St. Pölten – Bis 2030 will der Bund mehr als vier Milliarden Euro in die Kinderbetreuung investieren. Der Vorstoß von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), den Gemeinden in puncto Kinderbetreuung mehr unter die Arme zu greifen, kam für viele überraschend. Vor allem für die Sozialdemokratie in Niederösterreich: Denn dort hat Nehammers Parteikollegin, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, während der Regierungsverhandlungen die SPÖ-Forderung nach einem ganztägigen und kostenlosen Kindergarten ab dem zweiten Lebensjahr abgelehnt.

Die Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ brachen dar­aufhin ab, stattdessen wurde eine schwarz-blaue Landesregierung gebildet. Nehammer will nun österreichweit mit den angekündigten Milliarden eine Betreuung ab dem ersten Lebensjahr sicherstellen. ­Innerhalb der SPÖ fühlt man sich deshalb vor den Kopf gestoßen. "Nehammer lenkt ein, wo bleibt Mikl-Leitner?", kritisiert etwa Familiensprecherin Kerstin Suchan-Mayr.

Der niederösterreichische SPÖ-Chef Sven Hergovich im Rahmen eines Interviews.
Die SPÖ Niederösterreich unter Sven Hergovich wünscht sich einen ganztägigen und kostenlosen Kindergarten im Bundesland.
Foto: Robert Newald

Die niederösterreichische Volkspartei verweist auf die aktuelle Betreuungsoffensive der Landesregierung: Ab Herbst 2024 soll der Kindergarten für Zweijährige in Niederösterreich geöffnet werden. Bisher durften Kinder erst ab zweieinhalb Jahren in Landeskindergärten. Das Modell wird aktuell in 15 Pilotgemeinden getestet, darunter Gänserndorf. Die Betreuung am Nachmittag werde zudem für Eltern günstiger, der Vormittag sei bereits von sieben bis 13 Uhr gratis, erklärt ein Sprecher von Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP). 750 Millionen Euro will die Landesregierung dafür in die Hand nehmen, 600 zusätzliche Pädagoginnen und Pädagogen werden gebraucht.

SPÖ plant Anfrage

Aus Sicht der SPÖ ist das immer noch viel zu wenig Geld. Gemeinden hätten ohnehin schon mit dem Ausbau der Kindergärten zu kämpfen, Personal fehle ohne Ende, betont ein Sprecher der SPÖ im Gespräch mit dem STANDARD. Die Roten wollen zur Machbarkeit der geplanten Offensive in der nächsten Landtagssitzung eine Anfrage an Teschl-Hofmeister stellen. Ein kostenloser und ganztägiger Kindergartenbesuch ab zwei Jahren war eine der zentralen Bedingungen von SPÖ-Parteichef Sven Hergovich für eine Koalition mit der ÖVP. Seit dem Abbruch der Gespräche herrscht quasi Funkstille zwischen Mikl-Leitner und Hergovich.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will in Niederösterreich ab Herbst 2024 den Kindergarten für Zweijährige öffnen.
APA/Hans Klaus Techt

Ein Ausbau, wie ihn sich die SPÖ wünschen würde, sei laut ÖVP jedenfalls in Niederösterreich nicht zielführend. "In ländlichen Gemeinden gibt es oftmals gar nicht den Bedarf für eine ganztägige Öffnung. Dann macht es auch nicht Sinn, den Kindergarten bis am Abend offen zu lassen", sagt ein ÖVP-Sprecher.

120.000 Euro erstattet

Unterdessen geht der schwarz-blaue Corona-Fonds in die nächste Runde. Anfang Sommer wurde die Rückzahlung von verfassungswidrigen Corona-Strafen gestartet, seit
1. September werden nun Hilfen für Familien und Vereine ausbezahlt. Im Zentrum würden Hilfen für Kinder stehen, die durch Lockdowns Lerndefizite und psychische Probleme erlitten haben, sagt Landesvize Udo Landbauer (FPÖ). Mehr als eine Million Euro wurde bereits beantragt, bisher wurden 120.000 Euro an Corona-Strafen rückerstattet. (Max Stepan, 12.9.2023)