Verteidigerin Ohiane Hernandez und Kolleginnen im rosaroten Trainingsanzug bei der Ankunft im Teamhotel nahe Valencia.
Verteidigerin Ohiane Hernandez und Kolleginnen bei der Ankunft im Teamhotel nahe Valencia.
AFP/JOSE JORDAN

Madrid - Im Skandal um den inzwischen zurückgetretenen spanischen Fußball-Verbandspräsidenten Luis Rubiales herrscht weiter Chaos. Am Dienstag fanden sich mindestens elf der fünfzehn für die kommende Nations League nominierten Weltmeisterinnen gegen ihren Willen im Camp des Nationalteams ein. Dies stellte Barca-Verteidigerin Mapi Leon nach der Ankunft am Flughafen von Valencia vor der Weiterreise zum Teamquartier klar.

"Wir sind gezwungen worden, hierher zu kommen. Aber wenn sie uns bestrafen wollen, dann müssen wird eben kommen", sagte die 28-Jährige, die nicht zum siegreichen WM-Team gehört hatte: "Wir können ausgiebig darüber diskutieren, ob wir hier an einem sicheren Ort sind, wenn wir doch gezwungen wurden, hier zu sein."

Wegen ihres Streiks aufgrund der Missstände im Verband sehen sich die Nationalspielerinnen der Androhung harter Sanktionen und Druck des Verbandes RFEF ausgesetzt. "Wenn sie nicht kommen, müsste die Regierung das Gesetz anwenden. Gesetz ist nunmal das Gesetz", sagte Victor Francos, Präsident der obersten Sportbehörde CSD: "Die Regierung hat die Pflicht, einzugreifen. Wir werden alles tun, um das Problem zu lösen."

Leon gehört nicht zu den Weltmeisterinnen - sie hatte aus Protest auf den WM-Trip verzichtet, was ohne negative Folge für sie geblieben war.

Weltfußballerin Alexia Putellas antwortete auf dem Flughafen von Barcelona auf die Frage, wie sie sich fühle: "Schlecht". "Wie sollte es auch anders sein?", fragte sie. Ihre Kollegin Misa Rodríguez antwortete auf die Frage von Journalisten, ob sie mit ihrer Nominierung zufrieden sei, mit einem knappen: "Nein".

Hermoso kritisiert Verband scharf

Es herrscht Eiszeit, nachdem der Verband die streikenden Fußballerinnen am Montag gegen deren Willen für die kommenden Länderspiele berufen hatte. Rubiales hatte bei der Siegerehrung nach dem Final-Triumph der Spanierinnen über England am 20. August in Sydney Jennifer Hermoso ungefragt auf den Mund geküsst und damit weltweit riesige Empörung ausgelöst. Er beteuert weiter, der Kuss direkt nach dem WM-Sieg sei in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt. Dem widerspricht Hermoso.

"Wir haben Wochen, Monate damit verbracht, diesen Schutz zu suchen, den wir in der RFEF selbst nicht finden konnten. Die gleichen Leute, die uns um Vertrauen bitten, sind diejenigen, die heute eine Liste von Spielerinnen veröffentlichen, die darum gebeten haben, nicht berufen zu werden", kritisierte Hermoso nun. Sie warf dem Verband "Spaltung", "Manipulation" und Einschüchterung vor.

Allerdings macht auch die Regierung Druck - auf die Fußballerinnen: "Wenn die Spielerinnen nicht antreten, muss die Regierung, so leid es mir tut, handeln und dem Gesetz Geltung verschaffen", sagte Víctor Francos dem Radiosender El Larguero am späten Montagabend.

Francos ist der Präsident der obersten spanischen Sportbehörde CSD, er kündigte Gespräche und einen Schlichtungsversuch an. Sollte dieser scheitern, droht noch viel größerer Ärger. Dem spanischen Sportgesetz zufolge stellt die Weigerung, trotz Nominierung nicht anzutreten, eine besonders schwere Verfehlung dar, die Geldstrafen zwischen 3.000 und 30.000 Euro sowie Sperren zwischen 2 und 15 Jahren nach sich ziehen kann.

Widersprüche

Spanien will sich über die Nations League für Olympia 2024 in Paris qualifizieren. Am Montag hatte die neue Nationaltrainerin Montse Tomé 15 Weltmeisterinnen für die ersten beiden Spiele des Wettbewerbs am Freitag in Schweden sowie am kommenden Dienstag daheim gegen die Schweiz nominiert. Tomé hat den nach der WM im Zuge des Skandals geschassten Jorge Vilda abgelöst.

Vor Journalisten in Madrid versicherte Tomé, sie habe mit den von ihr nominierten Fußballerinnen gesprochen und keine von ihnen habe die Teilnahme an den Begegnungen verweigert. Das sahen die Spielerinnen um Weltfußballerin Putellas komplett anders. Am späten Montagabend teilten sie mit, ihren Länderspiel-Streik fortzusetzen, schwenkten dann zum Großteil aber doch ein.

Hermoso war nicht von Tomé berufen worden. Zu den Gründen hatte die Trainerin gesagt, man wolle Hermoso so "beschützen". In ihrem Statement bei X reagierte die 33-Jährige auch auf Tomé: "Mich vor was schützen? Und vor wem?"

Die zur besten WM-Spielerin gekürte Aitana Bonmatí schrieb um kurz vor Mitternacht bei X unter anderem: "(...) unser fester Wille, aus berechtigten Gründen nicht nominiert zu werden (...) bleibt in vollem Umfang gültig." Hermoso schrieb, sie stehe ganz an der Seite ihrer Mitspielerinnen. (sid, APA, red, 19.9.2023)