Im kommenden Jahr stehen mit der Nationalrats- und der Europawahl gleich zwei bundesweite Urnengänge an. Während bei Ersterer noch über den Termin spekuliert wird – im Herbst oder doch schon im Frühjahr –, ist bei Letzterer das Datum längst fixiert: Wahltag ist der 9. Juni.

Noch ziemlich unklar ist bei der Wahl zum EU-Parlament dagegen, wer eigentlich gewählt werden kann. Denn keine der fünf Parlamentsparteien hat bisher ihre Spitzenkandidatin oder ihren Spitzenkandidaten für Brüssel bekanntgegeben. Üblicherweise lassen sich die Fraktionen dafür länger Zeit – auch um sich nicht um kurzfristige strategische Änderungen innenpolitischer Natur zu bringen.

Andreas Schieder
Andreas Schieder ist für die rote Bundespartei bereits für eine zweite Amtszeit in Brüssel gesetzt.
APA/EVA MANHART

Zeit für die Verkündung der Spitzenkandidatur haben die Fraktionen jedenfalls bis ins Frühjahr. Und Spekulationen gibt es bereits viele, offizielle Bestätigungen dagegen nur wenige. Was bisher aus den Parteien bekannt ist.

ÖVP

In der Volkspartei gibt es rund um die EU-Wahl traditionell größere Kandidaturdebatten. Vor allem weil der erste Vizepräsident des Europäischen Parlaments und frühere ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas sich mit regelmäßiger öffentlicher Kritik an seiner eigenen Partei intern nicht gerade einen Vertrauensvorschuss erarbeitet hat. Gerüchte, wonach er mit einer eigenen Liste antreten könnte, wollte Karas bislang weder bestätigen noch dementieren – auch auf STANDARD-Nachfrage am Dienstag nicht.

Spekulationen gibt es dagegen über mehrere andere Namen. Außenminister Alexander Schallenberg hätte, auch als langgedienter Diplomat, viel Erfahrung auf dem europäischen Parkett. EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, bei der EU-Wahl 2019 auf Listenplatz zwei, wäre ebenfalls eine naheliegende Kandidatin, hat selbst aber abgewinkt. Noch komplizierter werden die Strategiespiele, weil nach der Wahl der frei werdende Posten des österreichischen EU-Kommissars neu zu besetzen ist – und alle Genannten infrage kämen.

Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm wurde von der Parteispitze ins Spiel gebracht und hat gewichtige Fürsprecher. Sie selbst hat aber langfristige Ambitionen im Bund – und nur geringe auf einen Umzug nach Brüssel.

SPÖ

In der Sozialdemokratie sind die Würfel dagegen bereits gefallen – jedenfalls, was die Entscheidung der Parteispitze angeht. Denn formal müssen die roten Gremien im Herbst den Spitzenkandidaten oder die Spitzenkandidatin nominieren.

Aus der Bundespartei wird dem STANDARD bestätigt, dass Andreas Schieder, seit 2019 SPÖ-Delegationsleiter, auch für die nächste Amtsperiode auf Listenplatz eins kandidieren soll. Das sei auch nie anders vorgesehen gewesen, heißt es. Gerüchte, wonach Parteichef Andreas Babler die Kandidatin der Gewerkschafter, Evelyn Regner, favorisiert habe und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig den aus der Wiener SPÖ kommenden Schieder durchgesetzt habe, seien falsch.

FPÖ

Bei den Freiheitlichen gilt Harald Vilimsky als wahrscheinlichster Spitzenkandidat für eine weitere Amtsperiode. Der Wiener saß schon in den vergangenen beiden Legislaturperioden im Europäischen Parlament und hat selbst Ambitionen, in Brüssel zu bleiben.

Vilimskys Nachteil: Parteichef Herbert Kickl und er haben schon seit längerem kein besonders gutes Verhältnis. Einen deutlich besseren Draht hat Kickl dafür zur blauen Nationalratsabgeordneten und EU-Sprecherin Petra Steger, die als seine Alternative für Brüssel gehandelt wird. Stegers eigenes Interesse an dieser Option soll allerdings enden wollend sein. Und: Das getrübte Verhältnis zu Vilimsky könnte für Kickl dem Vernehmen nach auch ein guter Grund sein, diesen erst recht weiterhin in Brüssel auf Distanz zu halten.

Grüne

Bei den Grünen wird vor allem ein Name regelmäßig genannt: jener von Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler. Denn mit einer neuen Regierungsbeteiligung nach der Nationalratswahl rechnen auch in der Partei selbst nicht viele. Beim Klimaschutz hat sich die Ministerin aber stark profiliert, sie könnte im Wahlkampf auf umgesetzte Projekte wie das Klimaticket verweisen.

Gegen Gewessler könnte sprechen, dass sie bei einem Nationalratswahltermin erst im Herbst vorzeitig ihr Ministerinnenamt aufgeben müsste – und ihrer Partei damit ein Zugpferd für den Wahlkampf abhandenkäme. Die aktuelle Delegationsleiterin Monika Vana gilt dann als realistische Alternative.

Neos

Die einzige pinke EU-Abgeordnete, Claudia Gamon, zieht es zurück in ihre Heimat Vorarlberg, wo sie im Februar zur Landessprecherin gewählt wurde. Ihre Nachfolge läuft auf zwei Optionen hinaus: den Nationalratsabgeordneten und Ex-Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter oder den Integrations- und Jugendsprecher Yannick Shetty.

Beiden wird Engagement in Europafragen attestiert, und beide sollen Interesse an einem Wechsel nach Brüssel haben. Die Entscheidung in der Partei wird wohl im Zusammenhang mit Plänen für die bundespolitische Aufstellung erfolgen. (Martin Tschiderer, 19.9.2023)