Das Frauennetzwerk Medien prämierte am Montagabend auch heuer wieder herausragende Journalistinnen: Der Wiener Journalistinnenpreis 2023 ging an die "Kurier"-Journalistin und Autorin Yvonne Widler. Die Jury des Journalistinnenpreises würdigte Widlers "Hartnäckigkeit, mit der sie sich immer wieder sozial- und gesellschaftspolitisch brisanten Themen widmet". Besonders beeindruckt habe Widler mit "ihrer sensiblen Berichterstattung über Femizide und über Frauen, die von Gewalt betroffen sind".

Yvonne Widler wurde mti dem Wiener Journalistinnenpreis 2023 ausgezeichnet.
Yvonne Widler wurde mti dem Wiener Journalistinnenpreis 2023 ausgezeichnet.
Foto: Matthäus Proskawetz

Der mit 5.000 Euro dotierte Wiener Journalistinnenpreis ist eine Initiative des Frauennetzwerks Medien zur Förderung herausragender journalistischer Arbeit mit frauenpolitischem Fokus. Das Preisgeld stiftete die Styria Media Group. Der Preis steht unter der Schirmherrschaft der Wiener Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin Kathrin Gaál und des amtsführenden Stadtrats Peter Hanke (beide SPÖ).

In Kooperation mit dem Privatsender Puls 4 vergibt das Frauennetzwerk Medien den mit 1.000 Euro dotierten Jungjournalistinnenpreis. Dieser ging heuer an Clara Porák, Gründerin und Geschäftsführerin des inklusiven Onlinemagazins "Andererseits". Ausschlaggebend für die Auszeichnung seien "unter anderem ihre unnachahmliche Art, Geschichten zu erzählen, und ihr Ansatz, für ihre Geschichten mit Menschen zu sprechen statt über sie".

Sonderpreis für iranische Journalistin

Um ein Zeichen der Unterstützung und der Solidarität mit weiblichen Medienschaffenden im Iran zu setzen, wurde außerdem ein Würdigungspreis an die iranische Journalistin und Frauenrechtsaktivistin Aliyeh Motallebzadeh vergeben. Motallebzadeh ist unter anderem Vizepräsidentin der Iranischen Vereinigung zur Verteidigung der Pressefreiheit und Vorstandsmitglied der Iranischen Vereinigung der Pressefotografen und wurde wegen ihres gesellschaftspolitischen Engagements bereits mehrmals verhaftet. Die Laudatio hielt die Journalistin Solmaz Khorsand, die selbst im Jahr 2018 mit dem Wiener Journalistinnenpreis ausgezeichnet wurde.

Das Frauennetzwerk Medien ist ein überparteiliches Netzwerk für Journalistinnen und Frauen in Medienberufen, das 1999 in Wien gegründet wurde und mittlerweile mehr als 400 Mitglieder zählt.

Update am Dienstag um 12.30 Uhr

Aliyeh Motallebzadehs Tochter, Ghazal Abdolahi, hat bei der Preisverleihung den Brief ihrer Mutter vorgelesen. Wir veröffentlichen ihn hier im Wortlaut:

"Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich und bin dankbar, dass ich als Journalistin aus dem Iran heute Abend bei diesem Treffen sprechen kann, und ich möchte Ihnen für diese Gelegenheit und Ihre Anerkennung meiner Arbeit danken.

Journalisten sind der Spiegel der heutigen Gesellschaften der Menschheit. Sie haben die Pflicht, die Fakten zu identifizieren und aufzudecken und sie so darzustellen, wie sie sich ereignen, auch wenn sie bitter und unerträglich sind. Etwas, das von Diktatoren niemals toleriert werden wird.

Die Veröffentlichung von Nachrichten sorgt für Aufmerksamkeit. Bewusstsein ist der Beginn des Kampfes gegen die Unwissenheit und die Dunkelheit. Undemokratische und autokratische Regierungen verhindern immer die korrekte Verbreitung von Informationen, und in allen Ländern mit solchen Regierungen gehören Journalisten zu den ersten Gruppen, die unterdrückt werden.

Die Unterdrückung von Journalisten in der ganzen Welt ist eine der Hauptsäulen von Diktaturen. Und die iranische Regierung ist eines der offensichtlichsten Beispiele dafür. In der gegenwärtigen Lage im Iran ist es sinnlos, über die physische und psychische Sicherheit und Unversehrtheit von Journalisten zu sprechen. Weil schon das Prinzip der journalistischen Arbeit mangels Freiheit, Sicherheit, Rechtsfürsorge und Rechtsschutz seiner Bedeutung und seines Inhalts beraubt wurde: die Menschen im Iran nutzen nicht Medien, um die Wahrheit zu erfahren, weil sie wissen, dass die Wahrheit verboten ist. Die Freiheit der Medien wurde zerstört und die Wege zur Wahrheitsfindung versperrt.

Ein Beispiel für das Verhalten dieser religiösen autoritären Regierung sind die jüngsten Ereignisse im Iran nach der Jina-Revolution, der Bewegung "Frau, Leben, Freiheit", der mutige Widerstand der Frauen für ein freies Leben und gegen die blutige Unterdrückung der Bevölkerung.

Die Islamische Republik hat Frauen immer im Namen religiöser Regeln mit einem antifeministischen Charakter seit jeher in allen Belangen eingeschränkt, Journalistinnen standen stärker unter Druck als je zuvor.

Die ersten Frauen, die über die Gewalt und Morde berichteten, wurden aufgrund falscher Anschuldigungen festgenommen und inhaftiert. Journalistinnen wie Elaheh Mohammadi, Nilufar Hamedi und Vida Rabbani sind immer noch im Gefängnis.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch politische Gefangene wie Narges Mohammadi erwähnen, denen wir die mutige Nachverfolgung und Veröffentlichung von Artikeln und Briefen im Zusammenhang mit den Zuständen in den Gefängnissen und jener der Gefangenen verdanken.

Die Islamische Republik unterdrückt seit Jahren unabhängige Medien und Journalisten. Weitverbreitete Schließungen von Medienhäusern und Arbeitslosigkeit von Journalisten, Drohungen und Zwangsauswanderung, Inhaftierungen und auch stille Morde sind die Folgen dieser Diktatur.

Man kann mit Sicherheit sagen, dass es im Iran keinen echten Journalismus mehr gibt, freie und unabhängige Plattformen wurden vom Regime und dem Sicherheitsapparat beschlagnahmt oder geschlossen. Die Islamische Republik beschlagnahmt und instrumentalisiert diese Plattformen für ihre Propaganda.

Wenn es Widerstand seitens der in unabhängigen Institutionen engagierten Personen gegen dieses Regimer gibt, ist der Platz dieser Widerstandskämpfer oft das Gefängnis.

Keyvan Samimi als Leiter der "Iranischen Vereinigung zur Verteidigung der Pressefreiheit" und ich als seine Stellvertreterin und Mitglied der iranischen Journalistengemeinschaft haben viele Jahre den bitteren Geschmack des Gefängnisses erfahren.

Abschließend möchte ich sagen: Um zu überleben, braucht der Diktator mehr Werkzeuge, als mit dem Hammer Terror in den Herzen der Menschen zu schlagen. Er überlebt nur, indem er dem Terror unter bedingungslosen Jubel einflößt. Die Diktatoren der heutigen Welt gebe es nicht, ohne die Illusion einer Volksbasis, ohne den Applaus ihrer verängstigten und perversen Unterstützer.

Und schließlich möchte ich allen mutigen Bürgerjournalisten meinen Respekt zollen, die ohne Namen die Haupterzähler der Höhen und Tiefen der Geschichte des Irans in diesen Jahren waren. Ich bin voller Stolz und verneige mich vor ihnen allen.

Frau, Leben, Freiheit geht weiter.

Vielen Dank

Alieh Motallebzadeh

Vizepräsident der Iran Press Freedom Defense Association, September 2023

Teheran." (red, 18.9.2023)