Das Österreichische Olympischen Comité hat Erklärungsbedarf.
APA/HELMUT FOHRINGER

Hans Niessl ist der oberste Sportfunktionär des Landes, Präsident der Bundessportorganisation Sport Austria, der Ex-Landeshauptmann des Burgenlands gilt über die Grenzen des Burgenlands und der SPÖ hinaus als honorig. Zur Sachverhaltsdarstellung wegen Untreue gegen Peter Mennel, den Generalsekretär des Österreichischen Olympischen Comités, und das ÖOC-Präsidium sagt Niessl das einzig Mögliche: "Die Staatsanwaltschaft wird beurteilen, ob ermittelt und Anklage erhoben oder eingestellt wird."

Mennel wird, wie STANDARD und ORF berichteten, in der Anzeige vorgeworfen, er habe den ÖOC-Mitgliedern einen Schaden in der Höhe von 416.000 Euro verursacht, indem Verluste der vom ÖOC 2014 lancierten Crowdfunding-Plattform "I believe in you" (IBIY) "mit ÖOC-Vermögen abgedeckt wurden". Das ÖOC-Präsidium habe dazu "beigetragen". Für die Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Mennel ließ den ORF über seinen Anwalt wissen, er kenne den Inhalt der Sachverhaltsdarstellung nicht, weise aber alle Vorwürfe zurück. Fragen des STANDARD und des ORF ließen Mennel und ÖOC-Präsident Karl Stoss auch bis Freitagnachmittag unbeantwortet.

Am Freitag kam allerdings eine Aussendung des ÖOC-Präsidiums. Auch hier hieß es, man kenne den Inhalt der Anzeige nicht. Dennoch: "Wir versichern Ihnen, dass alle diese Vorwürfe haltlos sind und sich in Schall und Rauch auflösen werden." Weiters ist die Rede von einer "Schmutzkübelkampagne" und einer "Rufmordkampagne", einer "besonders üblen Form des 'Medienprangers', der in Österreich aus Politik und Wirtschaft schon länger bekannt ist und nunmehr leider auch den Sport erreicht hat".

Eine Klagsdrohung

Noch einmal betont das ÖOC-Präsidium, dass es die erhobenen Vorwürfe nicht kennt, um praktisch gleichzeitig zu betonen: "Die erhobenen Vorwürfe entbehren jeglicher Grundlage." Einige wenige seien es, die "dem Sport und unserer olympischen Familie den größtmöglichen Schaden zufügen wollen", noch dazu "unter dem Deckmantel der Anonymität". Deshalb könne das ÖOC nur gegen den Anwalt, der die Anzeige eingebracht habe, "gerichtlich vorgehen". Dieser, der renommierte Wiener Strafverteidiger und frühere Staatsanwalt Volkert Sackmann, sagte auf Anfrage dem STANDARD: "Das halte ich aus."

Am kommenden Freitag, also in einer knappen Woche, findet die nächste ÖOC-Hauptversammlung statt. Wichtigster Tagesordnungspunkt: Neuwahl des Vorstands. Das inkludiert, dass auch das Präsidium mit Stoss an der Spitze neu gewählt wird. Der jüngste Wahlvorschlag würde vorsehen, dass Stoss Präsident und Elisabeth Max-Theurer (Pferdesport) Vizepräsidentin bleibt. Statt Peter Schröcksnadel und Otto Flum sollen Markus Prock und Sonja Spendelhofer als weitere Vizes ins Präsidium nachrücken.

Doch kann in der aktuellen Situation wirklich neu gewählt werden? "Sicher nicht", sagt Hermann Krist. "Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und schon gar nicht kann ich mir vorstellen, dass Stoss die erforderliche Zweidrittelmehrheit kriegt." Krist ist Präsident des Askö, der einer der drei großen Dachverbände und ÖOC-Mitglied ist. "Bei all den offenen Fragen müsste ich einen Vogel haben, wenn ich mit meiner Stimme den alten Vorstand entlaste und dann noch dafür sorge, dass der Präsident eine weitere Amtszeit erhält. Würde ich das tun, könnte man mir Fahrlässigkeit vorwerfen."

Auf Mennel und Stoss sieht Krist, der eine "alles andere als ruhige Sitzung" erwartet, viele Fragen zukommen. Vielleicht ähnliche wie jene, die STANDARD und ORF stellten. Wie erklären sich die hohen Personalkosten in den ersten IBIY-Jahren? Wieso hat das ÖOC, bis Mitte 2023 nur einer von drei IBIY-Gesellschaftern, nicht nur ein Drittel des IBIY-Gesamtverlusts (624.000 Euro) abgedeckt, sondern auch die anderen beiden Drittel – also die angezeigten 416.000 Euro? Gab es mit den zwei anderen Gesellschaftern, der Sporthilfe und IBIY Schweiz, gesonderte Absprachen? Hat ein ÖOC-Gremium die Abdeckung der IBIY-Verluste abgesegnet? Wenn ja, welches? (Fritz Neumann, 15.9.2023)