Reifenpannen gehören zu den mitunter unangenehmsten Dingen für Radfahrer, weswegen Pumpe und etwas Flickausrüstung gerade bei längeren Ausflügen zur Pflichtausstattung gehören. Lösungen dagegen gibt es, etwa in Form von Vollgummireifen, die aber wiederum zulasten des Fahrtkomforts gehen.

Eine Lösung dafür will nun die Smart Tire Company gefunden haben. Ihre neuen Reifen mit den Namen Metl sollen ein vergleichbares Fahrgefühl zu klassischen Luftreifen bieten, dabei aber so gut wie unzerstörbar sein. Dabei setzt man auf ein Material aus der Weltraumforschung: Nitinol.

In der Bewerbung der Reifen auf dem Crowdfunding-Portal Kickstarter erweckt das Unternehmen den Eindruck, als wäre Nitinol eine recht neue Erfindung. Tatsächlich wurde die Legierung aber bereits in den 1960er-Jahren vom einstigen Naval Ordnance Laboratory der US Navy entwickelt, die Forschung daran wird aber mittlerweile unter Schirmherrschaft der Weltraumagentur Nasa vorangetrieben. Mit dieser hat der Reifenhersteller eine Vereinbarung im Rahmen des Space Act geschlossen.

Hohe Pseudoelastizität

Nitinol ist eine Legierung aus Nickel und Titan, der Name leitet sich aus den chemischen Kürzeln der beiden Metalle sowie dem Entwicklungsort ab. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sowohl über einen thermischen als auch über einen mechanischen Formgedächtniseffekt (Memory-Effekt) verfügt. Mittels Hitzeeinwirkung lässt sich ihr eine Form "antrainieren", die nach Verformung im erkalteten Zustand mittels Erwärmung wiederhergestellt werden kann.

Relevant für dein Einsatz im Reifen ist aber der mechanische Memory-Effekt. Nitinol ist bis etwa 650 Grad Celsius fest, verfügt aber über achtprozentige Pseudoelastizität. Es kann also bis zu einem recht hohen Grad durch Krafteinwirkung temporär verformt werden, nimmt dann aber bei der Rücknahme dieser Kraft wieder die antrainierte Form an. Bei einer solchen Verformung ändert es seine molekulare Struktur und stellt sie danach wieder her. Weiters gilt die Legierung bis zur Erweichungstemperatur auch als beständig gegen Rost und Korrosion.

How NASA Reinvented The Wheel
Veritasium

Neben dem Einsatz im All findet Nitinol auch in anderen Branchen Anwendung. Genutzt wird es etwa in allerlei medizinischen Geräten. Weil es biokompatibel ist, kommt es auch in Implantaten zum Einsatz, beispielsweise Stents. Die Herstellung ist allerdings kostspielig, da die Legierung unter Vakuum hergestellt werden muss und bereits geringe Verunreinigungen die Eigenschaften stark beeinträchtigen können.

Reifen sollen ein Radleben lang halten

Die Smart Tire Company verwendet für ihre Metl-Reifen anstelle eines Gummischlauches ein Band, welches ein Gerüst aus Nitinol-Ringen fixiert. Diese bekommen eine Umhüllung, auf der schließlich ein profilierter Belag aus Spezialgummi angebracht wird. Durch die Eigenschaften der Legierung sollen Stöße ähnlich abgefedert werden können wie bei Luftreifen.

Ein Metl-Reifen mit Belag.
Smart Tire Company

Dabei verspricht man, dass ein Satz Reifen so lange halten soll wie das Fahrrad selbst. Abgenutzt wird – so der ökologische Teil des Werbeversprechens – nur der Belag, der sich aber erneuern lässt. Je nach Profil wird die Haltbarkeit des Belags mit 5.000 bis 8.000 Meilen (rund 8.000 bis 13.000 Kilometer) angegeben.

Die Reifen sollen mittleren bis niedrigen Rollwiderstand aufweisen, 450 Gramm wiegen und sich primär für Asphalt und Schotter eignen. In Umlauf gebracht werden sie in verschiedenen Größen und Breiten, die Fertigung erfolgt laut Smart Tire Company in den USA.

Ein Rad mit Metl-Reifen, hier ohne Belag.
Smart Tire Company

Unterstützer sollen gegen einen Finanzierungsbeitrag von 500 Dollar (derzeit 466 Euro), exklusive etwaiges Porto, Zollábgaben oder Einfuhrumsatzsteuern, einen Satz von zwei Reifen erhalten. Für E-Scooter wird außerdem eine 8,5-Zoll-Variante um 150 Dollar angeboten. Als Zieldatum für die Auslieferung ist der Juni 2024 anberaumt. Wenngleich das Projekt vertrauenswürdig wirkt, besteht, wie oft bei Crowdfunding-Projekten, ein gewisses Ausfallsrisiko. (gpi, 15.9.2023)