Sie kamen mit kleinen, weißen Särgen, in den Händen Transparente mit Slogans wie "Mensch von Anfang an" oder "Echte Männer stehen zu ihrem Kind": In Vorarlberg demonstrierten am Montag rund 80 Menschen vor dem Landeskrankenhaus Bregenz gegen Abtreibungen im Spital. Diese werden derzeit nicht durchgeführt und sollen auch in Zukunft nicht möglich sein, den erzkonservativen Abtreibungsgegnerinnen reicht das aber nicht.

Im Rahmen der "Pro Life Tour 2020" brachten Abtreibungsgegner ein Banner bei der Bregenzer Autobahn an.
Jugend für das Leben

Was Erzkonservative auf den Plan ruft

Denn nachdem der einzige Arzt, der im Ländle Schwangerschaftsabbrüche durchführt, so bald wie möglich in Pension gehen will, ist das Land um eine Nachfolgelösung bemüht. Zunächst war angedacht, dass es neben dem Landeskrankenhaus in Bregenz, in einem ehemaligen Personalwohnheim, eine Privatordination geben soll. Diese Vorgehensweise wurde Anfang des Jahres auch von einer Mehrheit im Landtag bestätigt. 15 Mediziner sollen sich gemeldet haben, geplant war ein Start Mitte 2023.

Dazu kam es allerdings nicht, offenbar aus Kostengründen. Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) kündigte deswegen zuletzt an, dass die Abbrüche im Krankenhaus – allerdings von privaten Ärztinnen – durchgeführt werden sollen. Das ruft nun erneut die Kritiker auf den Plan, auch die ursprünglich angedachte Lösung wollten sie verhindern.

Kritik aus der Kirche

Dazu gehört auch Diözesanbischof Benno Elbs. Am Wochenende durfte der Kirchenvertreter in den "Vorarlberger Nachrichten" erklären, dass die Selbstbestimmung der Frau zwar ein Grundrecht sei – wenn sich die Diskussion aber nur darum drehe, ist das laut Elbs "zu partiell". Es gebe weitere Aspekte: "Im Normalfall gibt es noch einen Vater, der sich aber leider oft davonmacht und die Frau damit in eine schwierige Lage bringt. Der dritte Aspekt, der in die Gewissensentscheidung hineingehört, ist das Lebensrecht eines ungeborenen Menschen." Die Kirche müsse bei einem Schwangerschaftskonflikt unterstützen.

Das Krankenhaus sieht Elbs aber als falschen Ort. "Es steht mir als Bischof zwar grundsätzlich nicht zu, mich zu einem Ort für eine Abtreibung zu äußern, das ist Aufgabe der Politik. Ob ein Krankenhaus ein geeigneter Ort ist, bezweifle ich allerdings."

Die ÖVP und die Christen

Dieser Ansicht ist man allerdings in der ÖVP ohnehin großteils. Das bekräftigte nicht nur die Gesundheitslandesrätin, sondern auch Parteikollegin Barbara Schöbi-Fink. Spitäler seien in erster Linie dazu da, Leben zu retten und Gesundheit zu fördern, sagte sie. Für Ärztinnen und Ärzte sei es "emotional schwierig", Abtreibungen durchzuführen, man wolle das Personal deswegen nicht dazu verpflichten. Das ist gesetzlich allerdings auch jetzt schon nicht möglich.

Den Demonstrantinnen vor dem Landeskrankenhaus sind diese Zusicherungen der ÖVP offenbar zu wenig. In einer Petition wird Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) aufgefordert, die nun angedachte Lösung zu verhindern. 5.900 Menschen sollen unterschrieben haben. Zu der Demonstration aufgerufen hatten mehrere Vereine, darunter Jugend für das Leben, die Plattform für das Leben Vorarlberg und auch Citizen Go. Während am "Marsch für das Leben" in Wien bereits mehrfach ÖVP-Politikerinnen teilgenommen haben, war am Montag kein christlich-sozialer Politiker mit auf der Straße. Allerdings ein Vertreter der Kirche: Denn mit dabei war der Seelsorger des Landeskrankenhauses Feldkirch.

Organisation mit radikaler Agenda

Gesundheitslandesrätin Rüscher betonte gegenüber den "Vorarlberger Nachrichten", dass es allen Personen offenstehe, ihre Sichtweise zu verschiedenen Themen, so auch zum Schwangerschaftsabbruch, öffentlich kundzutun. Das gilt demnach auch für Organisationen wie Citizen Go, die europaweit eine radikale Agenda verfolgen. Während die Organisation sich selbst als eine beschreibt, die sich "für das Leben, die Familie und Freiheit" einsetze, zeigen Wikileaks-Dokumente, dass diese Zuschreibung lediglich eine Chiffre für den Kampf gegen den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und LGBTIQ-Rechte ist. Citizen Go gibt demnach vor, eine Grassroots-Organisation zu sein, arbeite im Hintergrund aber mit vielen rechtspopulistischen Parteien zusammen oder habe diese mit aufgebaut – etwa die Partei Vox in Spanien.

Während Corona machte die Organisation auch Stimmung gegen Impfungen. Besonders sauer stieß den christlichen Impfgegnern auf, dass der Impfstoff von Johnson & Johnson im Wiener Stephansdom verimpft wurde. Der Grund: Bei der Herstellung werde auf Zelllinien abgetriebener Föten zurückgegriffen. Tatsächlich bedeutet der Begriff "Zelllinie", dass diese einmalig angelegt wurde, schreibt das deutsche Paul-Ehrlich-Institut. Es würden nicht immer neue Föten benötigt und auch keine Kinder zu diesem Zweck abgetrieben.

In Vorarlberg kam das zumindest bei Bernhard Kaufmann nicht an. Der Priester des Ordinariats der armenischen Gläubigen in Osteuropa schrieb in einem Rundbrief, Kinder würden zur Covid-Impfstoff-Gewinnung aus den Bäuchen der Mütter geschnitten. Sich impfen zu lassen sei deswegen eine schwere Sünde. Die katholische Kirche kritisierte er, weil sie bei dem "fürchterlichen Impfspektakel" mitmache.

Landesrätin unter Druck aus eigenen Reihen

Am Mittwoch beschäftigt sich der Sozialausschuss des Vorarlberger Landtags wieder mit dem Thema Schwangerschaftsabbrüche. Eigentlich sollte die neue Lösung, eine Privatordination im Krankenhaus zu haben, präsentiert werden. In der ÖVP dürfte es diesbezüglich aber hitzige Diskussionen geben. Demnach ist Rüscher mit ihrer Idee auch in den eigenen Reihen unter starker Kritik, die auch von ganz oben kommen soll. Es sei daher auch kein Zufall, dass medial derzeit besonders viele zu Wort kommen, die Stimmung gegen die von Rüscher angedachte Möglichkeit machen können, wird dem STANDARD versichert.

Zuletzt hatten Landtagsabgeordnete auch Post von konservativen Abtreibungsgegnerinnen bekommen: Citizen Go verschickte im Februar Nachbildungen von zwölf Wochen alten Föten, auch an Ärztinnen, das Landeskrankenhaus und Anrainer. Im Vorfeld des Ausschusses am Mittwoch sei das noch nicht passiert, sagten verschiedene Landtagsabgeordnete dem STANDARD.

Mobilisierung auch auf der anderen Seite

Am anderen Ende von Österreich bringt will eine Kampagne Aufmerksamkeit für die andere Seite schaffen: #AusPrinzip will, dass der Paragraf 96 aus dem Strafgesetzbuch genommen wird. "Statt der Fristenlösung braucht es eine andere Lösung für den Schwangerschaftsabbruch." Die Fristenlösung sei vor 50 Jahren erkämpft worden und habe die Situation von ungewollt Schwangeren erleichtert. Nach einem halben Jahrhundert sei es aber an der Zeit für eine Entkriminalisierung und mehr Selbstbestimmung, heißt es auf der Website zur Kampagne.

Unterstützerinnen kommen vor allem aus der SPÖ, der Bundesparteivorsitzende Andreas Babler, die stellvertretende Klubchefin Julia Herr und die EU-Abgeordnete Evelyn Regner gehören dazu. Aber auch grüne Politikerinnen, Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger oder Maria Rösslhumer von den Autonomen Frauenhäusern sind dabei.

Die Kampagne solle Feministinnen, politisch Engagierten, Gruppen und Einzelpersonen die Möglichkeit geben, sich für ein Recht auf einen entkriminalisierten und selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch zu engagieren, schreiben die Initiatoren, die Wiener Agentur P&B. Man stelle dafür kommunikative Tools zu Verfügung, die bestellt und genutzt werden können, und koordiniere PR-Maßnahmen. (Lara Hagen, 19.9.2023)