Sie können schneller rasen als E-Scooter: Regentropfen. Sie prallen bei Starkregen mit bis zu 40 km/h auf den Boden. Ihre Auswirkungen sind für Betonböden freilich unerheblich, landen die winzigen Wasserbomben hingegen auf erdigen Äckern, kann der Boden erodieren. Dabei brechen einzelne Partikel aus dem Bodengefüge, die es mit dem abfließenden Regen in den nächsten Bach schwemmt.

Querdämme in Kartoffeläckern stoppen den Wasserfluss
Querdämme in Kartoffeläckern sollen Wasser und Bodensedimente stoppen
Matthias Konzett

Je trockener der Boden ist, desto heftiger ist auch die Erosion. Dann kann das Wasser kaum im Boden versickern. Dass das ein Problem ist, das in den vergangenen Jahrzehnten immer dringlicher geworden ist, bekommen vor allem Landwirtinnen und Landwirte zu spüren. Denn die oberste Schicht ist mit dem Humus auch die fruchtbarste – sie versorgt Mais, Kartoffeln oder Zuckerrüben mit Nährstoffen.

"Bodenerosion ist mittlerweile EU-weit eine der wichtigsten anerkannten Bodenbedrohungen", sagt Thomas Weninger. Er forscht gemeinsam mit Elmar Schmaltz am Institut für Kulturtechnik und Bodenwasserhaushalt in Petzenkirchen in Niederösterreich. Das Institut ist als Teil des Bundesamts für Wasserwirtschaft dem Landwirtschaftsministerium zugehörig. An der Messstation in Petzenkirchen wird seit 1946 täglich eine Wasserprobe entnommen. Neben Temperatur und Wasserstand messen die Forscher auch die Menge der Bodenpartikel im Wasser.

Schwindender Boden

Rund ein Sechstel der österreichischen Ackerböden überschreitet den jährlichen Schwellenwert der tolerierbaren Bodenerosion und sei somit gefährdet, sagt Schmaltz. Dass der Boden schwindet, belege zudem auch eine vom Institut durchgeführte Studie. Dieser zufolge hat sich die Bodenerosion zwischen den Vergleichszeiträumen 1946 bis 1954 und 2002 bis 2017 verzehnfacht, berichtet Schmaltz.

"Der Hauptgrund ist aber nicht vermehrter Starkregen", sagt Schmaltz. Erosive Niederschläge sind laut dem Wissenschafter in den vergangenen Jahren zwar tendenziell sowohl häufiger als auch intensiver geworden – in der Messstation Petzenkirchen konnte aber noch kein signifikanter Anstieg erfasst werden.

Was sich seit 1954 aber sehr wohl signifikant verändert habe: Die Äcker sind größer geworden, dadurch fehlen natürliche Barrieren wie etwa Hecken, die den Wasserfluss aufhalten; außerdem werden heute mehr "bodenerodierende Kulturen" wie Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben, Kürbis oder Sonnenblumen angebaut. "Mais etwa ist eine klassisch erosionsgefährdende Feldfrucht", sagt Schmaltz. Er werde erst im April oder Mai eingepflanzt und brauche relativ lang, bis er sich entwickelt hat. Die Pflanze ist also relativ lang klein, und in dieser Zeit bleiben die Zwischenräume zwischen den Pflanzen unbedeckt.

Mehr Grün, mehr Boden

"Erosionsschutzmaßnahmen sind ausbaubar in Österreich, aber sie werden immer mehr", sagt Schmaltz. Er testet rund um die Wasserentnahmestelle in Petzenkirchen mit lokalen Bäuerinnen und Bauern Methoden, um den Boden zu schützen. Eine davon ist der sogenannte begrünte Abflussweg.

Kurz erklärt ist das ein mit Gras eingesätes Feld, umgeben von Äckern, die im Hang liegen. Wenn es regnet, rinnt das Wasser inklusive Bodensediments nach unten und wird durch den begrünten Abflussweg durch die Pflanzen gebremst. Dadurch verringere sich die sogenannte Transportkapazität und damit die Möglichkeit, Bodensediment mit sich zu reißen. Laut Schmaltz bekommen Landwirtinnen und Landwirte Entschädigungszahlungen für derartig begrünte Abflusswege. In Petzenkirchen hat Schmaltz erst vergangenen April einen begrünten Abflussweg mit einer Fläche von 2,1 Hektar ausgesät.

Die grüne Pflanze und die lebendige Wurzel zwischen den Ackerpflanzen ist eine vielversprechende Maßnahme, sagt auch Weninger, "gerade im Osten, wo das Wasser in gewissen Perioden im Jahr zur Mangelware wird, ist es ein Problem, wenn die Regentropfen nicht im Boden versickern können". Die Pflanze hingegen bremse den Regen, er verliere Energie und könne leichter vom Boden aufgenommen werden, erklärt der Forscher.

Erdhügel im Erdäpfelfeld

Eine andere Maßnahme sind Querdämme im Kartoffelfeld. Zur Erklärung: Erdäpfel werden in Reihen angebaut. Dafür werden Erdhügel über den gesamten Acker gezogen und die Kartoffeln eingepflanzt. Rechts und links neben den Hügeln entstehen Furchen, in denen sich Wasser – und vor allem Starkregen – schnell sammeln und "entsprechend viel Bodenmaterial mit sich reißen kann", sagt Schmaltz.

Um das zu verhindern, empfiehlt er, Querdämme, sprich kleine Erdhügel im Abstand von bis zu einem Meter, in die Furchen zu setzen. "Sie stauen Wasser und Sediment", sagt Schmaltz. Messungen an unterschiedlichen Standorten hätten ergeben, dass innerhalb von drei Jahren durchschnittlich bis zu 90 Prozent weniger Bodenerosion stattgefunden hat.

Allerdings ist die Umsetzung der Methode kostenintensiv. Landwirtinnen und Landwirte benötigen dafür ein Gerät, das an den Traktor angehängt wird. Bisher hätten daher eher landwirtschaftliche Pioniere diese Technik angewandt, doch laut Schmaltz ändert sich das gerade. Das Österreichische Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (Öpul) wurde nämlich um Bodenschutzmaßnahmen ergänzt. Im Rahmen dieses Programms bekommen Landwirtinnen und Landwirte Entschädigungszahlungen für Aufwendungen wie etwa Bodenschutzmaßnahmen. Laut Schmaltz sind Entschädigungen bereits für über 8.000 Kartoffeläcker beantragt worden – zuvor seien es nur einige 100 gewesen.

Wasserlöcher graben

Während die beiden Forscher in Petzenkirchen messen und testen, werden Landwirtinnen und Landwirte teilweise auch selbst aktiv und kreativ. Ein Landwirt im Laaer Becken im nördlichen Weinviertel etwa hat unter einem Acker ein Loch gegraben, das sich im Fachbegriff Retentionsmulde nennt. Bei Regen wird der Wasserfluss hangabwärts in die Mulde geleitet und das Sediment gesammelt. Während Trockenperioden könnte das Wasser wieder entnommen werden, sofern der Versuch gelingt. Der Ansatz sei auf jeden Fall interessant, vor allem weil das Laaer Becken eine der wasserärmsten Regionen Österreichs sei, wie Weninger betont. Ob es in der breiten Masse umsetzbar ist, können die Forscher allerdings noch nicht sagen.

Unter einem Acker befindet sich eine Mulde, in die Regenwasser rinnen soll
In der Mulde soll sich Wasser sammeln.
Elmar Schmaltz

Dass der Boden ohne entsprechende Schutzmaßnahmen resilient genug ist, um sich nach extremen Wetterereignissen selbst zu erholen, darauf wollen es die beiden Forscher jedenfalls nicht ankommen lassen. Wie schnell sich Boden neu bildet, hänge nämlich auch stark davon ab, wie er landwirtschaftlich bewirtschaftet wird. (Julia Beirer, 20.9.2023)