Das Österreichische Olympische Comité hat weiteren Erklärungsbedarf.
APA/HELMUT FOHRINGER

Karl Stoss machte kein Hehl aus seiner Freude. Der ehemalige Casinos-Austria-AG-General, der seit 2009 als Präsident dem Österreichischen Olympischen Comité (ÖOC) vorsteht, gratulierte in der ÖOC-Vorstandssitzung am 20. Mai 2020 dem ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel zum Verkauf der "Liegenschaft Mittergrabern" und bedankte sich "für dessen Einsatz und Ausdauer. (Applaus)". So steht es im Protokoll der Sitzung.

Mennel hatte die Liegenschaft um 1,98 Millionen Euro nicht an den Mann, sondern an eine Frau gebracht, die jedenfalls einiges an Erfahrung im Umgang mit Pferden und Pferdesportbetrieben mitbrachte. Das Anwesen hatte ursprünglich Heinz Jungwirth gehört, Mennels Vorgänger als ÖOC-Generalsekretär. Dieser wurde 2012 wegen Untreue zu fünf Jahren Haft und Schadenersatz verurteilt, er ging in Insolvenz, und sein Besitz in Mittergrabern bei Hollabrunn fiel in die Masse. Er umfasste 15.220 Quadratmeter Grund inklusive Wohnhaus, Reithalle sowie Wirtschafts- und Stallgebäuden.

Das nicht zuletzt mit Steuermitteln finanzierte ÖOC kaufte, wie es selbst festhielt, die Liegenschaft "zur Rettung der Forderungen aus der Masse heraus" und hoffte, aus einem Weiterverkauf gut auszusteigen. Spekulation? Die Hoffnung hat sich jedenfalls so bald nicht erfüllt, 2020 gab sich das ÖOC schließlich mit erwähnten 1,98 Millionen zufrieden. Wobei auch erwähnt werden sollte, dass das ÖOC zwischenzeitlich nicht nur Verwaltungsausgaben zu verbuchen, sondern noch Grund dazu erworben hatte. Bis zum Weiterverkauf war die Grundstücksfläche auf 37.725 Quadratmeter angewachsen. Dennoch will Mennel einen "Nettogewinn von 615.561 Euro" erzielt haben.

Vermehrte Millionen

Echte Gewinne sehen möglicherweise noch einmal anders aus, jedenfalls in Mittergrabern bei Hollabrunn. Dort hüpften die neuen Eigentümer dem ÖOC schnell etwas vor. Bereits 2022 verkaufte die Käuferin von 2020 – mittlerweile verheiratet, hatte sie den Namen ihres Mannes angenommen – die "Liegenschaft Mittergrabern" weiter, an ihre eigene Firma. Kein Wunder, dass unter dem Vertrag links und rechts ein und dieselbe Unterschrift steht. Was auch immer die Gründe für dieses Geschäft waren – auffällig ist der festgeschriebene Kaufpreis: 5,76 Millionen Euro. Nicht viel weniger als das Dreifache dessen, worüber sich zwei Jahre zuvor das ÖOC gefreut hatte.

Doch auch dabei sollte es nicht bleiben. Heuer hat die "Liegenschaft Mittergrabern" noch einmal und diesmal wohl tatsächlich den Besitzer gewechselt. Der nächste Kaufvertrag, er liegt wie auch die anderen dem STANDARD vor, ist datiert mit 18. Juli. Als Käuferin tritt eine GmbH mit Sitz in Wien auf den Plan, sie stimmte einem Kaufpreis in Höhe von sage und schreibe 8,4 Millionen Euro zu. Wir halten also bei mehr als dem Vierfachen des 2020 vom ÖOC erzielten Preises.

Die Frage liegt nahe: Hatte das ÖOC da einen Schatz in Händen, den es – warum auch immer – viel zu günstig hergegeben hat? Der ebenfalls in dieser Causa recherchierende "Kurier" fragte bei der ÖOC-Führung schon vor Tagen nach, ob das Anwesen vor dem Verkauf geschätzt worden war. Er bekam – wie auch STANDARD und ORF auf etliche andere Fragen – keine Antwort. Ein hoher Verbandsfunktionär und Kritiker der ÖOC-Führung, der an dieser Stelle ungenannt bleiben will, nimmt sich für die ÖOC-Hauptversammlung am Freitag auch folgende Frage vor: „Waren die ehemaligen Käufer als Pferdemenschen der ÖOC-Vizepräsidentin Elisabeth Max-Theurer bekannt?“

Hauptversammlung

Max-Theurer, Olympiasiegerin 1980 im Dressurreiten, ist seit 2002 Präsidentin des heimischen Pferdesportverbands, seit 2005 sitzt sie im ÖOC-Vorstand, seit 2012 ist sie Vizepräsidentin. Wenn es nach Präsident Stoss geht, soll sie es bleiben, auch jener zweite Wahlvorschlag, den Stoss im Gegensatz zu einem ersten abgesegnet hat, würde das vorsehen. Am Freitag soll im Zuge der Hauptversammlung in Wien neu gewählt werden. Auch Stoss will noch einmal verlängern bzw. verlängert werden. Ob oder wie es dazu kommen könnte, ist allerdings fraglich. Hermann Krist, Präsident des Dachverbands Askö, ist nicht der Einzige, der Stoss "sicher nicht wählen wird. Ich müsste ja einen Vogel haben, wenn ich mit meiner Stimme den alten Vorstand entlaste."

Nicht nur in der Causa Mittergrabern, sondern auch in der Affäre um die Crowdfunding-GmbH "I believe in you" sind viele Fragen offen. Mennel und das ÖOC-Präsidium wurden wegen Untreue bzw. Beihilfe angezeigt, die Staatsanwaltschaft sieht "hinreichenden Anfangsverdacht gegeben" und will Mennel bald einvernehmen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fritz Neumann, 20.9.2023)