Eine verbeulte Kupferkanone, deren Form an ein Fernrohr erinnert. Ein beiliegendes Maßband zeigt etwa 50 cm Länge.
Die vor der schwedischen Küste gefundene Kanone dürfte Teil eines Schiffs gewesen sein. Die Datierung belegt nun, dass sie aus dem 14. Jahrhundert stammt.
Bo Niklasson/Bohusläns museum

Im Jahr 2001 machte ein Taucher etwa fünf Kilometer vor der schwedischen Insel Marstrand eine erstaunliche Entdeckung. In 20 Metern Tiefe stieß er auf ein schweres Metallobjekt. Es gelang ihm, den Gegenstand an die Oberfläche zu bringen, ohne sich über dessen Zweck klar zu werden. Die Sache ließ ihm keine Ruhe und er kontaktierte das Museum Gothenburg, um das Objekt untersuchen zu lassen. Dieses kontaktierte wiederum das Bohuslans-Museum, und es gelang, den Gegenstand als historische Kanone zu identifizieren. Sie wird seither im Bohuslans-Museum verwahrt.

Ob es sich tatsächlich um eine Schiffskanone handelte, oder ob die Waffe nur mit dem Schiff transportiert worden war, erschien anfangs unklar. Ein Wrack wurde bei einer Untersuchung der Fundstelle im Jahr 2002 nicht gefunden. Die Hoffnungen darauf waren aufgrund der rauen Bedingungen der See in diesem Gebiet auch nicht allzu groß gewesen.

Doch ein Hinweis auf die Verwendung der Kanone fand sich in ihrem Inneren. Dort wurde 2006 ein Stück Stoff entnommen, das nahelegt, es habe sich tatsächlich um eine Schiffskanone gehandelt. Solche Textilien wurden beim Laden von Kanonen eingesetzt. Die Marstrand-Kanone, wie sie seit ihrer Entdeckung genannt wird, dürfte beim Sinken des Schiffs geladen gewesen sein.

Ihr genaues Alter blieb allerdings unklar. Kanonen dieses Typs wurden normalerweise im 15. und 16. Jahrhundert eingesetzt, und es ist anzunehmen, dass die Marstrand-Kanone aus dieser Zeit stammte.

Radiokarbon-Untersuchung

Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Leitung des Archäologen Staffan von Arbin von der Universität Gothenburg versuchte nun, mehr über das Stück herauszufinden. Dazu untersuchte man das Textilstück genauer. "Dank der erhaltenen Überreste der Sprengladung war es möglich, das Alter des Fundes mithilfe der Radiokarbondatierung zu bestimmen", sagt von Arbin. Das Ergebnis, das nun im Fachjournal "The Mariner's Mirror" veröffentlicht wurde, war eine Überraschung: Der Stoff stammt mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit aus einer Zeit zwischen den Jahren 1285 und 1399, also vermutlich aus dem 14. Jahrhundert. Damit wäre die Kanone das älteste erhaltene Schiffsgeschütz Europas.

Auch die Kupferlegierung untersuchte das Team. Dabei zeigte sich, dass das Metall zu etwa 14 Prozent aus Blei bestand und nur geringe Mengen Zinn enthielt. Es handelt sich um keine optimale Mischung für eine Kanone, betont von Arbin: "Derjenige, der die Kanone gegossen hat, verfügte offensichtlich nicht über das nötige Wissen und Verständnis für die Eigenschaften der verschiedenen Kupferlegierungen." Die Produktion dürfte von Versuch und Irrtum geprägt gewesen sein.

Die Zusammensetzung der Metalle ließ Rückschlüsse auf ihren Ursprung zu. Das Kupfer dürfte aus der Slowakei stammen, während das Blei entweder aus England oder aus der Grenzregion zwischen Polen und Tschechien stammt.

Marstrand als wichtiger Hafen

Die Kanone wirft nicht nur ein neues Licht auf die Entwicklung der Schiffsgeschütze, sondern kündet auch von den historischen Konflikten der Meere dieser Region. Im 14. Jahrhundert war der Hafen der Stadt Marstrand ein wichtiger Knotenpunkt für den Handel zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum. Neben kriegerischen Konflikten bestand auch eine Gefahr von Piratenüberfällen. Die neuen Geschütze dürften den Schiffen, die sie trugen, einen erheblichen taktischen Vorteil verschafft haben, mutmaßen die Forschenden.

Nun will von Arbin das Schiffswrack aufspüren. "Obwohl es wahrscheinlich stark verwittert und zerbrochen ist, sollte es möglich sein, verstreute Überreste des Wracks zu finden, wenn wir die Umgebung gründlich durchsuchen", ist der Forscher überzeugt. (Reinhard Kleindl, 15.9.2023)