Ärztekammer Wien Präsident Johannes Steinhart 
Gegen Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart wird im Zuge der Equip4Ordi-Affäre ermittelt. Es gilt die Unschuldsvermutung.
APA/EVA MANHART

Handgreiflichkeiten, Vorwürfe der Befangenheit gegen den Kurienobmann und Streit ohne Ende. Am Freitagabend ist eine Sitzung in der Wiener Ärztekammer total entgleist. Am Montag teilte nun sogar Vizepräsident Stefan Ferenci dem Präsidenten der Wiener Ärztekammer, Johannes Steinhart, mit, dass er ihn nach den Vorgängen von Freitag nicht mehr für geeignet halte, das Amt auszuführen, wie "Dossier"-Recherchen ergaben und dem STANDARD bestätigt wurde. Somit kann Johannes Steinhart im Präsidium der Wiener Ärztekammer überstimmt werden. In dem Gremium sitzen neben Steinhart und einem Mitglied, das nur stimmberechtigt ist, wenn Steinhart fehlt, sein Vize Stefan Ferenci, Erik Randall Huber, der schon mehrmals Steinharts Rücktritt gefordert hat, sowie Frédéric Tömböl, der dem STANDARD sagte, dass er Steinhart schon länger nicht mehr unterstützen könne.

Frage: Was war bei der Sitzung am Freitag los?

Antwort: Seit die Affäre um Malversationen um Equip4Ordi bekannt wurde, ziehen sich tiefe Gräben durch die Wiener Ärztekammer. Die Equip4Ordi war eine ausgelagerte Tochtergesellschaft der Kurie für niedergelassene Ärzte. Freitagabend fand eine außerordentliche Sitzung dieser Kurie statt, deren Vorsitzender Erik Randall Huber ist. Huber ging bei Bekanntwerden der Malversationen rund um Equip4Ordi an die Öffentlichkeit und forderte Aufklärung sowie den Rücktritt von Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart. Steinhart war vor ihm Kurienobmann, in diese Zeit fallen die Vorgänge rund um Equip4Ordi – mehr dazu später. Huber wird wiederum kammerintern vorgeworfen, über seine Schritte zu wenig transparent zu informieren.

Bei der Sitzung am Freitag sollte Huber die Befangenheit ausgesprochen werden, da er wichtige Anträge nicht zugelassen habe. Huber sagt hingegen, dass von Steinharts Unterstützern taktiert werde, um Sitzungen zu verzögern oder zu verunmöglichen. Ein kurzfristig eingebrachter Antrag sei, ohne dass er dem Mandatar das Wort erteilt habe, am Freitag brüllend vorgetragen worden. Wenig später seien 16 Mandatare ausgezogen, er habe die Sitzung geschlossen, dann sei es zu "dem Bodycheck" zwischen zwei Mandataren gekommen, wie Huber es nennt. Steinhart soll zu dem Zeitpunkt nicht im Raum gewesen sein.

Frage: Wurde jemand geschlagen?

Antwort: Gegen einen Mandatar steht der Vorwurf im Raum, jemanden gestoßen zu haben. Er habe es anders wahrgenommen, sagte dieser dem STANDARD, wolle den Vorfall aber nicht weiter kommentieren, damit Ruhe einkehre.

Frage: Wie ging es danach weiter?

Antwort: 16 Mandatarinnen und Mandatare (insgesamt umfasst die Kurie 30) sollen in einem Nebenraum eine Sitzung eröffnet haben, diesmal unter dem Vorsitz von Hubers Stellvertreterin Naghme Kamaleyan-Schmied, die zu Steinharts Fraktion zählt. Bei dieser Sitzung sollen mehrere Beschlüsse gefällt worden sein, die unter anderem die Zusammensetzung des Vorstands der Wiener Ärztekammer betreffen würden. Dieses Gremium tagt am Dienstag. Aus Hubers Sicht sind die Beschlüsse nichtig, da er die Sitzung zuvor geschlossen habe. Er und Kammer-Vize Stefan Ferenci sehen die Geschäftsordnung verletzt.

Frage: Was sagt die Aufsichtsbehörde zu den ganzen Vorgängen?

Antwort: Die MA 40 (Soziales) muss nun prüfen, ob die Beschlüsse der im Nebenraum neu eröffneten Sitzung der Ärztekammer ohne Huber rechtens sind – oder nicht. Unter anderem wurde die vor kurzem entlassene Leiterin des Ärztefunkdienstes – sie gehört dem Lager um Präsident Steinhart an – wieder eingesetzt.

Frage: Worum geht es bei der Affäre rund um die Equip4Ordi?

Antwort: Die einstige Ärztekammer-Tochterfirma zum Einkauf von Ordinationsbedarf steht im Mittelpunkt der ganzen Querelen. Die Vorwürfe betreffen etwa Prämienzahlungen auf Basis falscher Gewinne oder auch Kreditgeschäfte in Millionenhöhe. Ermittelt wird von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des schweren Betrugs, der Untreue und der Begünstigung. Die beiden Ex-Geschäftsführer von Equip4Ordi sowie ein Mitarbeiter der Wiener Kammer werden als Beschuldigte geführt. Sie gaben an, auf Weisung oder Genehmigung Steinharts gehandelt zu haben.

Gegen Steinhart selbst wird als Beschuldigten wegen des Verdachts der Beteiligung an einer Untreue ermittelt. Zuletzt zeigte Kammer-Vize Ferenci den ehemaligen Kammerpräsidenten Thomas Szekeres in der Causa wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch an. Die Prüfung der Sachverhaltsdarstellung läuft noch. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Sie gilt auch in Bezug auf eine neue Anzeige, die Huber kürzlich eingebracht haben soll und die er als eine der Ursachen hinter den Tumulten von Freitag vermutet. (Gudrun Springer, David Krutzler, 18.9.2023)