Musk werde ich nicht fehlen, aber vielleicht ziehen mehr Leute den Stecker. Spätestens dann, wenn der Service etwas kostet.
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Eine "kleine monatliche Zahlung" will Elon Musk in seinem Nachrichtendienst X einführen, kündigte er am Montag in seinem Gespräch mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu an. Laut dem US-Unternehmer sind die Bots schuld, die die Plattform fluten. Unabhängig von seiner Motivation könnten die drei oder fünf Euro im Monat der letzte Tropfen für mich sein, der das X-Fass zum Überlaufen bringt. Einen neuen Account auf der Plattform anlegen würde ich zudem heute auch nicht mehr.

368 Millionen Menschen

Vor zwölf Jahren habe ich mich auf Twitter angemeldet. Es war eine interessante Zeit. Journalisten, Influencer und Politiker fanden sich nach und nach ein, um über das Weltgeschehen, Hobbys und den ganzen Rest zu sprechen. Die Stimmung war gut, soweit ich mich erinnern kann. Man kommentierte und zeigte Fotos von Event-Besuchen oder dem neuesten Einkauf im Apple- oder Samsung-Store. Über die Jahre veränderte sich die Plattform natürlich – auch, weil sie reichweitenstärker wurde.

Während in Österreich nur eine kleine Bubble den Nachrichtendienst nutzt, hatte Twitter 2019 weltweit über 312 Millionen Nutzerinnen und Nutzer. Bis 2022 wuchs diese Zahl laut Statista auf rund 368 Millionen. Immer mehr Menschen bezogen ihre Versorgung mit aktuellen Nachrichten über die Plattform. Gerade zu Kriegsbeginn vor anderthalb Jahren bekam man das Geschehen vor Ort sehr gut aufbereitet. Experten meldeten sich, Journalisten und Militärs von der Front, die Truppenbewegungen und Anschläge auf zivile Einrichtungen fast live der Weltöffentlichkeit präsentieren konnten. Solche Beispiele aus Krisengebieten gibt es viele, und man hat Twitter, nun X, deshalb zu schätzen gelernt.

Im Vorjahr dann der Paukenschlag: Elon Musk kauft Twitter. Der egozentrische Unternehmer träumte schon länger von einer eigenen Social-Media-Plattform, und anstatt selbst eine solche aufzubauen, übernahm er einfach eine bestehende. Allein das Drama um die Übernahme selbst, etwa mit der Drohung, den Kauf doch nicht durchführen zu wollen, sorgte bei vielen für Stirnrunzeln. Auch die von Markenexperten zu Recht hinterfragte Strategie, den Namen der Firma zu ändern, beziehungsweise die markante Kündigungswelle in sehr relevanten Unternehmensbereichen waren von zahlreichen Hoppalas begleitet. Mein baldiger Abschied von X hat aber zusätzliche, noch viel tiefgreifendere Gründe.

Nicht mehr tragbar

Es sei gerade eine gute Zeit, sich auf X anzumelden, lässt der umstrittene deutsche Medienmacher Jan Böhmermann in seinem Podcast "Fest und flauschig" vom 9. September wissen, nachdem sein Gesprächspartner Olli Schulz den möglichen Schritt auf die Nachrichtenplattform halb im Scherz anspricht. Man könne jetzt mit "wenig Aufwand ganz groß rauskommen", sagt Böhmermann. Man müsse dafür nur sagen: "Hitler war doch nicht so schlecht" oder "Überlegt, ob das wirklich alles so passiert ist zwischen 1939 und 1945". Das seien die "Takes", mit denen man aktuell ganz "nach oben gespült" werde.

Auch wenn Musk immer wieder beteuert, er werde Hassbotschaften auf X weniger prominent ausspielen, hat er zahlreiche solcher Hetzer zurück auf die Plattform geholt. Der "Hass im Netz" ist auf X ist auch deshalb allgegenwärtig. Zuletzt drohte der X-Besitzer sogar der jüdischen Organisation Anti-Defamation League (ADL) wegen deren Vorwurfs des Antisemitismus mit einer Klage. Tatsächlich wird nachgewiesenermaßen wenig gegen offen neonazistische Kommentare getan, und auch die prorussischen Kommentare von Musk stoßen mir und vielen anderen Nutzerinnen und Nutzern sauer auf.

Musk ist nicht mehr auszuhalten, trotz allem, was er in seinem Leben schon Großes geschaffen hat. Zumindest ist er das für mich nicht mehr. Spätestens seit der Twitter-Übernahme, seinen kindischen Duell-Ansagen in Richtung Mark Zuckerberg und vielen sehr zweifelhaften Aussagen will ich diesen Mann in seinem Tun rund um die Plattform nicht auch noch finanzieren. Natürlich werde ich Twitter vermissen – X aber tatsächlich weit weniger als erwartet. (Alexander Amon, 19.9.2023)