Ob "Normal"-Debatte, Bargeld in der Verfassung, Strafen für Klimakleber, ein Propagandavideo der Freiheitlichen Jugend oder Liebe über Parteigrenzen hinweg – im Sommer mangelte es wahrlich nicht an Polit-Aufregern. Den politischen Herbst hatte dann eine Diskussion über zwei Kinofilme zu Sebastian Kurz (ÖVP) eingeläutet. Nun soll es sogar einen dritten Film über den Ex-Kanzler geben, der die Debatte wohl erneut entfachen dürfte.

Die türkis-grüne Regierung beging das Ende der Sommerpause mit der Ankündigung eines Mietpreisdeckels und eines Milliardenpakets für die Kinderbetreuung – und will damit auch ein Stück weit über Unstimmigkeiten bei zahlreichen weiteren Vorhaben hinwegtäuschen. Im Windschatten davon haben auch die Parteien strategisch und thematisch aufgerüstet – und alles deutet darauf hin, dass in diesem politischen Herbst ein rauer Wind wehen wird.

ÖVP für längeres Arbeiten

Es ist mittlerweile zu einem jährlichen Ritual geworden: Die ÖVP startete diese Woche zum bereits dritten Mal im Rahmen einer Wallfahrt in das neue Arbeitsjahr. Nachdem man in den beiden Jahren davor nach Mariazell und auf den Sonntagberg gepilgert war, wurde heuer St. Wolfgang als Pilgerziel auserkoren. Dort fand schließlich auch eine Klubtagung der Volkspartei statt, wo man die Schwerpunkte für den Herbst besprochen hatte.

Die ÖVP geht als Kanzlerpartei in ihr letztes Jahr vor der nächsten Nationalratswahl. Profil schärfen und scharf schießen gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl lautet die Devise. Großes Thema – nicht nur für die ÖVP, sondern auch die Grünen – dürfte der von der Regierung Ende August angekündigte Mietpreisdeckel sein, gegen den sich die Volkspartei so lange gesträubt hatte. Der freie, nicht preisregulierte Mietsektor ist im aktuellen Gesetzesentwurf nämlich nicht berücksichtigt – noch nicht. Dieser Tage kündigten die Klubchefs der Regierungsparteien an, doch auch freie Mietverträge einbeziehen und einen entsprechenden Vorschlag vorlegen zu wollen.

Außerdem will die ÖVP erneut ihr schon länger geplantes Vorhaben, längeres Arbeiten zu belohnen, aus der Schublade holen. Die Volkspartei würde etwa gerne Erleichterungen bei den Pensionsversicherungsbeiträgen für jene schaffen, die über das gesetzliche Antrittsalter hinaus arbeiten.

Pilgerziel und Ort der Klubtagung der Volkspartei: das idyllische St. Wolfgang im Salzkammergut.

SPÖ und die Superreichen

Die SPÖ hatte ihr Kampfthema, mit dem sie in den Herbst geht, schnell gefunden: Superreiche zur Kasse bitten. Das ist in Zeiten der enormen Inflation und Teuerung, die dem Großteil der Bevölkerung schwer zu schaffen machen, nicht weiter verwunderlich. Kürzlich hat der Parteichef Andreas Babler, dessen größte Herausforderung es sein wird, der in Umfragen auf der Stelle tretenden SPÖ nicht nur intern neuen Aufschwung zu verleihen, auch Konzepte für eine Vermögenssteuer sowie eine Erbschafts- und Schenkungssteuer vorgelegt. Derlei existiert in der Partei freilich bereits seit vielen Jahren. Doch der neue Vorsitzende war damit offenbar nicht restlos glücklich – oder musste auch deshalb Adaptierungen vornehmen, damit Babler zumindest innerhalb seiner Partei alle für sein Herzensprojekt gewinnen kann.

Mit Vorstand und Präsidium tagten die höchsten Gremien der Partei bereits Anfang September erstmals unter der neuen Führung, diese Woche ging außerdem die Herbstklausur des Klubs über die Bühne, in der die Schwerpunkte für das letzte Parlamentsjahr – neben der Besteuerung von Multimillionären zählen auch der Kampf gegen die Teuerung und jener für gerechte Löhne dazu – vor der Wahl festgelegt wurden. Wirklich ernst wird es für den neuen Parteichef dann wieder am 11. und 12. November, wenn der Parteitag in der Grazer Messehalle über die Bühne gehen wird. Dort muss sich Babler nach der Kampfabstimmung um den Vorsitz im Mai der Wiederwahl stellen.

Weit über den Herbst hinaus – nämlich bis zur Wahl – wird außerdem die im Sommer gestartete Comeback-Tour Bablers weitergehen. Er will jeden Bezirk in Österreich zumindest einmal besuchen.

FPÖ verschreibt sich Linken

Der Herbst war kaum ins Land gezogen, da kündigte die FPÖ auch schon ihre "Herbstoffensive" an, in deren Rahmen die Partei gegen den ihrer Ansicht nach verstärkt grassierenden Linksextremismus mobil machen will. Die FPÖ füht sich von Linksextremisten nur so umgeben und verortet diese nicht nur bei Protestaktionen, sondern auch beim politischen Mitbewerb. Als Beispiele nannte Generalsekretär Christian Hafenecker etwa Aktionen von Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten, Anschläge auf Parteilokale, Wahlerfolge der KPÖ und Besteuerungspläne von SPÖ-Chef Babler.

Dazu passt, dass die Berührungsängste der Freiheitlichen Richtung ganz rechts weiter schwinden. So wollen die beiden Rechtsparteien FPÖ und Alternative für Deutschland (AfD) ihre Zusammenarbeit intensivieren. Am Dienstag war AfD-Vorsitzende Alice Weidel deshalb auch zu Besuch in Wien. Zwischen der AfD, an der in Deutschland keine andere Partei anstreifen will und die dort vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und der FPÖ passt thematisch jedenfalls kein Blatt Papier.

Parteichef Herbert Kickl, dessen FPÖ sich in Umfragen weiter in lichten Höhen befindet, plant außerdem, auf Herbsttour zu gehen. Es wird mehrere Termine in ganz Österreich geben. Den Auftakt macht Kickl am 1. Oktober beim Harberger Oktoberfest in der Steiermark. Eine Herbstklausur ist nicht geplant.

Grüne touren durchs Land

Mit einer Charmeoffensive in den Bundesländern versuchen es die Grünen diesen Herbst. Unter dem Motto "Setz ma uns z’samm" besuchen Klubobfrau Sigrid Maurer und andere aus dem grünen Parlamentsklub in den nächsten Wochen und Monaten vorrangig kleinere Städte in den Ländern. Zunächst sind neun Termine geplant. Der Auftakt fand Anfang September in Imst in Tirol statt, kommende Woche will man im Museumsquartier in Wien haltmachen. Außerdem setzt Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler seine Anfang Juni gestartete "Dialog-Tour" unter dem Motto "Lass uns reden" auch im Herbst fort.

Größter inhaltlicher Brocken wird für die Grünen sein, das seit zwei Jahren ausständige und im Koalitionspakt festgeschriebene Klimaschutzgesetz doch noch durchzubringen. Um sich thematisch und strategisch für das letzte Jahr in Regierungsverantwortung aufzustellen, begeben sich die Grünen Mitte Oktober außerdem auf Klubklausur.

Sind der Kitt der Koalition: ÖVP-Klubchef August Wöginger und Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer.
APA/ROLAND SCHLAGER

Neos gegen Schulbürokratie

Die Neos haben den Herbst oder vielmehr den Schulstart genutzt, um einmal mehr auf ein pinkes Kernthema aufmerksam zu machen: Bildung. "Vertreibe das Bürokratiemonster aus der Schule", heißt die neueste Petition der kleinsten Parlamentspartei. Das Ziel: Lehrkräften soll mehr Zeit für die Kinder und den Unterricht verschafft werden. Mit der Petition wollen die Pinken den Druck auf Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) erhöhen.

Um die Teuerung für die Menschen abzufedern, werden die Neos in den nächsten Wochen und Monaten weiter lautstark auf ihr Rezept – nämlich einer Senkung der Lohnnebenkosten – drängen. Darüber hinaus arbeiten die Pinken, die zu Wochenbeginn eine Klubklausur im burgenländischen Parndorf abgehalten haben, ein Jahr vor der geplanten Wahl an einer Kampagne, die den Einzug der Neos vor zehn Jahren in den Nationalrat thematisch in den Fokus rücken soll. (Sandra Schieder, 21.9.2023)