Die Schaltzentrale der Vienna Fashion Week ist kleiner als gedacht. Sie besteht aus einem Miniaturbüro, in dem gerade einmal ein Schreibtisch und eine Küchenzeile Platz haben. Das Büro wiederum befindet sich im Hinterzimmer des Not Another Concept Store in der Gumpendorfer Straße 36 im sechsten Gemeindebezirk. Elvyra Geyer, Zigi Mueller und Maria Oberfrank teilen sich einen Arbeitstisch.
Es ist Ende August, drei Wochen noch bis zum Beginn der Wiener Modewoche, die drei Organisatorinnen der Fashion Week sind im Stress.

Heuer wird zum 15. Mal vor dem Museumsquartier ein weißes Zelt aufgeschlagen. Es ist zum Markenzeichen einer Veranstaltung geworden, die seit 2009 im Modemonat September stattfindet. Also dann, wenn die Schauen in New York, London, Mailand und Paris im Gange sind. Die MQ Vienna Fashion Week mit den großen Modewochen messen zu wollen ist müßig. Statt internationaler Presse und Einkäufer haben die Veranstalterinnen von Beginn an die Endverbraucherinnen und Endverbraucher vor Ort angesprochen. Internationale Luxusmodemarken wie Balmain haben sich genau jenem Konzept in den vergangenen Jahren geöffnet.
Auch in Wien sind nicht nur jene, die für Tickets zahlen, vor Ort. Am Eröffnungstag stellen sich die Museumschefinnen, Miss Austrias und Adabeis dem Blitzlichtgewitter, sie sind das Futter für die Medien, "die Leute mögen das", sagt Geyer. Die Vienna Fashion Week hat es nie allen recht gemacht. Ihr Konzept wurde immer wieder hinterfragt und kritisiert. Zu provinziell, meinten die einen. Zu sehr "Seitenblicke" die anderen.

Wie die Macherinnen selbst auf die vergangenen 15 Jahre zurückschauen? "Wir haben eine Plattform für lokale Designerinnen und Designer geschaffen. Mode aus Österreich wird heute ganz selbstverständlich getragen", antworten Elvyra Geyer, Zigi Mueller und Maria Oberfrank. Die Veranstaltung habe auch eine Solidarisierung der Beteiligten bewirkt. Das habe sich gezeigt, wenn es für den einen oder anderen nicht so rund lief – die Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen.
Unauffälliger
Doch wie sieht das Programm heuer aus? Die Fashion Week hat ordentlich abgespeckt. 26 Shows werden im Jubiläumsjahr zwischen Montag und Sonntag über die Bühne gehen. Zu Hochzeiten seien es vor der Pandemie schon mal 70 Shows und rund 100 Designerinnen und Designer gewesen, sagt Elvyra Geyer. "Ein Overload sowohl für uns als auch für die Gäste", meinen die Macherinnen im Rückblick. Auch die Eröffnung fällt unauffälliger aus. Während die Woche in den Zehnerjahren von bekannten Namen wie Susanne Bisovsky oder Marina Hoermanseder eröffnet wurde, startet der Montagabend diesmal mit einem Best-of der teilnehmenden Designerinnen und Designer.

Eine Sparmaßnahme? "Eine bewusste Entscheidung", meint Geyer. Das Konzept habe sich im vergangenen Jahr bewährt. Bekanntere Namen wie Marcel Ostertag oder Thang de Hoo seien ja präsent, zeigten aber eben unter der Woche. Und sonst? Die Macherinnen wickeln den Event in ihrem 15. Jahr routiniert ab und setzen auf Bewährtes. Überraschungen sucht man vergebens – vielleicht mit Ausnahme zweier Modetalks, die heuer im Innenhof des Museumsquartiers über die Bühne gehen werden.
Mehr Vielfalt
Dabei ist Wiens Mode-Bubble zwar überschaubar, in jedem Fall aber vielfältiger als das Schauenprogramm der MQ Vienna Fashion Week. Warum sich nicht mit jungen Kräften wie beispielsweise der Fashion Revolution Austria zusammentun? Erst unlängst hat sich die Organisation in Österreich neu aufgestellt. Wieso nicht einzelne Veranstaltungen an andere Orte auslagern? Und warum nicht neben klassischen Modeschauen andere Formate ausprobieren? Das Konzept "Fashion-Show" funktioniert für viele Labels nicht.
Keine Frage, die Vienna Fashion Week, die sich mittels Sponsoring, Unterstützung durch Bund, Stadt Wien und Museumsquartier sowie durch Ticketverkäufe und Teilnahmegebühren finanziert, fehlt es an Mitteln. Insbesondere im Vergleich zu innovativen Formaten aus Kopenhagen oder Barcelona. Man kämpfe jedes Jahr, sagen ihre Macherinnen.
Es fehlt aber auch an frischem Wind und neuen Impulsen. Das mögen Gründe dafür sein, dass die Vienna Fashion Week an so manchem Wiener Modeunternehmen aus der Nachbarschaft im Siebten vorbeigeht.
Publikumsmagneten
Für andere Designerinnen und Designer funktioniert die Veranstaltung im Zelt wiederum gut. Anruf bei der Wiener Modeunternehmerin Martina Müller-Callisti, sie ist von Beginn an dabei. Ihre Mode beschreibt sie als "schlicht, mit Wiedererkennungswert", in der Ballsaison verkauft sie hauptsächlich Abendkleider. Die Show ihres Labels gehört zu den Publikumsmagneten der Veranstaltung. Bei Callisti ist das Zelt mit den 500 Plätzen bis in die hinterste Reihe besetzt, die Stimmung bestens. Vor der Pandemie füllte die Unternehmerin sogar bis zu 750 Plätze.
"Mit einer Mode-Show kann ich meiner Kundschaft etwas zurückgeben." Martina Müller-Callisti, Modeunternehmerin
Wie sie das macht? Das wisse sie gar nicht so recht, sagt Müller-Callisti. Zwischen 50 und 70 Stammkundinnen und -kunden lädt sie ein. Mit der Show könne sie "der Kundschaft etwas zurückgeben". Ihre Präsentation? Funktioniert als Kaufanreiz. Während fast zeitgleich in Mailand die Frühjahrskollektion 2024 gezeigt wird, lässt Müller-Callisti in Wien Entwürfe über den Laufsteg laufen, die am nächsten Tag in ihrem Geschäft in der Weihburggasse im Ersten erhältlich sind. Die Teilnahme an dem Event zahlt sich für die Unternehmerin aus. Die Nachfrage steige nach der Show spürbar.
Diesmal ist ihr Label Callisti am Donnerstagabend dran: Das Zelt wird bis zur letzten Reihe besetzt sein, die Fans werden jubeln. (Anne Feldkamp, 11.9.2023)