Studierende machen sich Notizen
Betriebliche Weiterbildung rückt wegen des Fachkräftemangels in den Hintergrund.
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Im Jahr 2022 stimmten noch 91 Prozent der befragten Unternehmer der Aussage zu, dass betriebliche Fortbildung (sehr) bedeutend sei. Im aktuellen Weiterbildungsbarometer des Wifi, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Imas International, teilen diese Aussage nur noch 83 Prozent. Für Paul Eiselsberg, Senior Research Director bei Imas, ist das zwar nach wie vor ein hoher Anteil, die angespannte Arbeitsmarktsituation wirke sich aber auch auf die Fortbildungen aus.

Markus Raml, Kurator beim Wifi Österreich und Inhaber einer Steuerberatungskanzlei, kennt das Problem. Die Kanzlei hat aktuell 82 Beschäftigte, der Fachkräftemangel sei deutlich spürbar. "Da fehlt oft die Zeit für betriebliche Fortbildung", ergänzt er. Denn man könne nicht erwarten, dass sich Mitarbeiter in ihrer Freizeit weiterbilden. "Mit kurzen, kompakten Bildungshäppchen, die jederzeit abrufbar sind, versuchen wir hier gegenzusteuern." Außerdem könnten Routinearbeiten mittlerweile von künstlicher Intelligenz erledigt werden.

Fortbildung in Technik und Digitalisierung

Aus Sicht der Unternehmen sind die Bereiche IT und Digitalisierung (65 Prozent) und Technik (62 Prozent) die wichtigsten Fortbildungsthemen. Auf Platz drei folgt Qualitätsmanagement (61 Prozent), danach kommen die Themenkomplexe Nachhaltigkeit/Green Skills (56 Prozent) und Innovation/digitale Transformation (55 Prozent).

Neben der Sicht der Unternehmer – befragt wurden repräsentativ 300 Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitenden – auf betriebliche Weiterbildung werden für das Barometer auch die Beschäftigten befragt. "Hier zeigt sich zum wiederholten Mal eine Diskrepanz zwischen der Bedeutung von Weiterbildung und der persönlichen Umsetzung", sagt Eiselsberg. Denn mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stufen lebensbegleitendes Lernen als "sehr wichtig" ein. An der praktischen Umsetzung scheitert es aber häufig. Nur ein knappes Drittel (31 Prozent) hat sich auch tatsächlich weitergebildet. "Dieser Value-Action-Gap gilt nach wie vor und ist im Vergleich zur Erhebung im Vorjahr gestiegen", sagt der Meinungsforscher.

Kosten und Zeit als größte Hürden

Die Kosten (13 Prozent), das ständige Up-to-date-Bleiben (elf Prozent) und die zeitliche Vereinbarkeit (zehn Prozent) wurden von den Beschäftigten als Hürden für die Teilnahme an Fortbildungen am häufigsten genannt. An der Motivation fehle es jedenfalls den Befragten kaum. Nur ein Prozent nannte diesen Hinderungsgrund.

In den meisten Fällen (51 Prozent) ging die Initiative zur Weiterbildung von den Unternehmen aus, 42 Prozent der Befragten, die sich in den letzten Jahren betrieblich fortgebildet haben, gaben an, dass die Initiative von ihnen ausgegangen sei. "Vor allem junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen bei der Weiterbildung auf Eigeninitiative", sagt Eiselsberger. Die Erhebung zeigt weiters: Mit zunehmender Berufserfahrung sinkt das Interesse des Einzelnen.

Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich, fordert in diesem Zusammenhang, das im Regierungsprogramm enthaltene Bildungskonto endlich anzugehen. "Gerade hinsichtlich des Fachkräftemangels brauchen wir mehr Impulse zur 'Incentivierung' von Höherqualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", sagt sie. Die Umfrage bestätigt diese Forderung. 81 Prozent der Erwerbstätigen und 77 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer würden eine Aufstockung der staatlichen Förderung für Weiterbildung begrüßen. Ein staatlich finanziertes Bildungskonto würden 74 Prozent der Beschäftigten und 79 Prozent der Betriebe in Anspruch nehmen.

Flexiblere Formate gefragt

Bei den Weiterbildungsformen haben Präsenzveranstaltungen die Nase vorn. 61 Prozent der Weiterbildungen fanden in dieser Form statt. Und sowohl die Hälfte der Unternehmen als auch der Mitarbeitenden empfinden Vor-Ort-Seminare als die geeignetste Form der Fortbildung. Online-Kursangeboten stehen Erwerbstätige mit zwölf Prozent wesentlich offener gegenüber als die Betriebe (sechs Prozent).

Tatjana Baborek, Institutsleiterin beim Wifi Österreich, nimmt beim lebenslangen Lernen die Unternehmen in die Pflicht. "Betriebe müssen die Werkzeuge und auch die Zeit für Weiterbildung zur Verfügung stellen." Dafür brauche es flexiblere Systeme, wo Arbeit und Fortbildung ineinanderfließen können. "Reine Wissensvermittlung war einmal. Gerade die schnelllebige Zeit erfordert stetige Weiterbildung", ergänzt sie. (Gudrun Ostermann, 12.9.2023)