
Der Preis? "2785 Mark und a bissel was" hat Mai Ling gekostet. Sie ist "ausgesprochen sauber, schmutzt nicht", dazu "leise, a Mäuserl", "verständig, flexibel und anschmiegsam" – derart bissig und zynisch spielt ein legendärer Sketch des bayrischen Kabarettisten Gerhard Polt von 1979 mit den Klischees über asiatische Frauen und den Fantasien deutscher Männer über diese. Ein Wiener Künstlerinnenkollektiv, dessen Mitglieder anonym bleiben wollen und dessen Mitgliederzahl ständig schwankt, hat sich den Namen Mai Ling angeeignet. Gemeinsam ist den Mitgliedern, dass sie alle mit rassistischen oder sexistischen Stereotypen asiatischstämmiger Migranten konfrontiert sind. Die Secession widmet der Gruppe nun eine Ausstellung.
Das 2019 gegründete Kollektiv arbeitet multidisziplinär. Im Vordergrund steht die Kunstproduktion, Mai Ling leistet aber auch aktivistische Arbeit, hält Workshops und versteht sich generell als Netzwerk für die asiatische Diaspora. Seine Herangehensweise ist unerwartet und unterschwellig, deshalb konzentriert sich die Schau Not Your Ornament nicht auf plakative Klischees, sondern nähert sich rassistischen Erfahrungen über Pflanzen.
Ambivalenz dargestellt
Eine Videoarbeit beschreibt anhand von Kudzu, einer asiatischen Kletterpflanze, die Ambivalenz des Gewollt- und Nicht-gewollt-Seins: Kudzu wurde in den 1930ern in Europa als Heil- und Zierpflanze eingesetzt, bald war sie aufgrund ihres immensen Wachstums wieder unerwünscht und ist mittlerweile in einigen Ländern streng verboten. Ist sie nun heilend oder bedrohlich? Ornamental oder invasiv?
Menschen mit südostasiatischer Herkunft, besonders Frauen, haben im Westen mit paradoxen Vorurteilen zu kämpfen, findet Mai Ling. So zählen sie oftmals zu den "guten Migranten", gelten als anpassungsfähig, Teile ihrer Kultur werden gerne angenommen. Doch besonders während der Corona-Pandemie waren sie plötzlich "ansteckend", nicht willkommen. Asiatische Frauen gelten bis heute als still, zart und schön – wie schon bei Gerhard Polt. Zierpflanzen, die als Handelsware nach Europa gekommen sind und mittlerweile zum Inventar gehören, erzählen mithilfe von Tonspuren Mai Lings Geschichte – und vom Themenfeld Kolonialismus, Exotismus und migrantische Erfahrungen. Probleme existieren laut Mai Ling aber auch in der Kunstwelt, wo man sich gerne als besonders inklusiv und progressiv präsentiert.
"Asiatisch genug"
Vor allem junge asiatischstämmige Kunstschaffende würden oft nicht ernst genommen. Interesse bestehe in westlichen Institutionen nur an Sujets, die "asiatisch genug" seien, für die Darstellung gesellschaftlicher und aktuell durchaus populärer Themen wie Feminismus oder Queerness gebe es kaum Resonanz. Von der Repräsentation hinter den Kulissen, in Vorständen oder kuratorischen Teams in westlichen Museen ganz zu schweigen.
Die knallpink-blattgrüne Schau im sonst eher düsteren Untergeschoß der Secession macht Spaß, spricht ein ernstes Thema auf kluge Weise an. Rassismus wird nicht plakativ angeprangert, sondern spornt niederschwellig präsentiert zur Reflexion an. Denn auch positive Vorurteile sind Vorurteile. (Caroline Schluge, 18.9.2023)