Sunno)))
Sunn O))) machen Hosen flattern und um Gnade und Erlösung winseln.
Southern Lord

Irgendwann gegen Ende der Show hört man im wabernden Bühnennebel des Dröhnlands die gut eine Viertelstunde lang zelebrierte Akkordfolge D und A. Okay, wir sind heute beim erdschweren Zeitlupen-Metal ohne Schlagzeug. Sehr gern kann man sich die Sache auch in für existenzielle Besorgnis sorgenden, schicksalsdräuenden moll-Akkorden vorstellen. Man glaubt jedenfalls, akustisch weich wie ein Schnitzel geklopft, Stimmen zu hören, wo gar keine sind. Zwischen Hammer, Amboss und Tinnitus quäken aus dem Memory-Bereich des Gehirns heraus Attwenger mit ihrem alten alpinen Schlager Summa: "I mog di nua im Summa, du wüst des ned fasteh / Kau nua beim truckan Weda, dei Leidn aufi geh / Im Winta muast aloa bleim, denn do iss ma z'koid / Und daun liegt da Schnee g'wahd, wos aufi geht zum Woid."

mrblablablabla

Das US-Duo SunnO))) hat zu diesem Zeitpunkt in der Wiener Arena mit zwei elektrischen Gitarren und einer tatsächlich benutzten, zwei, drei Meter hohen Wand aus Verstärkern dafür gesorgt, dass die Hosen des Publikums im Saal aufgrund der zünftigen Lautstärke flattern. Die Mägen grummeln, der Tinnitus feiert einige neu abgeschlossene Kundenabos. Der vermeintlich besungene "Wald" gebiert Monster. Erwachsene Menschen (nennen wir sie weiße, männlich zu lesende Personen) tragen weitgeschnittene schwarze T-Shirts mit dem übergroßen Band-Emblem vorne, hinten und innen drauf hinaus zu den später im Hörsturz nach Hause fahrenden Autos.

Ein Konzert der in Mönchskutten und im wabernden Bühnennebel steckenden, seit einem Vierteljahrhundert als unangestrengter Religionsersatz verehrten Drone- und Doom-Metal-Band für Kunststudenten ist im Wesentlichen eine kultische Handlung. Das aktuell auf den ursprünglichen Kern eingeschmolzene, aus dem amerikanischen Seattle kommende Duo Greg Anderson und Stephen O'Malley reduziert Heavy Metal auf seine Essenz.

Heavy und Metal

Heavy und Metal werden mit wirklich brutaler und ins Eingeweide gehender Lautstärke mit zwei tiefer gestimmten und verzerrten elektrischen Gitarren über eine Wand aus Röhrenverstärkern der titelgebenden Marke Sunn erdschwer in den Saal gewuchtet. Wenn nicht gerade Gastsänger wie der ungarische Metalgott Attila Csihar von der Black-Metal-Band Mayhem am Mikrofon mit Sechskantschrauben donnergurgeln, fällt die textliche Erzählung von alten Schauergeschichten aus der Welt eines H. P. Lovecraft weg. Gewollt oder mittels Feedback-Pfeifen zwischen den Ohren hervorgeholt: Die innere Stimme singt einem ja schließlich ohnehin etwas vor.

AThousandPapercuts

Nach eineinhalb Stunden Konzert sieht man endlich das von oben auf uns kleine Sünder im Saal strahlende Nebelsuchscheinwerferlicht. Fang das Licht! Nach diesem greifen SunnO))) immer wieder mit ihren gereckten Händen, um mit langem Atem auf einen Akkord einen anderen folgen zu lassen, während der Tsunami des vorhergehenden langsam in der Tinnitusbucht auspritschelt.

Zen-Buddhismus und Liturgie

Früher galten die seit den 1970er-Jahren bestehende Arena und die elektrischen Mönche von SunnO))) als Peripherie. Heutzutage ist aus den Subkulturen des Metal, des Punk und der sogenannten autonomen Selbstverwaltung im Mainstream der Widerstände gegen alles, was den Leuten auf die Nerven geht, ein in der Mitte des Lebens genutztes Gegengift mit U-Bahn-Anbindung geworden. Das tut man sich nach wie vor gern auch körperlich an.

Zurzeit befinden sich SunnO))) unter dem aus dem Zen-Buddhismus entlehnten Begriff des "Shoshin" auf Tour. Offen für alles, Anfängergeist, keine Vorurteile, alles neu hier, keine festgefahrenen Lösungsmodelle. Wenn sie da im Nebel oft nach gemeinsam und im besten Fall zeitgleich geschlagenen Akkorden suchen, könnte man eines anmerken: Lautstärke ist als religiöses Konzept, um die Massen auf den Knien um Gnade und Erlösung winseln zu lassen, sehr wichtig. Ein wenig einstudierte christliche Liturgie hätte aber auch nicht geschadet. (Christian Schachinger, 19.9.2023)