Herbstgold
Der Zyklop als echter Hingucker in Eisenstadt.
Andreas Tischler / Vienna Press

In zartem Spätsommerhellblau spannt sich der Himmel zum Vorspiel des Herbstgold-Festivals über Schloss Esterházy. Aus den vorgelagerten, gastronomisch bespielten Baukörpern schallt Popmusik, die Läden brummen, die Dachterrasse eines eleganten Hotels vor dem Schlosstor ist gut frequentiert. Überraschung: Eisenstadt, eigentlich eine Kapitale der Entschleunigung, kann auch Party.

Im Haydn-Saal des Schlosses spuckt derweil der Ätna Feuer. Vor einem Bühnenbild in Lavarot ereignet sich das Drama um Acide und Galatea: Der Hirt und die Meeresnymphe lieben sich, doch der gewaltbereite Zyklop Polifemo hat sein Auge auf Galatea geworfen. Mord und Totschlag folgen, aber die Nymphe Tetide verwandelt den zertrümmerten Hirten in ein Bächlein, und so können sich die Liebenden auf liquide Weise vereinigen.

Anlässlich der Hochzeit von Anton Esterházy, dem ältesten Sohn des prachtliebenden Fürsten Nikolaus I., hat Joseph Haydn diese nicht vollständig erhaltene Festa teatrale 1763 komponiert. Carolin Pienkos und Cornelius Obonya haben eine eigene Fassung von Acide erstellt: mit einem Erzähler (Obonya), deutschen Sprechpassagen sowie auf Italienisch gesungenen Arien.

Tolle Kostüme

Dass dieses Zwitterwesen zu farbenfrohem Bühnenleben findet, ist auch den fantastischen Kostümen von Laura Madge Hörmann zu danken. Speziell der Zyklop Polifemo, der als Geköpfter sein wasserballgroßes Auge an einem langen Stock trägt, ist ein Hingucker. Hinhören wiederum macht bei Jan Petryka Freude, der als Acide die Höhen der virtuosen Partie mit seiner Mischstimme souverän bewältigt.

Elisabeth Wimmer gibt sich als Galatea den dynamischen Extremen hin, keck Elisabeth Breuer als deren Freundin Glauce. Und Christoph Filler schaut als Polifemo grimmiger aus, als er klingt.

Die Schritte des Zyklopen unterlegen Heinz Ferlesch und sein Ensemble Barucco gern mit Rumpelclustern. Die Accompagnati von Haydn (etwa Galateas Giusti Dei!) interpretieren sie mit Vitalität, eher auf der feinen Seite sind die Sinfonia und einige Arien. Jubel dafür im Schloss. Am Mittwoch wird Herbstgold offiziell eröffnet, es bringt mehrere Auftritte des geigenden Festivalchefs Julian Rachlin und des Chamber Orchestra of Europe mit sich; Jazz, Weltmusik, eine Lesung und alten Hollywood-Glanz (George Hamilton) gibt’s ebenfalls. (Stefan Ender, 11.9.2023)