Wie stark schlagen Krisen, vom Krieg in der Ukraine über die Inflation bis hin zu sinkender Kaufkraft, auf das Konsumverhalten durch? Verlieren Themen wie Bio, schonender Umgang mit Ressourcen, Tierwohl und faire Arbeitsbedingungen in Einkaufswägen zusehends an Gewicht? Eine aktuelle Studie von Mindtake im Auftrag des Handelsverbands und des Beraters EY ortet eine sinkende Bereitschaft der Österreicher, im Dienste der Umwelt mehr Geld auszugeben oder sich im Verzicht zu üben.

Ein Auge auf Nachhaltigkeit haben Konsumenten vor allem bei Lebensmitteln. Bei Mode liegt die Latte deutlich niedriger.
IMAGO/Martin Wagner

"Die Teuerung hat sich zum Bremsklotz für Nachhaltigkeit entwickelt", ist Rainer Will, Chef des Handelsverbands, überzeugt. Über alle Warengruppen hinweg seien niedrige Preise wichtiger denn je. Der Rotstift werde vor allem bei Produkten des täglichen Bedarfs angesetzt. Im Handel selbst investierten viele Unternehmen infolge fehlender Kapitalausstattung nur noch mit Bauchweh in Nachhaltigkeit.

Preis versus Qualität

Mindtake befragte mehr als 1.000 Konsumenten und 107 Händler. Bei Lebensmitteln gaben 65 Prozent der Konsumenten an, generell günstig einzukaufen. Zwei Jahre zuvor waren es erst 51 Prozent. Auf hohe Produktqualität legten damals 83 Prozent der Befragten wert. Mittlerweile reduzierte sich dieser Anteil auf 79 Prozent. Auch bei Textilien gewann der Preis in diesem Zeitraum der Erhebung zufolge stark an Relevanz.

Was aus Sicht der Kunden gegen umweltbewusstes Shoppen spricht: Rund die Hälfte beruft sich auf höhere Kosten für nachhaltige Produkte, die man sich derzeit aufgrund der allgemeinen Teuerung nicht leisten könne. Ein Drittel erachtet andere Themen als wichtiger als Nachhaltigkeit.

Ähnlich so viele geben zu, davon aus Bequemlichkeit abzusehen. 34 Prozent kapitulieren: Lokale Bemühungen bewirkten auf globaler Ebene ohnehin nichts, so das vielstrapazierte Argument. Zu wenig informiert darüber, was Einzelne tun können, fühlt sich ein Viertel.

Ältere verzichten eher

Signifikante Unterschiede macht die Studie im Einkaufsverhalten von jüngeren und älteren Konsumenten aus, wie EY-Österreich-Partner Martin Unger skizziert. 45 Prozent der 18- bis 29-Jährigen gaben an, im Allgemeinen ungern zu verzichten. Unter den 60- bis 69-Jährigen hat gemeinhin ein Viertel weniger Probleme damit.

Wo beide Altersgruppen ihren Einschätzungen nach am ehesten Abstriche machen: Regale im Supermarkt dürfen auch einmal leer sein. Händler oder Marken, die Arbeitsrechte verletzen oder Umweltsünden begehen, will man meiden. Mehr als 60 Prozent der Befragten signalisieren Bereitschaft, von Fast Fashion Abstand zu nehmen, also von Mode, die zu Dumpingpreisen trendbezogen produziert wird. Aber auch hier agiert die ältere Generation nachhaltiger als die junge.

Was die Ernährung betrifft, dreht sich der Spieß um. Auf Fleisch zu verzichten kann sich nur knapp jeder und jede Fünfte unter den 60- bis 69-Jährigen vorstellen. Bei den Jüngeren sind es 35 Prozent.

Unterm Strich haben die Österreicher vor allem bei Lebensmitteln, Blumen, Pflanzen und Gartenprodukten ein Auge auf Nachhaltigkeit. Eine geringere Rolle spielt diese in der Mode und bei Sportartikeln.

"Verantwortung liegt bei Anbietern"

Kritisch sieht die Konsumaktivistin Nunu Kaller die Befragungen des Handels rund ums Einkaufsverhalten der Kunden: Oft zielten diese darauf ab, die eigene Verantwortung abzuschieben, sagt sie. Dass Konsumenten das Geschäft bestimmen, sei eine seit Jahren widerlegte Mär. "Die Marktmacht und die Verantwortung liegen auf Anbieterseite."

Kaller zweifelt nicht daran, dass der Preis der größte Kaufmotivator bleibe. Konsumenten allein daraus weniger Nachhaltigkeit zu attestieren hält sie aber für problematisch. Nicht zuletzt sei der Handel ein Nadelöhr und lege gemeinsam mit den Herstellern die Preise fest.

"Kein finanzieller Spielraum"

Rainer Will sieht den finanziellen Spielraum seiner Branche jedenfalls ausgereizt. Anders als bei Energieversorgern oder Banken seien die Gewinnmargen des Handels mit oft nur 0,5 bis zwei Prozent schmal. Ein Gutteil der Unternehmen verbuche heuer Verluste. Bei einem Drittel der Händler hätten die jüngsten Krisen die Bereitschaft für Investitionen in Nachhaltigkeit verringert. Dass höhere Löhne und Gehälter im Handel den Konsum ankurbeln, bezweifelt er. "Das ist gut gemeint, aber nicht zu Ende gedacht. Dieses Geld fließt nicht mehr zurück in den Handel." (Verena Kainrath, 13.9.2023)