Frau mit Handy im Bett
Abhörgeräte in der Wohnung, zweckentfremdete Saugroboter oder veröffentlichte Nacktfotos: Cybergewalt hat viele Ausprägungen.
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"Er hat bei mir in der Wohnung Abhörgeräte installiert und über diese Abhörgeräte dann natürlich gehört, wen ich empfange und was ich in der Wohnung rede. Er hat zusätzlich auch mein Handy manipuliert und konnte alle Gespräche, die ich führe, mithören."

Zitate wie dieses stammen von Frauen, die Erfahrungen mit einer beunruhigenden Begleiterscheinung des digitalen Zeitalters gemacht haben: mit Cybergewalt.

Zerstörte Leben

Eine weitere Frau in einer ähnlichen Situation berichtet: "Das hat auch keinen Sinn, das Handy mit Fingerprint oder Gesichtserkennung oder sonst irgendwas zu schützen – wenn du so einen gewalttätigen Mann hast, dann sagt der: 'So, und jetzt halt den Finger drauf oder schau jetzt da rein, und ich will in dein Handy reinschauen!' Das nützt dir nichts." Eine andere sagt: "Er hat mir mein Leben kaputtgemacht. Er macht es weiterhin noch über Facebook."

Durch die Zunahme an technischen Geräten in unserem Alltag diversifizieren sich nicht nur unsere Kommunikationsmethoden. Auch die Ausübung von Gewalt nimmt neue Formen an. Ein Forschungsbericht der FH Campus Wien mit dem Titel "(K)ein Raum. Cyber-Gewalt gegen Frauen in (Ex-)Beziehungen" liefert nun wissenschaftliche Erkenntnisse des noch jungen Forschungsfelds.

Überwachung via Saugroboter

"Die Idee zum Projekt ist aus der Praxis entstanden", sagt die Projektleiterin Magdalena Habringer, Forscherin an der Fachhochschule Campus Wien, bei der Präsentation der Ergebnisse. "Ich habe vor einigen Jahren in der Gewaltberatung gearbeitet, und Frauen haben immer häufiger erzählt, dass Gefährder Technik anwenden, um Gewalt auszuüben", sagt sie.

Die Möglichkeiten, auch über eine Trennung hinaus Kontrolle über eine Frau auszuüben, sind vielseitig. Dazu gehören das Posten von Nacktfotos in sozialen Medien oder von Sexvideos auf Erotikportalen und auch das Erstellen von Fake-Profilen, auf denen kompromittierende Inhalte im Namen der Frauen veröffentlicht werden. Äußerungsformen sind aber auch das Beschatten mithilfe technischer Geräte in Form von GPS-Tracking, Stalker- und Spyware, Smartwatches oder mit smarten Saugrobotern, die zur Überwachung der (Ex-)Partnerin zweckentfremdet werden. Der Titel des Forschungsberichts spielt dabei auf die Grenzenlosigkeit an, die durch die technische Gewaltausübung entsteht.

Sichere Räume schrumpfen

Frauen verlieren dadurch die letzten sicheren Räume, öffentliche Bloßstellungen wirken sich dramatisch auf das Leben und auf Beziehungen aus. "Durch die Öffentlichkeit müssen Freunde und Familie sich entscheiden, mit wem sie sich solidarisieren – man spricht von Mittäterschaft, wenn sie sich mit dem Gefährder solidarisieren", erklärt Habringer.

Frau mit Smartphone
Täter aus dem privaten Umfeld wollen Betroffene auf Schritt und Tritt überwachen.
IMAGO/Panthermedia

Gemeinsam mit Sandra Messner und Andrea Hoyer-Neuhold vom Zentrum für Sozialforschung und Wissenschaftsdidaktik wurde das Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren anhand qualitativer und quantitativer Erhebungs- und Auswertungsmethoden umgesetzt. Gefördert wurde die Arbeit auch durch die Forschungsförderungsgesellschaft FFG.

Der Mangel an einer international gültigen Definition des Begriffs Cybergewalt erschwerte den Forscherinnen zufolge die Analyse des Ausmaßes des Problems. Es wurden Einzelinterviews mit 15 Frauen geführt, die über Frauenberatungsstellen vermittelt wurden. Darüber hinaus wurde eine quantitative Aktenanalyse des Paragrafen 107c des Strafgesetzbuchs (StGB) "Cyber-Mobbing" sowie eine Umfrage in allen Frauen- und Familienberatungsstellen Österreichs umgesetzt.

Sexualisierte Gewalt im Netz

Demnach werden etwa 13,3 Prozent der dortigen Beratungen zum Thema Cybergewalt im Beziehungskontext durchgeführt. In einigen Einrichtungen spielt die Thematik noch eine geringe Rolle. "Wir vermuten, dass oft unklar ist, was Cybermobbing ist und wo es beginnt", erklärt Habringer. "Ein Nacktfoto von einer Frau auf Social Media zu veröffentlichen, würde zum Beispiel unter den Cybermobbing-Paragrafen fallen, aber es ist vielen nicht bewusst, dass das strafbar ist", sagt sie.

Deutlich wird anhand der Fallbeispiele, dass Cybergewalt häufig sexualisiert ausgeübt wird und auf die Demütigung oder soziale Isolation der (Ex-)Partnerinnen sowie auf Kontrollausübung durch die Gefährder abzielt. Oft geht es auch um die psychische Zermürbung der Frauen.

In der Regel erfordern die angewandten Methoden keine großen Fertigkeiten oder Technikkenntnisse. Sowohl aus der Analyse der FH Campus Wien als auch aus früheren Studien wie zum Beispiel einer solchen der Wiener Frauenhäuser (2020) geht hervor, dass Cybergewalt meistens mit häuslicher Gewalt verbunden ist. "Bis auf eine Ausnahme waren alle Frauen, die wir befragt haben, auch von bisher bekannten Formen häuslicher Gewalt – das heißt von physischer, psychischer, sexualisierter und ökonomischer Gewalt – betroffen", sagt Habringer.

Sensibilisieren, um zu helfen

Um die Perspektive von Expertinnen und Experten – bestehend aus Polizistinnen und Polizisten, Juristen und Juristinnen sowie psychosozialen Beraterinnen und Beratern – einbinden zu können, wurden qualitative Fokusgruppen gebildet. Die Ergebnisse machen für die beteiligten Forschenden die Notwendigkeit von Bildungsmaßnahmen in diesen Bereichen deutlich.

"Es braucht Maßnahmen zur Sensibilisierung in Form von Schulungen, vor allem auch, weil sich die Technik permanent weiterentwickelt", erklärt die Sozialarbeiterin Nina Wallner vom Gewaltschutzzentrum Burgenland, die an der Präsentation der Forschungsergebnisse teilnahm. Ein Schritt in diese Richtung ist durch das Forschungsprojekt in die Wege geleitet worden.

So flossen alle Ergebnisse dieses Projekts in die Konzeptentwicklung eines technischen Tools. Dieses soll als Unterstützung für Beraterinnen und Berater dienen, die mit gewaltbetroffenen Frauen arbeiten. Denn: "Wenn ich keine Kenntnisse zu Cybergewalt habe, kann ich auch nicht die richtigen Fragestellungen formulieren. Und dann könnte Cybergewalt im Verborgenen bleiben", sagt Wallner. (Sarah Kleiner, 13.9.2023)