
Seine Biografie klingt fast zu romanhaft, um wahr zu sein. René Benko, heute 46 Jahre alt, ist ein Beamtensohn und Schulabbrecher aus Innsbruck, der bereits in frühen Jahren zum Immobilienmagnaten aufstieg. Begonnen hat alles mit ein paar Dachbodenausbauten und dem Erwerb eines angejahrten Hotels nahe Innsbruck. Inzwischen gehören zu Benkos Signa-Holding Luxusimmobilien in halb Europa bis hin zum New Yorker Chrysler Building und zum Berliner KaDeWe. Sein Vermögen wird auf knapp sechs Milliarden Euro geschätzt.
Doch seit einigen Monaten ist es mit der Geschichte des ungetrübten Aufstiegs endgültig vorbei. Inzwischen dringen fast wöchentlich neue schlechte Nachrichten aus der Signa, ob es sich nun um schwache Geschäftszahlen oder Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft handelt. Was ist da los? Und warum ausgerechnet jetzt? Die fünf größten Baustellen des René Benko.
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1. Der Verlust und die Zinslage
Immobilien schienen lange Zeit ein krisensicheres Geschäft zu sein, zumal, wenn sie sich in guten städtischen Lagen befinden und im Luxussegment angesiedelt sind. Entsprechend fuhr die Signa Prime Selection AG – jene Firma, in der die Signa ihre Luxusimmobilien bündelt, gewissermaßen das Flaggschiff des Konzerns – lange Zeit hohe Profite ein. Doch das Blatt hat sich gewendet. Wie die Austria Presse Agentur (APA) vergangenen Montag berichtete, verbucht die Prime im noch unveröffentlichten Jahresabschluss 2022 einen buchhalterischen Nettoverlust von rund einer Milliarde Euro. Im Jahr zuvor hatte sie noch Gewinne geschrieben.
Woher der Verlust? Ein Signa-Sprecher begründet ihn "ausschließlich" mit makroökonomischen Umständen. Er verweist außerdem auf sogenannte stille Reserven, die im Nettoverlust nicht berücksichtigt seien und letztlich doch zu einem Gewinn führten. Unzweifelhaft ist trotzdem, dass die Zeiten härter werden.
Warum ist das so? Es hat damit zu tun, dass Zentralbanken wie die EZB die Leitzinsen anheben. Dies macht alle Geschäfte für Immobilienkonzerne schwieriger, weil es den Wert der Immobilien in Bilanzen mindert. Wie kommt das? Die Signa borgt sich Geld, etwa von Banken, um damit Immobilien zu kaufen. Dass Zinsen auf dieses geborgte Geld nun steigen, bedeutet, dass die Immobilien weniger rentabel werden. Denn: Deren Einnahmen – etwa Mieten – stehen höhere Ausgaben gegenüber – ebenjenen für Kredite, die Firmen à la Signa bei Banken abstottern müssen. Weniger ertragreiche Immobilien bedeuten, dass deren Wert in der Bilanz geringer angesetzt wird.
Mehrere wichtige Immobilien wurden von der Signa bereits veräußert. Da wäre etwa das Areal der Rossmarkthöfe im Zentrum von St. Pölten, der Donaumarina-Tower am Wiener Donauufer oder das Galerie-Weltstadthaus am Berliner Alexanderplatz (sieheBilder oben).

2. Die Nachwehen von Kika/Leiner
Im Juni kommt es zu einer der größten Pleiten der heimischen Unternehmensgeschichte. Kika/Leiner, Österreichs drittgrößtes Möbelhaus hinter XXXLutz und Ikea, meldet Insolvenz an. Tief verstrickt in die Causa: die Signa.
Benkos Gruppe hatte im Jahr 2018 Kika/Leiner von einem skandalgebeutelten südafrikanischen Möbelkonzern erworben, um den symbolischen Preis von einem Euro. Seither war die Signa die Besitzerin von Kika/Leiner – bis sie wenige Tage vor der Pleite verkaufte, wobei die Kika/Leiner-Immobilien und das dazugehörige Handelsgeschäft getrennt veräußert wurden. Während die Immobilien für die Signa Hunderte Millionen Euro einbrachten, wechselte das schwer defizitäre Handelsgeschäft erneut um einen Symbolpreis den Besitzer – diesmal um nur drei Euro.
Nun bleiben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auf den Folgekosten der Pleite sitzen. Denn der Fiskus hat Kika/Leiner Steuererleichterungen gewährt; vor allem während der Corona-Pandemie wurden Aufschübe zugestanden. Mit der Pleite ist das Geld nun wohl größtenteils verloren. Dass die Signa beim Immobilienverkauf gut aussteigt, während bei der Handelssparte Steuerzahler und Gläubiger die Zeche berappen, sorgt für Kritik, etwa der SPÖ. Nicht eben leiser wird diese aufgrund des Umstands, dass die damalige schwarz-blaue Regierung unter Sebastian Kurz 2018 kräftig anschob, um den Kauf von Kika/Leiner durch die Signa zu ermöglichen.
Heute beschäftigen sich die Kika/Leiner-Insolvenzverwalter unter anderem mit der Frage, ob die Signa während ihrer Eigentümerschaft von 2018 bis 2023 ausreichend Sanierungsmaßnahmen bei dem kriselnden Möbelhaus gesetzt hat oder etwa den Konkurs gar hinausgezögert haben könnte – Vorwürfe, die Benko scharf zurückweist. Vergangenen Dienstag wurde via Kurier bekannt, dass die Kika/Leiner-Gläubiger der Signa anbieten, dass Letztere 20 Millionen Euro in den Insolvenztopf einzahlt. Im Gegenzug könnten mögliche Forderungen an die Signa vom Tisch sein. Ob Benko das Angebot annimmt, ist noch nicht bekannt.

3. Die Causa Karstadt/Kaufhof
Parallelen zur Causa Kika/Leiner in Österreich weist Karstadt/Kaufhof in Deutschland auf. Auch hier handelt es sich um eine kriselnde Handelskette; auch hier wird Benko vorgeworfen, von staatlichem Rettungsgeld aus dem Steuertopf zu profitieren.
Karstadt und Kaufhof sind zwei Warenhausketten, die lange Jahre Konkurrenten waren und ihre hohe Zeit in der Nachkriegsära durchlebten. Spätestens seit der Jahrtausendwende jedoch ging es bergab. Im Jahr 2014 kauft Benko zunächst Karstadt – um einen Euro. Im Jahr 2018 gelingt es ihm nach einigen Versuchen, zusätzlich Kaufhof zu erwerben. Die beiden Ketten wurden unter dem Namen "Galeria Karstadt Kaufhof" vereint.
Doch der Niedergang lässt sich nicht aufhalten. Im April 2020 – erschwerend hinzu kommt die Corona-Pandemie – ist Karstadt/Kaufhof pleite. Das Verfahren kann zwar bald darauf mit einem Schuldenschnitt beendet werden, doch die Verluste bleiben. Der Staat gewährt Finanzspritzen; immerhin stehen mehr als 10.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Im Herbst 2022 beantragt die Galeria zum zweiten Mal binnen mehrerer Jahre ein Schutzschirmverfahren. Der darauffolgende Sanierungsplan sieht vor, dass rund ein Drittel der 129 Filialen geschlossen und zahlreiche Mitarbeiterinnen gekündigt werden.
Standortschließungen trotz Staatshilfen – damit stößt Benkos Signa auf kaum Gegenliebe, bis hinauf in die deutsche Regierung. "Es gibt, höflich ausgedrückt, einen ziemlichen Groll über das Verhalten des Managements", sagte der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im März im STANDARD-Interview. "Es ist bitter zu sehen, dass Beschäftigte, die gute Arbeit leisten, für krasse Managementfehler der Vergangenheit büßen müssen. Ich halte es auch für nicht akzeptabel, dass selbst rentable Kaufhäuser geschlossen werden sollen."

4. Probleme in der Sportschiene
Bei den Handelsaktivitäten von Benkos Signa-Konzern ist auch die Sporthandelstochter Signa Sports United ins Trudeln geraten. Gemäß dem Finanzbericht zum ersten Halbjahr 2022/23, der Ende Juni veröffentlicht wurde, verbuchte die in New York börsennotierte Gesellschaft einen Nettoverlust von 180,5 Millionen Euro. Obwohl die Konzernmutter Signa weiteres Geld zuschießt, warnte der Onlinesporthändler damals vor einer möglichen Schließung, sollte eine bis Mai 2024 laufende Finanzierung nicht verlängert werden können.
Dies spiegelt auch der Aktienkurs der Signa Sports wider, die seit dem Zusammenschluss mit einem leeren Börsenmantel zu Jahresende 2021 in New York notiert ist: Damals war die Gesellschaft noch 3,2 Milliarden Dollar wert, aktuell sind davon nur noch knapp 200 Millionen Dollar übrig. Sprich, die Aktie ist seit der Fusion um mehr als 90 Prozent abgestürzt und notiert derzeit nur noch im Bereich von 50 US-Cent pro Papier, ist also ein sogenannter Pennystock.
"Die erste Hälfte des Geschäftsjahres war gekennzeichnet von herausfordernden Bedingungen für den Sporteinzelhandel", erklärte Signa-Sports-Chef Stephan Zoll im Halbjahresfinanzbericht. Eine gedämpfte Nachfrage und Überkapazitäten hätten Druck auf die Finanzergebnisse ausgeübt. Die liquiden Mittel verringerten sich um etwa die Hälfte auf nunmehr 35,4 Millionen Euro. Die Gesamtverbindlichkeiten von Signa Sports stiegen um 40 Prozent auf 807,2 Millionen Euro.
Für das Gesamtjahr 2022/23 erwartete Signa Sports damals keine wesentliche Verbesserung. Der Umsatzrückgang soll sich auf neun bis elf Prozent ausweiten. Dem Abwärtstrend wollte der Sporthändler, der sich auf den Verkauf von Fahrrädern, Tennisausrüstung und Outdoorkleidung spezialisiert hat, mit einer Neuausrichtung entrinnen und hofft, dadurch zum Wachstum zurückzukehren.
"Die Signa-Holding hat Signa Sports United im Juni zusätzliche Liquidität in Höhe von 150 Millionen Euro garantiert", sagte Christoph Stadlhuber, Geschäftsführer der Signa-Holding, in einer Stellungnahme zum Halbjahresergebnis der Sporthandelstochter. "Damit ist Signa Sports United bis ins Geschäftsjahr 2025 operativ durchfinanziert." Berichte über eine mögliche Schließung entbehrten somit jeglicher Grundlage.

5. Die Sebastian-Kurz-Connection
Wenn man sich in die Geschäfte des René Benko vertieft, dauert es nicht lange, bis man auf einen anderen Mann stößt, der in dessen Umfeld eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielt: Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
So wurde etwa vergangenen April via STANDARD bekannt, dass Kurz mit Benko im Nahen Osten vorsprach, um Verhandlungen mit potenziellen Investoren zu führen, konkret dem Staatsfonds von Abu Dhabi. Auch beim Kauf von Kika/Leiner durch die Signa im Jahr 2018 spielten Vertraute aus dem Kurz-Umfeld eine wichtige Rolle. "Coole Sache Rene!!!", schrieb etwa der damalige Kurz-Freund und Finanzministeriumsgeneralsekretär Thomas Schmid an Benko, als der damalige Deal nach langen und heiklen Verhandlungen in trockenen Tüchern war.
In einer anderen Causa, die mit demselben Thomas Schmid im Zusammenhang steht, wird Benko mittlerweile von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Beschuldigter geführt: Schmid, der seit Frühjahr 2022 Kronzeuge werden will, warf Benko gegenüber der WKStA vor, ihn mit einem Jobangebot als "Signa-Generalbevollmächtigter" bestochen zu haben. Im Gegenzug soll ihm Schmid, der ja im Finanzministerium tätig war, in Steuerangelegenheiten helfen. Kurz habe von Schmids Unterstützung für Benko Bescheid gewusst, gibt Schmid weiter zu Protokoll. Kurz wies alle Vorwürfe zurück; ebenso tut dies die Signa auf STANDARD-Anfrage. Im Oktober 2022 jedenfalls fand in diesem Zusammenhang zumindest eine Hausdurchsuchung im Umfeld der Signa statt. Konkret ermittelt die WKStA wegen Verdachts auf Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit sowie des Missbrauchs der Amtsgewalt gegen zwei Beschuldigte. (Joseph Gepp, Alexander Hahn, Martin Putschögl, 17.9.2023)