
Ihre Entdeckung ist noch keine 400 Jahre her und verdankt sich den ersten Mikroskopen. Der britische Universalgelehrte Robert Hooke war einer der Ersten, der sie sah und ihnen um das Jahr 1666 auch ihren Namen gab: Zellen – abgeleitet vom lateinischen Wort cellula für Kämmerchen oder Schachtel. Er hatte die ersten dieser universalen Grundeinheiten des Lebendigen als Hohlräume im Gewebe von Flaschenkork, von Farnen und von Sonnentau entdeckt. Damit war klar, dass alle komplexe Organismen aus winzigen, in sich geschlossenen und sich selbst regulierenden Einheiten bestehen, was einer Revolution in der Biologie und der Medizin gleichkam.
In gewissem Sinne könnte man also Leben als etwas definieren, das Zellen hat, und Zellen damit, dass sie Leben besitzen, schreibt der Mediziner und Bestsellerautor Siddhartha Mukherjee in seinem großartigen Buch "Das Lied der Zelle", das vor wenigen Monaten auch auf Deutsch erschien und eine vielstimmige Geschichte dieses zentralen Konzepts der Lebenswissenschaften erzählt. Entsprechend ist auch alles in unseren Körpern, egal ob Herz, Blut oder Gehirn, aus diesen kleinen Einheiten aufgebaut.
Laut Wikipedia zehn bis 100 Billionen
Auf eine Frage hatte die Wissenschaft bis jetzt allerdings nur recht ungefähre Antworten: nämlich jener nach der Zahl der Zellen in unserem Körper. Wikipedia geht recht großzügig von zehn bis 100 Billionen aus. Doch wie viele sind es wirklich? Das hängt auch davon ab, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt – und wie alt der Mensch ist, wie ein Team um den Mathematiker Ian A. Hatton (Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften in Leipzig) berichtet.
Für ihre neue Untersuchung, die am Montag im Fachblatt "PNAS" erschien, trugen die Forschenden alle veröffentlichten Informationen über Zellzahl und Zellgröße im menschlichen Körper zusammengetragen, um auf diese Weise eine möglichst genaue und vollständige Zählung aller wichtigen Zelltypen für einen repräsentativen erwachsenen Mann, eine erwachsene Frau und ein zehnjähriges Kind vorzunehmen.
Männer haben acht Billionen mehr
Die wichtigsten Ergebnisse dieser neuen Zellzählung: Ein durchschnittlicher erwachsener Mann (mit rund 70 kg und 176 cm) besteht aus etwa 36 Billionen Zellen, eine erwachsene Frau (60 kg und 162 cm) aus rund 28 Billionen Zellen und ein durchschnittliches zehnjähriges Kind, das 32 Kilogramm auf die Waage bringt, aus etwa 17 Billionen Zellen. Dazu kommen bei einem erwachsenen Mann noch rund 38 Billionen Bakterien, die wir in und an uns herumtragen.

Das Team um Hatton identifizierte dabei rund 1.200 Zellgruppen in rund 60 Gewebearten – von den kleinsten roten Blutkörperchen bis zu den größten Muskelfasern – und stellte fest, dass es eine umgekehrte Beziehung zwischen Zellgröße und Zellzahl gibt. Sprich: Je kleiner die Zellen, desto mehr gibt es von ihnen. Und diese Größen- und Zahlenunterschiede sind recht enorm. Konkret formuliert: 29 Billionen der 36 Billionen Zellen eines erwachsenen Mannes sind Blutkörperchen ohne Zellkern (siehe Grafik links). Während ein Gutteil der Biomasse unserer Körper aus Muskelzellen besteht, nämlich mehr als 21 Kilogramm.
Für alle jene, die noch tiefere Einblicke das Pluriversum der menschlichen Zellen nehmen wollen, hat das Forscherteam auch eine eigene Seite eingerichtet: Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen gibt es unter Humancelltreemap anschaulich aufbereitet. (Klaus Taschwer, 19.9.2023)