Verschlossener Aktenschrank
Ein Arbeitsentwurf sieht vor, dass nur Gemeinden über 10.000 Einwohner von der Veröffentlichungspflicht umfasst werden sollen. Das sind nur 87 von insgesamt 2.093 Gemeinden in Österreich.
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Die türkis-grüne Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm darauf verständigt, ein Informationsfreiheitsgesetz umzusetzen, das eine weitgehende Abschaffung des Amtsgeheimnisses mit sich bringen würde. Eine finale Einigung gibt es trotz jahrelanger Verhandlungen immer noch nicht. Nun soll aber ein Arbeitsentwurf mit Stand Juni 2023 vorliegen, wie das Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch berichtete.

Dieser sieht – aufgrund des erwarteten hohen Verwaltungsaufwands – einen folgenschweren Kompromiss vor: So sollen Gemeinden unter 10.000 Einwohnern nicht von der aktiven Veröffentlichungspflicht umfasst sein. Diese könnten Informationen "nach Maßgabe dieser Bestimmungen veröffentlichen" – müssen es demnach aber nicht. Das trifft auf gleich 2.006 Gemeinden in Österreich mit mehr als 4,7 Millionen Einwohnern zu. Damit würden nur 87 Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern übrig bleiben.

Kritiker Mayer spricht von einer "Mogelpackung"

Heftige Kritik an dieser möglichen Regelung kommt von Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit: "Ein signifikanter Teil der Bevölkerung könnte auf lokaler Ebene die Entscheidungsträger damit schlechter kontrollieren, als das in größeren Städten möglich wäre – und hätte weniger Zugang zu Information." Österreich würde damit weiter Schlusslicht beim Thema Transparenz bleiben. Verfassungsjurist Heinz Mayer, der das Antikorruptionsvolksbegehren unterstützt, spricht von einer "Augenauswischerei" und davon, "dass man die Amtsverschwiegenheit eigentlich nicht abschaffen will". Diese sei eine "heilige Kuh". Es sei besser, das Thema gleich ganz zu lassen. "Was da jetzt probiert wird, ist eine Mogelpackung nach der anderen."

Karoline Edtstadler, Werner Kogler
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne)verhandeln das Informationsfreiheitsgesetz. Noch sind sich Türkis und Grün weiterhin nicht einig.
APA/ROLAND SCHLAGER

Im Verfassungsministerium von Karoline Edtstadler (ÖVP) wurden Fragen nach dem Arbeitsentwurf mit der 10.000-Einwohner-Grenze nicht kommentiert. Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses sei ein "wahrer Paradigmenwechsel", hieß es lediglich. Bei der Abstimmung des Gesetzesentwurfs mit den Grünen befinde man sich "in den letzten Zügen".

Grüne: Amtsgeheimnis-Aus soll "für alle Gemeinden" gelten

Bei den Grünen weist man hingegen zurück, dass Gemeinden unter 10.000 Einwohnern von der Abschaffung des Amtsgeheimnisses ausgenommen sind. "Offensichtlich versuchen Länder und Gemeinden in einem letzten Aufbäumen die Abschaffung des Amtsgeheimnisses zu verhindern", heißt es aus dem grünen Parlamentsklub zum STANDARD. Der aktuelle Entwurf sehe "selbstverständlich vor, dass das Amtsgeheimnis für alle Gemeinden, Länder und den Bund abgeschafft wird", wie ein Sprecher ausführt. "An seine Stelle tritt ein Grundrecht auf Information. Das bedeutet, dass alle Gemeinden die Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantworten und Informationen erteilen müssen – unabhängig von ihrer Größe."

Laut den Grünen sollen auf Anfragen von Bürgern also auch Kleingemeinden Auskunft zu Projekten wie Umwidmungen oder Bauvorhaben erteilen müssen – aber nicht aktiv, also von sich aus. Noch ist das alles aber Gegenstand von Verhandlungen, nach STANDARD-Infos finden weitere Gesprächsrunden noch diese Woche statt. Zwischen Türkis und Grün dürfte es rund um dieses umstrittene Thema also weiterhin heiß hergehen, eine Einigung wurde noch nicht erzielt. Offiziell heißt es auch vom kleineren Regierungspartner nur, dass sich die Verhandlungen in der finalen Phase befinden würden. Der fertige Entwurf soll "in den nächsten Wochen" ins Parlament gelangen. Ein konkreter Zeitpunkt steht noch nicht fest. (David Krutzler, 13.9.2023)