Wer auf den Straßen unterwegs ist, spürt wenig: Spritsparen scheint kaum angesagt, gefahren wird flott wie eh und je. Dabei gäbe es Grund genug, das Auto besonders verbrauchsschonend zu bewegen. Die Treibstoffpreise sind wieder kräftig gestiegen. Diesel kostet im Schnitt 1,799 Euro, Superbenzin 1,719 Euro, auch Preise jenseits der zwei Euro je Liter Diesel wurden schon gesichtet. Zur Erinnerung: Im Juni des Vorjahres waren Spritpreise jenseits der zwei Euro plötzlich das neue Normal – im Jänner konnte man wieder um rund 1,50 Euro tanken.

Ein Pkw wird an einer Tankstelle betankt.
Der Besuch an der Tankstelle wurde zuletzt wieder deutlich teurer.
APA/dpa/Uwe Lein

Im Börsel sind die jüngsten Preissprünge deutlich zu spüren. Laut Analyse des ÖAMTC zahlte man für eine 50-Liter-Tankfüllung Super im Juli im Schnitt 79 Euro, im August blätterte man bereits 83 Euro hin. Beim Diesel fiel der Sprung noch höher aus: von 78 Euro im Juli auf 84 Euro im August. Diesel ist seit Anfang August teurer als Super.

Weltmarktpreise

Warum die Kapriolen? Eine Erklärung für den Aufwärtstrend liegt auf der Hand: Die Weltmarktpreise sind zuletzt deutlich gestiegen. Die Ölpreise nähern sich zusehends der runden Marke von 100 Dollar an – viel früher als so mancher Experte erwartet hat. Am Dienstagmorgen kostete ein Barrel (159 Liter) der für Europa maßgeblichen Nordseesorte Brent bis zu 95,15 US-Dollar. Ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) wurde mit bis zu 92,55 Dollar gehandelt. Das waren die Höchststände seit vergangenem November.

Und das obwohl die Weltwirtschaft schwächelt, eigentlich sollte damit auch eines der wichtigen Schmiermittel für die Volkswirtschaften weniger gefragt sein. Das scheint nicht der Fall zu sein. Selbst der Umstand, dass Chinas Wirtschaft, immerhin der größte Ölimporteur der Welt, im Abschwung ist, wirkt sich zur Überraschung der Internationalen Energieagentur (IAE) keineswegs auf die Nachfrage aus. Diese bleibe "erstaunlich konstant", gab die IAE in einer Prognose Mitte September (siehe Artikel unten) zu Protokoll. Und: Die von vielen erwartete Rezession in den USA blieb aus. Dazu kommt – und das ist wohl der Hauptgrund für die Preisanstiege – das knappe Angebot. Das größte Ölexportland der Welt, Saudi-Arabien, und Russland haben die geförderten Mengen im Frühjahr deutlich gekappt und die Förderkürzungen bis Ende 2023 verlängert. Das könnte im vierten Quartal zu einem erheblichen Marktdefizit führen, warnt die IAE. Knappes Angebot versus stabile Nachfrage – auch damit lassen sich Preiszuwächse erklären, meint Hedwig Doloszeski, Geschäftsführerin des Fachverbands der Mineralölindustrie in der Wirtschaftskammer (FVMI).

Die Preise für Rohöl nähern sich mit Riesenschritten der wichtigen 100-Dollar-Marke. Das hat auch damit zu tun, dass das Angebot knapp ist.
Die Preise für Rohöl nähern sich mit Riesenschritten der wichtigen 100-Dollar-Marke. Das hat auch damit zu tun, dass das Angebot knapp ist.
AFP/RIZWAN TABASSUM

Die Preise an den Zapfsäulen ziehen also nicht ohne Grund an. Doch erklärt das den gesamten Preisauftrieb? Der ÖAMTC meldet Zweifel an. Die Preisanstiege würden hierzulande deutlich höher ausfallen als anderswo in der EU: Laut Zahlen der EU-Kommission seien die Nettopreise (exkl. CO2-Preis, Steuern und Abgaben) in Österreich für Diesel seit Anfang Juli 2023 um 20 Prozent, jene für Super um 14 Prozent gestiegen – und damit um vier bzw. fünf Prozentpunkte mehr als im EU-Schnitt. Martin Grasslober, Leiter der Verkehrswirtschaft beim ÖAMTC, beobachtet vor allem bei den Dieselpreisen eine Entkoppelung von den Rohölpreisen.

Abängig vom Import

FVMI-Geschäftsführerin Doloszeski begründet dies mit einer bei Diesel besonders angespannten Versorgungslage. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sei die Dieselnachfrage gestiegen, der große Lieferant Russland falle teilweise weg. Dazu kommt: Rund 60 Prozent des heimischen Bedarfs werden importiert, davon 80 Prozent aus Deutschland. Gerade dort seien die Preise stark gestiegen. Die einhellige Meinung: Es geht weiter nach oben.

Auch wenn die Spritpreise noch unter den Durchschnittswerten von September 2022 lägen und die Erhöhung der CO2-Bepreisung mit Jahreswechsel die Preise nur um drei bis vier Cent steigen ließe, muss sich die Regierung laut Grasslober vom ÖAMTC "die Frage stellen, ob die Erhöhung nicht zumindest durch eine Mineralölsteuersenkung in selber Höhe zu kompensieren ist". (Regina Bruckner, 19.9.2023)