"Kommt mit mir ein paar Snacks holen an unserer Shell-Tankstelle", sagt die US-Influencerin The Petrol Princess in einem Video im Onlinedienst Tiktok. Normalerweise posiert sie in verschiedenen Perücken für ihre 2,7 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten, mal mit schwarzen Locken, mal mit pinken Strähnen. Dazwischen macht die Influencerin Werbung für den britischen Ölkonzern Shell.

Die Ölindustrie hat derzeit keinen guten Ruf, dass will sie mithilfe von Influencern ändern
EPA/CAROLINE BREHMAN

So wie The Petrol Princess werben zahlreiche Influencerinnen und Influencer auf Plattformen wie Tiktok, Instagram und Twitch neben ihren üblichen Inhalten für die großen fossilen Unternehmen. BP, Chevron, ExxonMobil, Shell und Total Energies profitieren von ihrer Reichweite.

Kritik

"Die fossile Industrie will sich ein soziales Kapital bei jungen Menschen aufbauen", sagt Melissa Aronczyk, Professorin für Kommunikation und Information an der Universität Rutgers. Denn bei vielen jungen Menschen hätten die Ölkonzerne wegen der Klimakrise ein schlechtes Image. "Sie halten sie nicht nur für überaltert, sondern auch für gefährlich", erklärt Aronczyk.

Mehr als 100 Influencer haben nach einer Zählung der Klima-Nachrichtenseite DeSmog seit 2017 mit großen Ölkonzernen zusammengearbeitet. Darunter sind Videospielstreamer, Fußballfans und eine philippinische Großmutter, die für Comedy-Videos über ihre Familie beliebt ist.

Die Nachrichtenagentur AFP hat Werbevideos von Influencern aus Indien, Mexiko, Südafrika und den USA gefunden. Darin machen unter anderem eine Hochzeitsplanerin und eine schwangere Mutter Werbung für ein Treueprogramm an Tankstellen des Ölkonzerns ExxonMobil. "Wie viele Unternehmen arbeitet ExxonMobil mit Influencern zusammen, um die Konsumenten über die Vorteile unseres Treueprogramms aufzuklären", erklärt Konzernsprecherin Lauren Knight auf Anfrage.

Auswahl

Eine Sprecherin des Konkurrenten Shell teilt mit, der Konzern bewerbe in Onlinediensten seine CO2-armen Produkte. Zu Werbeverträgen mit Influencern für fossile Kraftstoffe machte Shell jedoch keine Angabe. BP, Chevron und Total Energies äußerten sich auf die AFP-Anfragen nicht.

Nach Angaben des Thinktanks InfluenceMap haben die Konzerne im Jahr 2020 umgerechnet gut neun Millionen Euro für Werbung auf Facebook ausgegeben. Das gesamte Ausmaß ihrer Werbestrategien ist allerdings schwer zu schätzen, weil nicht alle Anzeigen deutlich gekennzeichnet sind.

Für einige Influencer könnten die Werbedeals mit den Ölriesen nach hinten losgehen. Sie müssen sich darauf einstellen, dass ihr Ruf darunter leidet und Fans enttäuscht reagieren, sagt Duncan Meisel, Direktor der Kampagne Clean Creatives.

Backlash

Das bekamen mehrere Videospielstreamer bereits zu spüren, nachdem sie eine von Shell gesponserte Funktion im Onlinespiel Fortnite vorgestellt hatten. "Ich verstehe, dass man Geld verdienen muss, aber 2023 noch Werbung für ein fossiles Energieunternehmen zu machen, ist keine Lösung", schrieb ein Abonnent unter einem Video der Influencerin Chica auf Instagram. "Ich bin mit deinen Videos aufgewachsen, um zu sehen, wie du dich an eins der unmoralischsten und unmenschlichsten existierenden Unternehmen verkaufst", hieß es unter dem Beitrag eines anderen Influencers.

"Fossile Energieunternehmen sind die größten Umweltverschmutzer der Welt, sie werden von jungen Menschen tief verabscheut", sagt Duncan Meisel. "Für alle, die diese Videos sehen, ist die Taste 'Nicht mehr Folgen' nicht weit." (APA, 10.9.2023)