James Blake
Nach eher komatösen Arbeiten ist das neue Album von James Blake recht abwechslungsreich ausgefallen.
Universal Music

Leider fehlt zu oft der Kontrast. Diese Kluft zwischen Magenheber-Bässen und der stets aus dem Jammertal berichtenden Stimme: Das machte einen Gutteil jenes Charmes aus, mit dem James Blake um 2010 herum aufgetaucht war. Damals überführte er nachtschwarze Charakteristika aus der gerade angesagten britischen Bassmusik in die Liedform – und sowohl Kritik wie Publikum leckten an seinen Turnschuhen.

Es folgte eine beachtliche Karriere, die den bleichen Briten als Produzenten und Co-Autoren in die Gefilde einer Beyoncé, eines Jay-Z oder – aktuell – eines Travis Scott spülte. Von denen erhält er lukrative Jobs, sie schmücken sich mit seiner Credibility, das alte Spiel. Man kann sagen, der Mann ist im Geschäft.

Andererseits erblassten seine eigenen Alben zusehends, verkamen in Richtung Elektroschlager, fanden aus dem Teufelskreis von Weinerlichkeit und Autotune nicht mehr heraus, wirkten wie auf Albumformat gestreckte Singles und klangen, als hätte jemand statt beschleunigenden Kokains klebriges Mehl geschnupft. Die Resultate waren – wie sagt man es wertschätzend – ein bisserl ungeil, komatös nachgerade.

Der Sängerknabe

Das nun erschienene Playing Robots into Heaven ist Blakes sechstes Album, und es ist das quirligste seit langem. Zwar muss man das stets um Aufnahme bei den Sängerknaben buhlende hohe Stimmchen Blakes mögen, das ist im Langformat immer noch eine Herausforderung. Doch die Musik macht einiges wieder wett. Da gibt es das aus dem Club geholte Tell Me, das klingt, als würde Aphex Twin ein Album mit Kinderliedern produzieren. Das rappelt ansprechend, auch das darauffolgende Fall Back ist eine ansprechende Mischung aus Minimal House und Tricky auf Helium aus der Steckdose. Keine Sensation, jedoch eine Verbreiterung im Angebot des Albums. Ein Titel wie He’s Been Wonderful verschränkt via Vokal-Sample Gospel und Soul mit der Welt der Spielhallensounds aus der Urzeit des Fachs. Big Hammer wird seinem Namen nicht ganz gerecht, es klingt, als würde der 34-Jährige ein Detail aus einem Club-Track zu einem eigenen Song ausbauen – und lässt es mit Ragga-Vocals versehen. I Want You to Know erinnert gar entfernt an New Order – und Justin Bieber: Morbus Säusel-Streusel.

Trotz solcher Abstriche, die als Zugeständnisse an die Zielgruppe am Handy zu werten sind, ist Playing Robots into Heaven ein relativ vielfältiges Werk geworden. Eine Arbeit für die Nacht, aber nicht durchgängig kunstleiderisch. In dem Fach ist ja eh Jay-Jay Johanson der Maßstab. Ach, der gute Jay-Jay, der hätte eigentlich so groß werden sollen wie Blake. (Karl Fluch, 10.9.2023)