Leere Sessel am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Derzeit sind im Staatsdienst mehrere Spitzenpositionen unbesetzt. Auch am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird demnächst die österreichische Richterstelle frei.
EPA / Ronald Wittek

Im Streit über die Nachbesetzung an der Spitze des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) könnte es eine Einigung geben. In Justizkreisen machen laut Orf.at derzeit Gerüchte die Runde, dass statt der im Auswahlverfahren erstgereihten Richterin Sabine Matejka jemand anderer zum Zug kommen könnte: Christian Filzwieser, ehemaliger Kammervorsitzender am BVwG und derzeit Gruppenleiter im Innenministerium.

Gleichzeitig könnte sich in einem "Personalpaket" der Regierung die verfahrene Situation bei der BWB auflösen: Seit dem Rücktritt von Theodor Thanner wird die Behörde interimistisch von Natalie Harsdorf-Borsch geleitet. Die Wettbewerbsjuristin schaffte es in einem umstrittenen Auswahlverfahren aber nur auf Platz zwei des Besetzungsvorschlags. Erstgereiht wurde der derzeitige Vizepräsident am BVwG Michael Sachs, den die Grünen aufgrund seiner ÖVP-Nähe skeptisch sehen.

Die Lösung könnte nun wie folgt aussehen: Filzwieser wird als "Kompromisskandidat" Präsident am BVwG, Harsdorf-Borsch Generaldirektorin bei der BWB. Die Regierung könnte damit eine monatelange gegenseitige Blockade beenden. Überraschend wäre die Lösung dennoch: Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hatte in einem Interview mit dem STANDARD vergangenen Herbst betont, dass am BVwG "der oder die Erstgereihte nominiert werden soll".

Zahlreiche Baustellen

Sollte sich der gordische Knoten bei BWB und BVwG in nächster Zeit doch noch lösen, könnte es bei weiteren offenen Besetzungen schnell gehen. Wie berichtet hat etwa auch der Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) derzeit keine Spitze – etwas, das es in dieser Form noch nie gab. Die Posten des Präsidenten (Sideletter-Nominierungsrecht ÖVP) und der Vizepräsidentin (Nominierungsrecht Grüne) sind unbesetzt, nachdem am 31. August die Mandate von Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer (ÖVP) als OeNB-Präsident und seiner Stellvertreterin Barbara Kolm (FPÖ) ausgelaufen sind. Die Regierung will bis zur nächsten Generalratssitzung im Oktober eine Lösung finden.

Einen Rechtsgelehrten von "anerkanntem Ruf" oder eine Richterin, die "jede Gewähr für ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bietet", sucht derzeit auch das Außenministerium. Auf der neuen Verlautbarungsplattform des Bundes ist die Stelle als österreichischer Richter oder österreichische Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ausgeschrieben. Die Republik muss bis 13. Februar 2024 einen Vorschlag für die Nachbesetzung vorlegen.

Der Gerichtshof mit Sitz in Straßburg ist das Rechtsprechungsorgan des Europarats und wacht über die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Richter am EGMR werden für sieben Jahre bestellt; die Funktionsperiode der aktuellen österreichischen Vertreterin Gabriele Kucsko-Stadlmayer läuft aus. Die Bundesregierung muss sich deshalb in den nächsten Monaten auf eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger einigen. Laut dem geheimen Sideletter der Regierung, der Anfang 2022 bekannt geworden ist, steht das Nominierungsrecht für die Top-Position den Grünen zu.

Auf Nachfrage des STANDARD beim Außenministerium, ob der Sideletter noch gültig ist, heißt es, dass mit dem Auswahlverfahren eine Kommission betraut wird, "deren Zusammensetzung und Aufgaben durch einen Ministerratsbeschluss festgelegt werden". Wichtige Kriterien seien "Qualifikationen und Erfahrungen einschließlich persönlicher Eigenschaften wie Unabhängigkeit und Unparteilichkeit". (Jakob Pflügl, 11.9.2023)