Allzu großen Optimismus wollte sich Uno-Generalsekretär António Guterres vor Beginn der diesjährigen Sitzungswoche der Generalversammlung in New York offenbar nicht nachsagen lassen. So sehr er es sich auch wünsche, von Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine sei man weit entfernt, klagte der Portugiese – von Frieden ganz zu schweigen.

Video: Selenskyj besucht verletzte ukrainische Soldaten in New York
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Zu frisch dürfte die Erinnerung an den bizarren Auftritt des russischen Außenministers Sergej Lawrow an gleicher Stelle im vergangenen Jahr sein. Damals hatte Wladimir Putins Chefdiplomat den zeitgleich tagenden Sicherheitsrat düpiert, weil er nach seiner martialischen Rede den Saal verlassen hatte, ohne sich auch nur eine Replik seiner Kolleginnen und Kollegen anzuhören.

Dabei böte das Defilee von Vertreterinnen und Vertretern von rund 150 Staaten von Angola bis Zypern auch heuer wieder Gelegenheiten genug, aufeinander zuzugehen. Allerdings nur in der Theorie. Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj heuer nicht so wie 2022 per Videoschaltung, sondern persönlich bei der mittlerweile 78. Generalversammlung erwartet wird, bleibt Putin der Generalversammlung abermals fern. Wohl auch, weil per internationalen Haftbefehl nach ihm gefahndet wird. Statt nach New York zu reisen, traf er vergangene Woche Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un in Wladiwostok. Und Chinas Präsident Xi Jinping, ein wichtiger Verbündeter des Kreml, reist ebenfalls nicht selbst an, sondern wird von seinem Vizepräsidenten Han Zheng vertreten.

Gespaltene Welt

Überhaupt hat sich die Uno, was den Ukrainekrieg betrifft, angesichts des russischen Vetos im Sicherheitsrat bisher als reichlich zahnlos erwiesen. Die Appelle an Russland, die Angriffe auf die Ukraine einzustellen, verhallen ohne Echo. Den von Guterres mitverhandelten Exportdeal für ukrainisches Getreide durch das Schwarze Meer hat der Kreml platzen lassen – mit schweren Folgen für die globale Versorgungssicherheit. Dass sich daran so schnell etwas ändert, glaubt kaum jemand.

Auch deshalb nicht, weil sich die Länder des Westens und des Globalen Südens, von denen dieser Tage so gut wie alle im UN-Hauptquartier vertreten sind, keineswegs einig sind in der Verurteilung der russischen Aggression. Letztere, unter anderem vertreten durch Brasiliens Präsidenten Lula, äußern darüber hinaus schon seit Längerem unzufrieden mit dem aktuellen internationalen System, von dem sie sich im Kampf gegen Ungleichheit und Armut zu wenig unterstützt fühlen.

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), der ebenso wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen am größten diplomatischen Stelldichein der Welt teilnimmt, will ebendort ansetzen. Den Dialog mit jenen Ländern, die bisher überdies noch auf teils enger Bande zu Moskau beharren, hält er für essenziell. Mit mehr als einem Dutzend Kolleginnen und Kollegen hat er bilaterale Treffen in New York vereinbart. "Nur wenn wir als EU und mit gleichgesinnten Partnern geschlossen auftreten, können wir dem russischen Narrativ effektiv entgegentreten. Wir müssen der Welt zeigen, dass wir ein System, in dem sich das Recht des Stärkeren durchsetzt, entschieden ablehnen", sagte er vorab.

Uno Hauptquartier in New York
Das UN-Hauptquartier am East River in Manhattan ist diese Woche wieder Schauplatz des größten diplomatischen Stelldicheins der Welt.
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Am Mittwoch ist zudem eine hochrangig besetzte Sitzung des 15-köpfigen Sicherheitsrats zum Thema Ukraine geplant. Kommt es dazu, könnte der ukrainische Präsident Selenskyj an einem Tisch mit einem Vertreter Russlands sitzen, bevor er, wie das Weiße Haus am Freitag bestätigte, weiter nach Washington reist, um dort mit US-Präsident Joe Biden und Kongressabgeordneten zusammenzutreffen.

Klimaschutz im Fokus

Video: Zehntausende bei Klima-Protest in New York im Vorfeld von UN-Gipfel
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Abseits der Ukraine dürfte die Generaldebatte angesichts der jüngsten Unwetter- und Hochwasserkatastrophen ganz im Zeichen des Klimaschutzes stehen. Am Mittwoch findet der Climate Ambition Summit statt, bei dem die teilnehmenden Staaten zu mehr Tempo im Kampf gegen die Klimakrise gebracht werden sollen. Vor seiner – wegen eines technischen Defekts am Flugzeug verspäteten –Abreise betonte Van der Bellen, dass länderübergreifende Kooperation angesichts der aktuellen Herausforderungen und der geopolitischen Weltlage aktuell besonders wichtig sei. Auch, aber nicht nur in der Klimakrise. Neben Uno-Generalsekretär Guterres wird der Bundespräsident in New York vor allem Vertreterinnen und Vertreter von Ländern treffen, die von deren Auswirkungen schon jetzt besonders akut betroffen sind.

Bundespräsident Van der Bellen wird zudem am Montagvormittag (Ortszeit) bei der Eröffnung des Gipfels für Nachhaltige Entwicklungsziele sprechen. Um diese Ziele zu erreichen, stehe auch Ländern wie Österreich noch viel Arbeit bevor, sagte der Bundespräsident vor seiner Abreise. Die insgesamt 17 sogenannten Sustainable Development Goals (SDG) wurden von den Staats- und Regierungschefs 2015 beschlossen, um bis 2030 Probleme wie extreme Armut, Bildungsgefälle und die Klimakrise zu bewältigen. Dass sie wie vereinbart in den verbleibenden sieben Jahren erreicht werden, gilt mittlerweile aber als so gut wie ausgeschlossen. (Florian Niederndorfer, 18.9.2023)