Zeichnung Haus am Land
Der Künstler Peter Hauenschild hat über viele Monate den Umbau seines Hauses im Weinviertel zeichnerisch dokumentiert.
Zeichnng: Peter Hauenschild

Zuerst fällt mein Blick auf die beiden Plastikboxen. Sie sind durchsichtig und rund, oben mit einem Deckel verschlossen, sie stehen auf der Anrichte gleich in der Nähe des Zeichentischs. In solchen Kunststoffbehältern werden sonst Lebkuchen, Gummikirschen oder Zuckerschlangen verkauft. Im Atelier von Peter Hauenschild im sechsten Bezirk in Wien, wo ich auf Besuch bin, findet sich nichts zum Naschen. In der einen Box liegen lauter kleine Stummel von Pastell- und Bleistiften, schwarz, bis zu ihrem Ende gespitzt. Es sind viele, und sie machen ein schepperndes Geräusch, als Peter die Box schüttelt, weil ich gefragt habe, was das ist.

In der zweiten liegen wie bunte Bonbons, gelb, rot, grün und blau, jede Menge Spitzer, deren Klingen vom Spitzen bereits stumpf geworden sind. Peter lacht. Das alles nimmt er irgendwann mit in die Grube, lässt sich damit zuschütten. Erst seit 15 Jahren hebt er diese Überreste seiner Arbeitsutensilien auf. Er zeichnet schon viel länger. Wie viele Zeichnungen mit diesen Stiften gezeichnet wurden? Was alles? Kaum zu sagen. Viele, vieles. Der Künstler zeigt in Richtung Decke, da ganz oben auf dem Metallregal stehen weitere Boxen. Draußen am Land auch.

Möglichkeiten für Freiraum

Draußen am Land haben wir uns bei einer Veranstaltung kennengelernt. Das ist noch nicht lange her. Wir sind beide zu späten Weinviertelbewohnern, Zweitwohnsitzsitzern, geworden, nicht weit voneinander entfernt. Das Thema "Haus am Land" verbindet uns, die Tatsache, dass wir aus dem Mühlviertel kommen und jetzt im Weinviertel sind. Auch bei mir gab es immer ein Haus am Land, das Gasthaus, in dem ich aufgewachsen bin, später das Wochenendhaus meiner Mutter, das zum Zuhause im Salzkammergut wurde, jetzt ein umgebautes Kellergassenhaus in Immendorf.

Im Bauernhaus von Peters Großmutter im Mühlviertel gab es sogar noch Viecher, Kühe mit Kälbern, Schweine und Hühner, auch Katzen. Der Nachbar hatte ein Pferd, auch daran erinnert sich Peter und an den Leiterwagen aus Holz, auf dem er mit seinem Vater gesessen ist, oben auf einem Haufen trockenem Gras. Das Haus der Großmutter hat ihn geprägt. Dort gab es auch einen Innenhof, wo zwischen Pflastersteinen Gras rausgewachsen ist. "Wie bei uns", Peter meint damit in Mitterretzbach im Weinviertel.

Noch bevor ich im Haus am Land auf Besuch bin, es zum ersten Mal sehe, sehe ich Hauenschilds Zeichnungen in seinem Wiener Atelier. Der Stapel liegt gleich neben den Boxen mit den Stummeln und Spitzern. Sein Projekt hat als reine Baudokumentation begonnen, dann eine Eigendynamik entwickelt. Entstanden sind die Zeichnungen überall, im Weinviertel, in Wien und auf Reisen. "Ein Ort, wo es nichts zu zeichnen gibt, ist keiner." Das ist ein Satz von Peter Handke. Ich habe ihn in seinem Buch Innere Dialoge an den Rändern 2016–2021 entdeckt und ihn in mein Notizbuch geschrieben.

Zeichnung Haus am Land
Peter Hauenschilds "Zeichnungen zum Umbau 2019–2021 und darüber hinaus“ sind noch bis 15. Oktober im Raum für Kunst im Lindenhof in Raabs an der Thaya zu sehen: galerien-thayaland.at.
Zeichnng: Peter Hauenschild

Neues erschaffen

Durch das Atelierfenster fällt Licht auf den kleinen Tisch, vor dem wir stehen und Peters Blätter durchschauen. Ziegelhaufen, Hausmauern, Holzbalken. Ansichten, Draufsichten, jede Menge Details. Herausgerissene Sanitäranlagen, ein abgestützter Dachstuhl, Holzleitern, die an Wänden lehnen. Bauschutt, ein Scheunendach, Bretter über einem Aushub, ein Rauchfang, der durch das Dach ragt.

Seine Arbeiten erinnern mich an den eigenen Hausumbau in Immendorf vor mehr als zehn Jahren. An das Gefühl totaler Aufregung, etwas nach den eigenen Vorstellungen zu schaffen, ein Vergnügen, ja Vermögen, das manchmal zu einer Überforderung werden kann. Aus etwas, das da ist, etwas Neues machen. Aus einem Presskeller einen Wohnraum, aus einer alten Garage ein weiteres Zimmer. Niveauunterschiede angleichen oder doch nicht, ein Fenster belassen, aus einem anderen eine Tür machen, um direkt in den Garten gehen zu können.

Zwischen Wien und Weinviertel

Das sanierte Haus in Mitterretzbach hat sieben Ausgänge, um in Hof und Garten rauszugehen. So viele Möglichkeiten für Freiraum. Ein Freiraum, mit dem man viel zu tun hat: Rasen mähen, Blätter wegrechen, Obst klauben, Äste schneiden, Bäume pflanzen, die Scheune aufräumen, eine neue Pergola bauen. Es gibt immer etwas zu tun. Das sagen alle mit Haus am Land. So gesehen zeichnen Hauenschilds Arbeiten nicht nur einen Hausumbau nach, sondern auch die grundlegende Idee, sich auf so ein Vorhaben einzulassen, sich auf ein Stück Land zu verpflanzen und mit einem Haus zu verbinden.

Von Immendorf bis Mitterretzbach braucht es zwanzig Minuten, mit dem Auto. Am Land fahren fast alle mit dem Auto. Von der Stadt aufs Land hinaus leider auch. Fahrt ihr raus? So fragen wir einander. Seid ihr draußen? So lautet die Frage an Menschen mit Haus am Land. Ja, sind wir, meist übers Wochenende, in Ferienzeiten auch länger. Dieses Rausfahren ist Teil einer routinierten Pendelbewegung zwischen Stadt und Land – in unserem Fall zwischen Wien und Weinviertel. Hinten im Auto steht schon der Korb mit Lebensmitteln, die angefangene Butter, Salat, Käse, ein angebrochenes Glas Tomatensauce oder Brot, das noch da war, auch weitere Taschen mit Zeugs, das mitmuss, Bettwäsche, das neue Buch, frische Handtücher, Zeitungen, der Laptop, neue Auflagen für die Gartenstühle.

Seid ihr draußen?

Eine knappe Stunde sind wir unterwegs. Lände, Friedensbrücke, Graffiti an Pfeilern, links die Müllverbrennungsanlage vom Hundertwasser, dann rauf auf den Autobahnverteiler, A22 in Richtung Praha, CZ. Dreispurig mit gemächlichen 80 km/h aus Wien raus, entlang der Donau, ein letzter Blick auf den Leopoldsberg, schon sind wir in Niederösterreich.

Bis nach Prag sind es 280, nach Hollabrunn nur 41 Kilometer. Im Radio läuft Ö1, am Samstag Konsumentenschutz, dann das Mittagsjournal, am Freitag Im Gespräch oder die Spielräume. Routinen. Der hässliche Industriepark, Strommasten, Wolken bis zum Horizont. Irgendwann der erste Lagerhausturm, "Die Kraft am Land" steht darauf in schwarzen Lettern. Dann ein Bio-Hendl-Wohnwagen im Gatter, der Golfplatz im Schlosspark, die große Pferdekoppel in Göllersdorf, alles direkt an der Schnellstraße. Die neue Autobahn fährt jetzt bis nach Retz, ein Felderteppich legt sich über die Landschaft, hinüber bis zum Manhartsberg, der das Weinviertel vom Waldviertel trennt.

Überall in Niederösterreich das Dreigestirn: Lagerhaus, Kirche, Windrad. Neugebaute Einfamilienhäuser stehen auf dem Acker. Im Ortskern blättert oft einmal der Putz ab, immer eine Raika, ein Wirtshaus, manchmal noch eine Fleischerei. Links und rechts der Ortsstraße von Immendorf die Häuser mit Vorgarten, Thujen auf dem gemähten Rasen, am Wochenende die Autos vor der Haustür. Gasthaus, Spielplatz, ein Pfarrheim. Eine Kurve noch bis zum Friedhof. Dahinter die Kellergasse rauf, über einen nichtasphaltierten Kiesweg. Dann sind wir da. Draußen, im Haus am Land.

Kunstschaffenden-Konzentration

Als ich zum ersten Mal in Mitterretzbach bin, öffnet Peter das Holztor, das mit grüner Farbe gestrichen wurde, die schon wieder leicht abblättert. Es liegt Schnee, der im Weinviertel kaum je liegen bleibt. Die gesamte Szenerie in Schwarz-Weiß, Gebäude, Garten, dahinter die Felder, alles wie auf Zeichnungen von Peter Hauenschild. Die meisten Menschen, die ein Haus am Land für sich gefunden haben, haben lange gesucht, sich viel angeschaut. Peter ist in seinem Leben zwischen unterschiedlichen Orten gependelt. Irgendwann war klar, so ein Haus am Land darf nicht weit weg von Wien sein, Fahrzeit maximal eine Stunde, mit einer öffentlichen Anbindung, zumindest in der Nähe. Irgendwann stand fest, es wird das Weinviertel werden. Da gab es Freunde und Künstlermenschen, die schon hier waren. Kunstschaffenden-Konzentration, so sagt es Peter. Die Pandemie hat den Sog aufs Land noch einmal verstärkt, das Weinviertel ist etwas Naheliegendes.

Das ist es jetzt. Dieser Satz macht Menschen glücklich und panisch zugleich. Für diesen Satz mitverantwortlich war Andi Breuss. Das Haus sei in Ordnung, hat er Peter versichert. Breuss hat drei Häuser in der Gasse renoviert, eines davon selbst länger als Wochenendhaus genutzt. Inzwischen hat der in Wien lebende Planer im Ort ein riesiges, altes Gasthaus aus- und umgebaut. Das alles erzählt er in seinem Wohnraum mit Blick auf den Manhartsberg, auf dem sich Weingärten bis nach oben ziehen. Wer nach links rausschaut, sieht runter bis zur Kaffeegasse, deren hintere Grundstücke mit seinem Garten fast zusammenstoßen.

Breuss kommt aus Vorarlberg, in seiner Arbeit geht es um die Nutzung von Altbestand und die Verwendung ökologischer Baustoffe. Einen solchen hat er entdeckt, als er 2005 gebeten wurde, ein altes Mitterretzbacher Haus zu sanieren. Es wurde 1969 plötzlich verlassen, 36 Jahre war kein Mensch mehr drinnen. Als er zum ersten Mal da reinging, war er perplex: Es stank nicht, es muffelte nichts. Wie bitte geht das? Da wurde ihm klar, das macht der Lehm.

Zeichnung Haus am Land
So hat die Kaffegasse 20 einst ausgesehen.
Zeichnng: Peter Hauenschild

Gutes Raumklima

Das Weinviertel ist eine Gegend, in der immer mit Lehm gebaut wurde. Das lässt sich an vielen alten Häusern in der Gegend ablesen. Früher haben sich die Leute für den Lehm geniert, weil sie mit dem Dreck aus der eigenen Erde bauen mussten, während sich andere gebrannte Ziegeln leisten konnten. Das ändert sich langsam wieder. Der alte Gasthof von Breuss ist mittlerweile nicht nur ein Wochenendhaus, sondern auch eine Forschungsstation für Lehmbau. Der Lehm kam immer aus dem eigenen Grund und Boden: Wenn du 80 Zentimeter Humus abträgst, Andi Breuss zeigt in Richtung Acker hinter seinem Haus auf die riesige Grube und das Mischfeld, dann hast du den schönsten Lehm.

Dass der Lehm ein gutes Raumklima schafft, ist im großen Wohnraum zu spüren. Peter ist immer wieder begeistert vom eigenen Geruch des Hauses. Von Lehm als nachhaltigem Baustoff hatte er bis zum Umbau keine Ahnung. Lehm hat null CO2-Emissionen. Wenn du mit einem Gartenschlauch ein paar Tage auf eine Wand aus Lehm spritzt, bekommt sie irgendwann ein Loch. Das Material kann sich also zur Erde hin wieder auflösen. Anders als Beton. Für den Lehm muss man sich heute nicht mehr genieren. Er wäre zeitgemäß, auch für öffentliche Bauten am Land wie Schulen oder Kindergärten. Nachhaltigkeit muss aber bei den Einheimischen noch einen viel größeren Wert bekommen.

Mit dem Haus reden

Das Haus freut sich, wie wir mit ihm umgehen. Peter lacht wie ein Bub, wenn er das sagt, aber meint es vollkommen ernst. Das Haus freut sich auch, wenn Besucher da sind und es schön finden. Umgekehrt ist es auch so: die Freude, beim Rausfahren, auf das Haus. Ein Haus am Land bringt vieles mit sich, Ruhe und Abgeschiedenheit und einen Zugang zur Natur, es schließt auch manches aus, Lärm und Alltagsstress und das Krisenhafte unserer Zeit.

Ein Haus am Land bedeutet Beschäftigung, Zerstreuung und sich dem Jahreskreislauf in immer neuen Schleifen zu ergeben. Der Rosmarinstrauch, der den Winter übersteht, ein Baum, der in die Stromleitung wächst, die alte Esche, die vielleicht krank ist. Die neuerdings trockene Erde nach dem Winter, der Regen, der allen abgeht. Das Wissen, wo zu welcher Jahreszeit die Sonne steht. Das Geräusch der Wespen im Spätsommerapfelbaum, ein Auto, das vor dem Haus hält, das Grillenzirpen, das in Wellen anschwillt. Das Knacksen der Böden, wenn sich der Raum langsam aufheizt, Insekten, die gegen die Scheibe fliegen, wenn im Haus Licht brennt und es draußen dunkel wird. Ein Haus am Land bedeutet, die Augen zu schließen, und auch, sie aufzumachen. Ich habe vergessen, wer das irgendwann einmal so gesagt hat.

Das Haus in der Kaffeegasse steht seit knapp zweihundert Jahren da, es ist unaufdringlich und zurückhaltend, es strahlt eine große Ruhe aus. Lieblingsplätze in so einem Haus sind Zeiten und Jahreszeiten unterworfen. Peter sitzt gern auf der Hausbank, die am Nachmittag ein, zwei Stunden von der Sonne gestreift wird. Mit Freunden sitzen sie viel im überdachten Haus mit den offenen Wänden, gleich im Anschluss an den Holzglasbau. Da ist es schön schattig, wenn es heiß ist, und trocken, wenn es draußen regnet, was nicht oft vorkommt. Auf einem Holzpodest hinten bei der alten Scheune steht eine Badewanne, die rausgerissen wurde, in der man sich bei Hitze herrlich abkühlen kann.

"Ein Haus am Land schließt manches aus: Lärm und Alltagsstress und das Krisenhafte unserer Zeit."

Peter erzählt gern über das Haus. Er redet auch mit dem Haus, schaut es an, zeichnet es und begreift sich hier als Teil eines Ganzen: Wie viele Menschen haben hier gelebt? Was hat das Haus alles gesehen, gehört, erlebt? Wer ist hier zusammengesessen, so wie wir heute? Gelebtes, Gespräche, Gerüche, Gebeine. Alles manifestiert sich. Die Frau, die ihnen das Haus verkauft hat, stammt aus einer Musikerfamilie. Sie hat sich mit mittelalterlichen Chorälen befasst und im Haus zwei Tonträger aufgenommen. Auch das ist eine schöne Vorstellung. Vor ihr lebte ein Lautenbauer im Haus und hatte hier seine Werkstatt.

Es ist das letzte Haus von insgesamt neun ähnlichen Häusern, Peter nennt sie Langhäuser, der professionelle Ausdruck ist Streckhäuser, erklärt der Planer. Peter zoomt sie auf Google Earth näher. Von oben sieht man die sich durchziehende Struktur: Haus, Hof, Haus, Hof, Haus, Hof und so weiter. Mit der Familie nebenan, einem Ehepaar mit bereits erwachsenen Kindern und deren Partnern, die allesamt viel Zeit am Land verbringen, gibt es eine gute Nachbarschaft. Die Alten sind beide pensioniert. Er ist mit über achtzig ein leidenschaftlicher Bio-Gärtner, früher war er Manager von Großbaustellen auf der ganzen Welt, auch in Südamerika. Seine Frau übersetzt Literatur aus dem Portugiesischen. Da gab es sofort eine Verbindung, weil Peter früher immer wieder in Brasilien gelebt hat.

Bruchlinie

Drei Häuser weiter lebt ein Wiener Künstler mit Familie, und einer in der Gasse hat das Haus immer wieder einmal länger vermietet. In einem Streckhaus wohnt tatsächlich ein echter Retzbacher, der in Wien an der Universität unterrichtet, Weinbauer ist er auch.

Im ersten Gassenabschnitt sind die alten Häuser alle erhalten. Dann gibt es eine Bruchlinie. Die Städter wohnen an den Wochenenden in den sanierten alten Häusern, die Einheimischen das ganze Jahr über in Neubauten. Geht man die Gasse weiter, schauen die Einfamilienhäuser so aus wie Einfamilienhäuser hier am Land oft ausschauen. Von den Weinkellern auf der anderen Seite sind viele verfallen. Am Ende mündet die Kaffeegasse in eine Straße, die rauf auf den Manhartsberg führt und durch einen wilden, wunderschönen Wald weiter ins Waldviertel. Wer hinter dem Haus rausspaziert, steht sofort an der Grenze zu Tschechien. Vor gut dreißig Jahren war hier der Eiserne Vorhang.

Buchcover
Peter Hauenschild (Zeichnungen), Mia Eidlhuber (Texte) "Kaffeegasse". € 28,– / 232 Seiten. Literaturedition Niederösterreich, 2023
Zeichnng: Peter Hauenschild

Jenseitige Nachbarschaft

Diese Randlage, dass es da hinten gleich rausgeht in die Natur, war ausschlaggebend, sich genau hier anzusiedeln. Wer hier Gast ist, weiß, warum. Der Blick geht auf. Wenn es warm ist, sitzt man gerne im Garten auf einer kleinen Mauer. Peter hat sie mit einem Steinmetz aus den Resten des alten Hausfundaments gebaut. Die Steine sind zweihundert Jahre unter der Erde gelegen. Jetzt dürfen sie erst einmal schauen, wo sie da sind. Die Mauer ist so lang, dass zwei Menschen bequem der Länge nach, Kopf an Kopf oder Fuß an Fuß, darauf passen. Wer hier liegt und zur Seite schaut, der hat ein weiteres nicht sehr hohes, aber hübsch bemoostes und mit Efeu bewachsenes Mäuerchen im Visier. Es umgrenzt den aufgelassenen, alten Friedhof mit seinen pittoresk verwitternden Grabsteinen. Für eine Polt-Verfilmung wurden die alten Gräber tatsächlich fast alle an den Rand des Friedhofs verlegt. Bei einem Rundgang lese ich die Namen auf den Schildern. 1988 wurde hier zum letzten Mal jemand eingegraben, so wird es erzählt. Zunächst bestand Skepsis über diese Art einer jenseitigen Nachbarschaft. Aber die Stimmung ist gut. Peter steht im Garten und schaut über die Felder und den Wein. Der Gedanke ist tröstlich, dass wir alle unter die Erde müssen. Als er das sagt, muss ich an die Plastikboxen mit den zu Ende gespitzten Stiften denken.

Es ist die Essenz. (Mia Eidlhuber, 15.9.2023)