Wie könnte die Arbeitswelt der Zukunft aussehen? Wie lange müssen wir noch arbeiten, wenn Maschinen und künstliche Intelligenz immer mehr Aufgaben übernehmen? Darüber wurde am Dienstag beim dritten und letzten STANDARD-Zukunftsgespräch im Theater im Park diskutiert.

In der einleitenden Keynote stellte die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack fest, dass viele Menschen nicht nur anders arbeiten wollen, sondern es bereits tun. Unternehmen müssten nun neue Wege beschreiten, um an Arbeitskräfte zu kommen – und etwa Zugeständnisse bei Flexibilität oder Arbeitszeit machen.

Auf der anderen Seite sagen dystopische Prognosen den Verlust von bis zu 300 Millionen Arbeitsplätzen weltweit durch die nächste Automatisierungswelle voraus. Solche Schätzungen seien allerdings mit Vorsicht zu genießen: "Sie haben auch den Zweck, die Angst vor der Arbeitslosigkeit am Lodern zu halten", sagt Prainsack.

Ungerechte Technologie

Das Problem sei nicht, dass die Technologie den Menschen die Jobs wegnimmt, sondern dass Technologien häufig so eingesetzt werden, dass sie bestehende Ungleichheiten vergrößern und Arbeitende immer engmaschiger überwachen. Zudem sei es zu einer Verdichtung der Arbeit gekommen, während die Gewinne in erster Linie den Unternehmen zugutegekommen seien. Dass sich das ändern muss, sei nicht Teil eines "linken Narrativs", sondern ein Schluss vieler Beobachterinnen und Beobachter jeglicher Couleur. Abhilfe könnte unter anderem eine Arbeitszeitverkürzung schaffen.

Diese war auch das Thema der anschließenden Diskussion mit Prainsack, der Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und der Tiktok-Comedienne Toxische Pommes. Monika Köppl-Turyna vom arbeitgebernahen Thinktank Eco Austria, die ebenfalls teilnehmen sollte, war kurzfristig verhindert.

Vier Personen auf einer Bühne
Comedienne Toxische Pommes, GPA-Chefin Barbara Teiber und Politikwissenschafterin Barbara Prainsack diskutierten beim STANDARD-Zukunftsgespräch über Wege der Arbeitszeitverkürzung.
© Christian Fischer

Weniger Arbeit im Fokus

In den letzten Monaten ist die Arbeitszeitverkürzung wieder in den politischen Fokus gerückt. Neben SPÖ-Chef Andreas Babler, der mit der Forderung nach einer 32-Stunden-Woche antrat, spricht sich auch die Gewerkschaft für eine schrittweise Verkürzung der Arbeitszeit aus. Das geht sich nicht aus, warnen hingegen Wirtschaftskammer und einige Ökonominnen und Ökonomen – vor allem, da es in Österreich gerade an Arbeitskräften mangelt.

Die letzte Arbeitszeitverkürzung in Österreich liegt bereits Jahrzehnte zurück, entgegnet Teiber dieser Sichtweise, auch damals sei diese in Zeiten von Arbeitskräftemangel passiert. Es ginge nicht nur darum, mehr Freizeit genießen zu können, sondern auch um Erholung vom immer dichter werdenden Arbeitsalltag. "Es geht nicht von heute auf morgen, aber man muss endlich beginnen", sagt die Gewerkschafterin.

Kritikerinnen und Kritiker wenden hingegen ein, dass die Situation von damals nicht mit heute vergleichbar sei. Die Wirtschaft befinde sich im globalen Wettbewerb, bei steigenden Lohnkosten würden Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern. Diese Gefahr sieht Teiber nicht. Die Lohnstückkosten in der österreichischen Industrie würden "ihresgleichen suchen", Österreich sei "unglaublich wettbewerbsfähig". Ziel müsse sein, dass Menschen gesund in Pension gehen könnten.

Publikum sitzt vor Open-Air-Bühne
Über 200 Personen waren am vergangenen Dienstag beim STANDARD-Zukunftsgespräch dabei.
Christian Fischer

Dass ein Produktivitätszuwachs den Verlust an Arbeitszeit allerdings nicht in allen Branchen ausgleichen kann, sieht aber auch Prainsack ein. "Es wird Branchen geben, wo es nicht ohne höhere Kosten geht", sagt die Politikwissenschafterin. Den BIP-Einbruch durch eine Reduktion der Arbeitszeit möchte sie nicht herunterreden, sie stellt aber die Frage in den Raum: "Wäre das ein Wohlstandverlust oder bloß ein Reichtumsverlust?" Man müsse genauer hinsehen, wer vom Wachstum derzeit profitiert.

Menschen, die sich auf ihre 60-Stunden-Woche viel einbilden, sind auch ein wiederkehrendes Element in den Sketches im Tiktok-Kanal von Toxische Pommes – wobei es oft Rechtsanwälte sind, die die studierte Juristin darstellt. Ob das Problem der Überarbeitung zumindest in manchen Branchen nicht auch ein selbstgemachtes ist? "Natürlich haben wir irgendwo auch selbst eine ausbeuterische Mentalität entwickelt", sagt Toxische Pommes. Hinter dieser Glorifizierung stecke oft die Strategie, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben. "Weil sonst kann man sich ja einfach nur selbst hassen."

Verschiebung der Macht

Prainsack beobachtet, dass sich die Machtverhältnisse aufgrund des Fachkräftemangels gerade zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschieben. Einigen Menschen sei es nun möglich, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, da sie sich eher aussuchen können, wo sie arbeiten. "Man muss aber aufpassen, dass wir von einer bestimmten Mittelklasseblase, der wir angehören, nicht auf alle extrapolieren", sagt Prainsack. In vielen Bereichen sei es nach wie vor sehr schwierig, Verbesserungen der Arbeitsbedingungen herauszuverhandeln.

Während Arbeitgeberverbände und einige Wirtschaftsfachleute argumentieren, dass die Produktivitätssteigerungen eine Verkürzung der Arbeitszeiten nicht hergeben, sehen andere eine Fülle an sogenannten Bullshitjobs. Der vom Autor David Graber im gleichnamigen Buch geprägte Begriff bezeichnet Berufe, in denen keine nützliche Arbeit verrichtet wird. Toxische Pommes kennt das aus ihrem Berufsleben. "Ich war immer in Büros tätig, und mein Job hat daraus bestanden, diverse Buchstaben in Dokumente zu tippen", sagt die Komikerin, die im Vornamen Irina heißt.

Eine andere Beobachtung: Es gebe oft Personen in Büros, die den Hauptteil der Arbeit tragen und dabei fast ins Burnout schlittern – da sie das Gefühl haben, dass alle überarbeitet sind, obwohl ein anderer Teil der Belegschaft nur Stunden absitzt. Die Arbeitszeit hätte man dort jedenfalls locker reduzieren können.

Arbeitende, die wie Chefs denken

Sie kritisierte auch den Begriff des Quiet Quitting: "Warum wird es als etwas Negatives assoziiert, wenn jemand einfach nur seinen Arbeitsvertrag erfüllt?", fragt die Influencerin. Wenn sich der Arbeitgeber nur an die Minimalbedingungen hält, werde das ja auch als in Ordnung wahrgenommen. Sie hat den Eindruck, dass viele Arbeit aus einer Arbeitgeberlinse heraus betrachten – "vielleicht in dem Glauben, dass wir es auch einmal zu Arbeitgebern schaffen".

Abschließend wünschten sich alle Diskussionsteilnehmerinnen für die Zukunft eine menschengerechtere und nachhaltigere Arbeitswelt. Toxische Pommes hofft, dass wir uns in Zukunft stärker die Fragen um Wohlstandsverteilung stellen und arbeiten, um zu leben – anstatt umgekehrt.

Teiber erzählt von Gesprächen mit Angestellten, die von ihren Arbeitgebern oft Arbeitspakete bekommen. "Die müssen dann bis nächste Woche fertig sein, egal wie lange man im Endeffekt daran sitzt", sagt die Gewerkschafterin. Sie fordert, dass die Arbeitszeit wieder stärker anerkannt wird.

Eine Anerkennung unterschiedlicher Formen der Arbeit – und nicht nur der Erwerbsarbeit – wünscht sich wiederum Barbara Prainsack. Die Zeit, die durch den Einsatz von Technologie frei wird, müsse den Menschen zugutekommen. "Dann haben wir eine natürliche Arbeitszeitreduktion", sagt die Politikwissenschafterin. (red, 14.9.2023)