Die Prioritäten der Österreicher beim Kauf von Lebensmitteln haben sich verschoben. Hefteten sich viele Haushalte in Zeiten der Corona-Krise auf die Fahnen, Qualität auf dem Speisezettel den Vorzug zu geben, so spielen Rabatte und niedrige Preise für sie mittlerweile die gewichtigere Rolle.

Multiple Krisen verändern das Einkaufsverhalten. Preis schlägt derzeit vielerorts die Qualität.
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Statt daheim gekocht, wird wieder vermehrt in Gesellschaft auswärts gegessen. Auch die Lust aufs Reisen erwachte neu. Beides geht ebenso ins Geld wie die allgemeine Teuerung. Einfach sparen lässt sich bei Dingen des täglichen Bedarfs, bei denen es eine große Auswahl gibt – allen voran Lebensmitteln. Ihr Auf und Ab in den Einkaufskörben skizziert ein recht vielfältiges Bild der Konsumgewohnheiten einer Gesellschaft.

Diese unterlagen in den vergangenen Jahren bisher noch nicht erlebten Schwankungen und Einflüssen, sagt Christina Mutenthaler-Sipek, die Geschäftsführerin der AMA-Marketing. Die Pandemie habe die Wertschätzung für Lebensmittel erhöht. "Die hohe Inflation lenkte den Fokus wieder auf die Preise."

Gezielter einkaufen

Gaben 2021 noch 60 Prozent der Österreicher an, mehr auf die Qualität als auf Kosten zu achten, so waren dies heuer nur noch 42 Prozent. Das geht aus der jüngsten jährlichen Motivanalyse der RollAMA hervor, die 2800 Haushalte umfasst.

Deren Ausgaben stiegen, während die Einkaufsmenge sank. Zweitere im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,5 Prozent. Sie liegt damit leicht unter dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019, erhob das Haushaltspanel. Viele Einkäufe werden offenbar gezielter geplant. Statt ein bisserl mehr landet vielerorts spürbar weniger auf der Waage und im Einkaufswagen.

Geldbörsen entlastet dies freilich nicht. Die Ausgaben für Frischwaren nahmen in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 um fast zehn Prozent auf 3,96 Milliarden Euro zu. 2019 waren diese noch um ein Viertel niedriger.

Weniger Direktvertrieb

Zu Marktverschiebungen führen sparsamere Einkäufe auch im Vertrieb. Österreichs Supermärkte und Diskonter bauten ihre Marktanteile innerhalb eines Jahres von 73,6 auf 75 Prozent aus. Große Verbrauchermärkte hatten ebenso das Nachsehen wie kleine Fachhändler und Direktvermarkter. Reduzieren sich die Ab-Hof-Verkäufe, geht Bindung zwischen Landwirten und Kunden verloren. Die Abhängigkeit von wenigen Handelskonzernen wächst.

Diese treiben die Expansion ihrer Eigenmarken, bei denen sie sämtliche Produktionsschritte kontrollieren, weiter voran. Bei den von der RollAMA erfassten Produktgruppen ohne Obst, Gemüse und Fleisch liegt der Anteil ihrer eigenen Labels bei nunmehr fast 65 Prozent. Drei Jahre zuvor waren es 59,5 Prozent.

Angesichts des generell höheren Preisniveaus werden Rabatte einzelner Produkte forciert. Jeder dritte im Lebensmittelhandel ausgegebene Euro floss heuer im ersten Halbjahr in ein Aktionsprodukt, rechnet Micaela Schantl, Leiterin der AMA-Marktforschung, vor. Zu mehr als 40 Prozent in Aktion werden ihr zufolge Fleisch und Butter gekauft.

Absatz von Bio sank

Rückläufig ist der Absatz von Bio. Die eingekauften Mengen sanken in Österreich im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 um sechs Prozent. Die Exporte schwächeln ebenso wie die Direktvermarktung, was Unsicherheit in der Branche schürt. Unter Beobachtung stehen vor allem Entwicklungen der Biomilch, die zuletzt am Markt leicht an Boden verlor.

Der Verband der Biobauern, die Bio Austria, streicht den Umsatzschub von einer halben Milliarde Euro hervor, den Bio seit 2019 erhalten habe, sowie die nach wie vor stabilen Marktanteile von 11,5 Prozent im Lebensmitteleinzelhandel.

Unterm Strich haben sich Biolebensmittel aufgrund der geringeren Abhängigkeit von fossilen Energien weniger stark verteuert als konventionelle Nahrungsmittel.

Wie geht es mit Programmen für weniger Tierleid in der Fleischproduktion weiter, mit denen der Handel vermehrt wirbt und für die Konsumenten in Umfragen plädieren, zumal immer wieder schwere Missstände in der Tierhaltung aufschlagen?

Mutenthaler-Sipek berichtet auf Nachfrage des STANDARD von rund 120 bäuerlichen Betrieben, die dazu bereit wären, in der Schweinemast auf höheres Tierwohl umzusteigen. Doch ihnen fehlten die Abnahmegarantien des Handels. "Ohne Partnerschaften wird es nicht gehen", sagt Mutenthaler-Sipek. "Die Landwirtschaft braucht für Tierwohlprogramme Absatzsicherheit." (Verena Kainrath, 20.9.2023)