski ist die Musik ein Ozean, den er zum Auftakt der Atmosphères mit Jazz, Elektronik und Klängen aus seiner Heimat flutet.

Der Enkel eines berühmten Opernsängers kommt schon früh mit der Musik in Verbindung. Seine ersten Noten am Klavier spielt er, als er groß genug ist, um die Tasten im Stehen zu erreichen. "Ich wusste schon als Kind, dass mein Instrument das Klavier ist", sagt Sarabski. Er studiert Klavier in Baku und Jazz in Moskau; gewinnt mit 19 Jahren beim Jazz-Festival von Montreux die "Solo Piano Competition" und geht anschließend nach Amerika, um sich am renommierten Berklee College of Music in Boston ausbilden zu lassen. Als klassischer Pianist und Jazzmusiker tourte Sarabski bereits quer über den Planeten, bis die Pandemie auch ihn zum Innehalten zwingt. Sein 2021 erschienenes Solo-Debüt Planet präsentiert er nun im Berio-Saal (26. 9.).

Zwischen Neoklassik und Ambient, Electro und Avantgarde os­zilliert die Musik der polnischen ­Pianistin und Sängerin Hania Ra­ni. Rani, die mit bürgerlichem Namen Hanna Raniszewska heißt und in der internationalen Avantgarde-Szene ein Superstar ist, spielt in Wien unter anderem aus ihrem Album Venice – Infinitely Avantgarde, das 2022 als Soundtrack zum gleichnamigen Dokumentarfilm von Michele Mally erschienen ist (15. 10.).

Pianistin Hania Ranim
Die polnische Pianistin Hania Rani bringt Genregrenzen gekonnt zum Verschwimmen.
Imago

Freiheit durch Musik

"Musik ist für mich Freiheit", sagt die iranisch-kanadische Sängerin, Komponistin und Multiinstrumentalistin Golnar Shahyar. Vor 15 Jahren verlegte sie ihren Lebensmittelpunkt nach Wien, wo sie auch den Oud-Spieler Mahan Mirarab kennenlernte. Seither musizieren die beiden miteinander und ver­binden südwestasiatische mikro­tonale Modi mit polyrhythmischen Grooves, europäische Kammermusik mit Jazz.

Amir Wahba, österreichischer Perkussionist mit ägyptischen Wurzeln, erweitert das Duo zum Trio. (20. 11.). Im neuen Jahr folgen Elek­tro- und Synthie-Beats mit Pieter de Graaf, Soloprojekte von Cellist Lukas Lauermann und Sängerin Marilies Jagsch und ein Klassik-Rave mit Martin Kohlstedt. (Miriam Damev, 8.9.2023)