
Blonde langbeinige Damen räkelten sich auf phallischen Motorhauben von Autos, die es nicht zu kaufen gab und auch nie zu kaufen geben sollte. Autosalons waren die Opernbälle in Lack und Politur. Der voluminöseste und zeitweise wohl auch erfolgreichste Industriezweig der Welt feierte sich und seine Großartigkeit. Auto für alle wurde als unverzichtbar und damit höchst erstrebenswertes Zentrum der individuellen Mobilität gefeiert. Im Sog des Automobils wuchs der Wohlstand am steilsten. Wenn ein Land bloß zwei, drei Autohersteller anlocken konnte, war sein wirtschaftlicher Aufstieg gesichert.
Neuerfindung
Die massiven Schäden an der Umwelt, die mit dem Erfolg des Automobils einhergingen, wollte man nicht wahrhaben, vom Energie- über den Rohstoff- bis zum Bodenverbrauch. Lediglich die pure Luftversverschmutzung konnte man einigermaßen in Schach halten. Doch plötzlich kam das Auto in die Schusslinien der klimabedingten Kritik. Immer weniger Hersteller trauten sich auf die glamouröse Bühne namens Autosalon. Autosalons mussten sich neu erfinden, während Corona sprossen die Ideen.
Heute werden Autosalons statt von langen Motorhauben von künstlicher Intelligenz getragen oder davon, was man sich gegenseitig darüber mitzuteilen hat. Sogar Umweltorganisationen (mit fragwürdigem Hintergrund) inszenieren sich dort. Der Jahrmarkt der industriellen Eitelkeit hat sein Antlitz verändert, das Motiv bleibt wie gehabt: mit der linken Hand Gesten der Weltrettung in die Luft malen, mit der rechten Umsätze, Stückzahlen, Gewinne maximieren, koste es, was es wolle. (Rudolf Skarics, 8.9.2023)