Klimasatellit PRETTY
Im Oktober soll der österreichische Klimasatellit Pretty endlich ins All fliegen.
TU Graz/Lunghammer

Er ist gerade einmal zehn Zentimeter breit, ebenso hoch und 34 Zentimeter lang. Mit knapp fünf Kilogramm ist er ein Leichtgewicht und will dennoch hoch hinaus. Die Rede ist von Pretty, Österreichs jüngstem Nanosatelliten, der Anfang Oktober in den Weltraum fliegen soll. In 600 Kilometer Höhe soll er Eisbedeckungen, Wind und Wellen sowie die Bodenfeuchte auf der Erde messen und parallel dazu herausfinden, wie die Strahlung im All sich auf seine Elektronik und andere Bauteile auswirkt.

Verspäteter Abflug

Eigentlich hätte der Satellit, der von der TU Graz gemeinsam mit Österreichs größtem Weltraumzulieferer Beyond Gravity Austria und Seibersdorf Laboratories gebaut und getestet wurde, bereits im Frühjahr abheben sollen. Nachdem die neue europäische Rakete Vega C Ende 2022 bei ihrem erst zweiten Flug gescheitert war, wurden geplante Missionen wie auch die des österreichischen Klimasatelliten erst einmal aufs Eis gelegt. Am 4. Oktober soll es nun endlich so weit sein. An Bord einer herkömmlichen Vega-Rakete soll Pretty vom südamerikanischen Kourou ins All starten.

Ungeachtet seiner kompakten Bauweise und seines eher unspektakulären Aussehens hat der Satellit beeindruckende Technik an Bord. Als Herzstück dient ein Reflektometer, das die zentimetergenaue Vermessung der Erdoberfläche erlaubt. Es soll dazu eingesetzt werden, verlässliche Daten zu den Eisflächen der Erde zu sammeln und über etwaige Veränderungen den Klimawandel zu dokumentieren. Darüber hinaus können damit auch der Wellengang auf Ozeanen, Windgeschwindigkeiten, aber auch die Feuchtigkeit des Bodens gemessen werden.

Das Besondere an der "interferometrischen" Methode, die bei Pretty erstmals im All angewandt wird: Anstatt selber aktiv ein Signal aussenden zu müssen, wertet das Reflektometer die von der Erdoberfläche reflektierten Signale von großen Navigationssatelliten wie Galileo und GPS aus. Da der Satellit für die Vermessung nur einen Empfänger und keinen Sender benötigt, arbeitet das System äußerst energieeffizient – für Minisatelliten wie Pretty eine Grundvoraussetzung, um trotz der kompakten leichten Bauweise voll funktionstüchtig zu sein.

Gefährliche Sonnenstürme

Neben dem innovativen Messinstrument, das von Beyond Gravity entwickelt wurde, ist ein nicht minder innovativer Strahlungsdetektor an Bord verbaut. Bei dem System Satdos, für das Seibersdorf Laboratories verantwortlich zeichnet, kommen mehrere Strahlungssensoren zum Einsatz, die Erkenntnisse zur Sonnenaktivität und zum Weltraumwetter liefern sollen. Das ist insofern relevant, als kosmische Strahlung und Ereignisse wie die zyklisch auftretenden Sonnenstürme Elektronik und Materialien gefährden können.

Klimasatellit Pretty
Der Satellit besteht aus drei zusammenhängenden Würfeln mit einer Größe von zehn Kubikzentimetern. Die Solarpaneele lassen sich falten und ausklappen.
Lunghammer/TU Graz

Indem die Weltraumstrahlung und die direkten Auswirkungen auf den Satelliten gemessen und ausgewertet werden, erhoffen sich die Verantwortlichen wertvolle Hinweise, wie die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Weltraummissionen sichergestellt und erhöht werden können. "Wenn geladene Teilchen quasi in Lichtgeschwindigkeit auf Objekte treffen, kann das verheerende Folgen haben. Diese Effekte noch besser zu verstehen erhöht die Langlebigkeit von Missionen und reduziert dadurch anfallenden Weltraumschrott", erklärt Strahlenschutzexperte Peter Beck von Seibersdorf Laboratories.

Satelliten aus Österreich

Pretty ist der bereits fünfte Kleinsatellit aus Österreich. 2013 waren bereits Tugsat-1 und Unibrite von der TU Graz und der Universität Wien ins All gestartet, die als Teil einer Flotte von Nanosatelliten die Helligkeitsschwankungen von Sternen messen. 2017 folgte mit Pegasus ein Kleinsatellit der FH Wiener Neustadt, der die Beschaffenheit der Erdatmosphäre im All misst. Und 2019 legte schließlich einmal mehr die TU Graz mit OPS-SAT nach, einer öffentlich zugänglichen Testplattform zur Erprobung neuer operationeller Technologien und Weltraumsoftware.

Andere spannende Projekte wie Adler 1 und 2 zur Erforschung von Weltraumschrott haben zwar ebenfalls österreichisches Know-how an Bord und mit dem Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF) auch einen heimischen Auftraggeber. Da sie jedoch von der US-Firma Spire Global gebaut und mit privaten Geldern finanziert wurden, zählen sie offiziell nicht zu den Satelliten "made in Austria", auch wenn Spire-Gründer Peter Platzer ursprünglich ebenfalls aus Österreich stammt.

SATDOS-1 Plattform Strahlungssensoren
So sieht die verbaute Plattform aus, mit der die Strahlung im Weltraum gemessen wird.
Seibersdorf Laboratories

Die Kosten für die Entwicklung und den Launch von Pretty sind mit 2,5 Millionen Euro verbucht. Finanziert wird das Projekt über das Technologieprogramm der europäischen Weltraumorganisation Esa, zu deren Budget das österreichische Klimaschutzministerium beiträgt. Dieses sieht im finanziellen Engagement keinen Widerspruch. Um den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Umwelt verstehen und gegensteuern zu können, sei man besonders auf die Erdbeobachtung aus dem All angewiesen, erklärt Henriette Spyra, Sektionsleiterin im Klimaschutzministerium auf STANDARD-Nachfrage. Aber auch die Messung der Strahlung im All, um Elektronik im All robuster und langlebiger zu gestalten, würde den österreichischen Ansatz zu mehr Nachhaltigkeit im Weltraum unterstreichen.

Größere Projekte

Beim Weltraumzulieferer Beyond Gravity Austria wertet man den Satelliten als weiteren Beweis für die in Österreich aufgebaute Kompetenz, was sowohl den Bau und die Entwicklung von Hardware als auch die wissenschaftliche Forschung betrifft. Aus wirtschaftlicher Sicht sei der Weltraum ein wachsendes Geschäftsfeld, das viel Potenzial biete, sagt Beyond-Gravity-Geschäftsführer Kurt Kober. Um dieses noch mehr ausschöpfen zu können, hofft er darauf, dass der nächste österreichische Satellit ein größerer sei: "Cubesats sind spannend, aber wirklich Geld verdienen kann man damit nicht."

Als Vorbild für ein derartiges Projekt nannte er die Schweiz, die zuletzt auch aus militärischen Überlegungen in Weltraumtechnologien investierten. Dass das kleine Österreich mittlerweile nicht nur in der Lage sei, als Zulieferer für die Weltraumindustrie zu reüssieren, sondern eigene Satelliten bauen und Systeme integrieren könne, mache stolz, sagt auch Stephan Mayer, Esa-Technologieexperte bei der Agentur für Luft und Raumfahrt der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft. Auch er wünscht sich allerdings, dass der Anspruch in Österreich künftig noch höher werde.

Bevor der Start eines noch ambitionierteren Projekts ins Auge gefasst wird, muss zunächst einmal Pretty sicher ins All gelangen. Die mit dem Klimasatelliten gesammelten Daten werden zunächst von einem Team aus internationalen Forschenden gesichtet und ausgewertet, bevor sie schließlich als Open Source der Öffentlichkeit frei zu Verfügung gestellt werden. Die offizielle Mindestdauer der Mission ist auf ein Jahr angesetzt. Frühere Missionen lassen aber hoffen, dass der kleine Satellit deutlich länger unterwegs sein und wertvolle Daten liefern wird. (Martin Stepanek, 12.9.2023)