Nehammer, Kickl, Kogler und Co: Die Chefs und Chefinnen kennen wir, sie sind präsent, und sie sind es, die die jeweiligen Botschaften unter das Wahlvolk bringen und dafür mediale Aufmerksamkeit suchen. In seiner neuen "Menschen & Mächte"-Doku geht es Fritz Dittlbacher um jene, die dafür sorgen, dass ihre Chefs und Chefinnen in diesem öffentlichen Licht punkten können. "Die zweite Reihe der Macht" nennt er seine Dokumentation über Sprecher und Sprecherinnen, Spindoktoren und parlamentarische Mitarbeiterinnen, zu sehen am Mittwoch in ORF 2 und hier in der ORF-TVthek.

Eigene Karriereziele

"Es war und wird immer eine Ehre bleiben, dem Bundeskanzler und dem Land zu dienen", sagt Daniel Kosak. Er ist Sprecher von Bundeskanzler Karl Nehammer und sieht sich als "Verbündeten der Politik", aber auch als "Verbündeten der Medien", die Dinge wissen wollen.

Die Karriere von FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth begann am Zentralfriedhof, erzählt Dittlbacher in der Doku, das Begräbnis eines Wiener Burschenschafters und FP-Chefs war dessen Einstieg. Wie kommt man zu diesen Jobs? Zufällig eher nicht, oft über das Parteiumfeld oder auch über das Elternhaus, sagt Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik, "diese Leute sind schon davon überzeugt von dem was sie tun, aber sie haben auch Karriereziele, die sie damit verfolgen".

Wie groß ist diese "zweite Reihe der Macht"? Ein paar Tausend Menschen, schätzt Ennser-Jedenastik. Dittlbacher ist bei einer FPÖ-Klubsitzung dabei. "Man darf nicht die Übersicht verlieren, man darf sich nicht widersprechen, weil letztendlich muss die Politik aus einem Guss sein", so Nemeth. Und "ohne die totale Identifikation mit dem Parteiprogramm ist es sehr, sehr schwierig, diese Tätigkeit auszuführen. Für mich wäre das nicht vorstellbar", sagt er. Es gibt jene, für die ihr Politjob Glaubensbekenntnis sei, und jene, die ihn als Handwerk sehen, beschreibt das Dittlbacher.

Theresa Vonach spricht für die Grünen.
Foto: ORF/Hannes Drapal

Handwerker Fleischmann

"Mr. Message-Control", der Kommunikationschef der ÖVP, Gerald Fleischmann, sei ein Handwerker. Seit 20 Jahren ist er für die Volkspartei tätig, für ihn wäre es denkbar gewesen, auch für eine andere Partei zu arbeiten. "Es gibt aber auch Parteien, für die es aus meiner Sicht unvorstellbar gewesen wäre", sagt Fleischmann. Er war früher Journalist, schrieb auch für den STANDARD. Zuvor Musiker, gemeinsam mit Leo Szemeliker. Szemeliker wurde Faymann-Sprecher, Fleischmann jener von Sebastian Kurz.

"Mr. Message-Control" und Kommunikationschef der ÖVP: Gerald Fleischmann.
Foto: ORF/Hannes Drapal

Dann wird es kurz rockig, Dittlbacher spielt Musik ab, Fleischmann hört zu. "Das bin ich", sagt er, als ihm Dittlbacher einen seiner Songs von früher vorspielt. "Ich war felsenfest davon überzeugt, dass ich Millionen verdiene als Rockmusiker und wir die Welt bereisen und kennenlernen", erzählt Fleischmann über Jugendträume.

SNU – Strategisch notwendiger Unsinn

Mit dem Begriff "Message-Control" hat Kosak keine Probleme, das sei inhaltlich professionelles Arbeiten: "Wenn es darum geht, eine einheitliche Sprache zu finden, die die Menschen nicht verliert, sondern eine gemeinsame Botschaft ausdrückt, dann ist das das Wesen von professioneller Kommunikation." Später geht es auch um den Begriff SNU (Strategisch notwendiger Unsinn), den Fleischmann populär gemacht hat und in seinem Buch beschreibt, "man könnte sagen, es war eingebaut, damit sich das Buch verkauft und für Aufregung sorgt", so Fleischmann. Es sei eine Beschreibung für ein "Blasenthema", wenn also Politiker, Experten, Journalisten über Themen diskutieren, die die Bevölkerung nicht betreffen.

Was ist schuld am schlechten Ruf der Politik? Fleischmann erwähnt den Vertrauensindex und das Ranking, wonach hier Politiker an letzter, Journalisten an vorletzter Stelle stehen. Fleischmann: "Wir haben als politmediales System ein Thema und ein Problem."

Handwerk, Loyalität, Haltung

Auch Heidi Glück, sie war Sprecherin von Wolfgang Schüssel und ist jetzt Beraterin, hat keine Freude mit den neuen Spielregeln. "Die Dynamik, mit der von der Öffentlichkeit via Medien gefordert wird, Entscheidungen zu treffen, ist für das politische Handwerk eine wirkliche Challenge. Weil große Reformen eine gute Vorbereitungszeit brauchen, und die wird einem fast nicht mehr gegönnt", so Glück. Und in manchen Bereichen sei auch das Handwerkliche früher besser ausgeprägt gewesen, als es heute sei.

In diesem Job in der "zweiten Reihe" geht es natürlich auch um Loyalität. Die Loyalität gilt natürlich für die Person, für die man arbeitet. "Du musst dann auch Entscheidungen mittragen, die dir gegen den Strich gehen", sagt Kommunikationsexperte Josef Kalina. Er war Sprecher von Viktor Klima, später Bundesgeschäftsführer der SPÖ, seit 15 Jahren macht er jetzt PR. "Hingabe und Loyalität" war etwa auch die Basis für Haider-Sprecher Stefan Petzner. Zwischen ihm und Haider gab es auch eine Freundschaft, er stand auch menschlich auf seiner Seite.

"Haider war kein Ideologe", sagt Petzner in der Doku, "wir sind nicht links, wir sind nicht rechts, wir sind vorne", zitiert Petzner seinen Lebensmenschen. Teilweise hätte er aber ein schlechtes Gewissen gehabt, sagt Petzner und nennt hier als Beispiel den Slogan "Kärnten wird Tschetschenen-frei". Er habe das dann "immer technisch gesehen". Bei so einem Plakat, so einem Sager wüsste man natürlich, dass der zieht. Moralisch und menschlich sei "das sicher nicht das Korrekteste" gewesen. Er habe "damals sogar gebetet für diese Menschen, damit sie das gut überstehen".

"Kärnten wird Tschetschenen-frei": Stefan Petzner hatte damals ein "schlechtes Gewissen".
Foto: ORF/Hannes Drapal

Keine tiefen Freundschaften

"Es ist wichtig, in diesem Beruf keine zu tiefen Freundschaften zu entwickeln", sagt Kanzlersprecher Kosak, "das halte ich für wirklich wichtig", er sei mit ganz wenigen Menschen aus der Branche wirklich befreundet. "Für Freundschaft bleibe auch kaum Zeit", sagt Theresa Vonach, sie leitet die Kommunikation der Grünen.

"Wenn der Bundeskanzler anruft, hebt man immer ab", sagt Kosak, es ist ein 24-Stunden-Job. Auf Dauer hätte das seine Familie nicht ausgehalten, sagt Kalina, der sich 1999 von seinem Job bei Viktor Klima aus familiären Gründen verabschiedet hat. "Wenn man nie müde, nie erschöpft ist, dann hat man entweder Hilfe von außen nötig – oder man lügt", sagt auch Vonach.

Kanzler-Sprecher Daniel Kosak
"Wenn der Bundeskanzler anruft, hebt man immer ab": Kanzler-Sprecher Daniel Kosak.
Foto: ORF/Hannes Drapal

Politik als Droge

Wie ist es Petzner nach der Politik ergangen? Er sei in ein Loch gefallen, es gab die blauen Netzwerke nicht, "ich wurde dann selbstständig. Auch weil mir nichts anderes übrigblieb." Was bleibt einem vom Job in der Politik? "In der Politik lernt man den Umgang mit Druck, mit Schnelligkeit, mit Schnelllebigkeit, auch mit dem Wechseln von Themen", sagt Glück, das bringe einem am meisten und sei fast noch wichtiger als ein Netzwerk.

Fleischmann wollte nach dem Abschied von Pröll in die Privatwirtschaft, er sollte Sprecher eines Gesundheitskonzerns werden. Aber die Versuchung, in der Politik zu bleiben, war dann doch größer, sagt er. Petzner: "Ja, Politik ist eine Droge. Niemand, der in der Politik war, kann davon loslassen." Jeder der diesen Job beginne, wisse, "dass in dem Moment, in dem sein Chef oder seine Chefin aus dem Ministerium, aus dem Bundeskanzleramt, aus der politischen Funktion die er hat, rausgeht, sein Vertrag endet, sagt Daniel Kosak. Ein Berufsleben auf Abruf, beschreibt das Dittlbacher. (Astrid Ebenführer, 21.9.2023)