Johannes Steinhart, Stefan Ferenci, Erik Randall Huber, Stefan Konrad, Frederic Tömböl, Thomas Szekeres, Ärztekammer Wien
Der Machtkampf in der Wiener Ärztekammer eskaliert. Im Präsidium gibt es gegenseitige Forderungen nach Rücktritten oder Amtsenthebungen. Im Mittelpunkt steht die Causa um die umstrittene Ärztekammer-Tochterfirma Equip4Ordi, in der die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Die Vorkommnisse in der zerstrittenen Wiener Ärztekammer sorgen auch für Empörung in der österreichweiten Kammer. Das ist insofern nicht überraschend, als der umstrittene Wiener Präsident Johannes Steinhart auch der Österreichischen Ärztekammer vorsteht. In der überregionalen Standesvertretung wurde hinter den Kulissen die Sorge geäußert, dass der völlig außer Kontrolle geratene Konflikt in Wien auch den Status der Österreichischen Ärztekammer gefährden könnte. Bisher forderte allerdings nur Salzburgs Ärztekammerchef Karl Forstner offen Steinharts Rücktritt.

Nach STANDARD-Informationen wird der Gegenwind aber rauer: Am Mittwoch fand nach der regulären Vorstandstagung der österreichischen Kammer auch eine kurzfristig einberufene Krisensitzung mit Steinhart statt. Im Vorfeld dieser Sitzung soll vereinzelt auch der Wunsch nach einem freiwilligen Rückzug des heftig unter Druck geratenen Präsidenten zur Debatte gestanden sein.

Die Österreichische Ärztekammer selbst wollte auf Anfrage zu den Inhalten der Sitzung aber keine Stellungnahme abgeben. Aus Kammer-Kreisen war nur zu hören, dass Steinhart aufgefordert worden sein soll, bis zur nächsten Vollversammlung Mitte Dezember für Ruhe zu sorgen. Von dieser Ruhe ist derzeit aber keine Spur zu bemerken. Im Gegenteil: Am Mittwoch hagelte es innerhalb der Wiener Ärztekammer die nächste Rücktrittsforderung an Steinhart.

Johannes Steinhart, Ärztekammer
Johannes Steinhart steht der Wiener und auch der Österreichischen Ärztekammer vor.
APA/EVA MANHART

Außerordentliche Vollversammlung folgt

Nachdem vier von fünf Präsidiumsmitglieder der Wiener Kammer – also mit Ausnahme von Steinhart – öffentlich den sofortigen Rückzug Steinharts forderten, legten Vorstandsmitglieder des Wiener Gremiums mit derselben Forderung nach. Diesen Aufruf unterstützte mit 16 von 31 Mandatarinnen und Mandataren eine äußerst knappe Mehrheit im Vorstand. Veröffentlicht wurde die Forderung von Frédéric Tömböl: Er steht der Liste "Ä-Team" in der Wiener Kammer vor, die sich vor Monaten von Steinharts ÖVP-naher Liste "Vereinigung" abgespalten hat.

Zusätzlich wurde von der Ärzte-Koalition gegen Steinhart am Dienstagabend auch die Einberufung einer außerordentlichen Vollversammlung beantragt. Eine solche muss laut Geschäftsordnung der Ärztekammer "innerhalb von drei Wochen ab Einlangen des Begehrens" – also spätestens am 10. Oktober – stattfinden. Bei dieser soll über den seit längerer Zeit bestehenden Misstrauensantrag gegen Steinhart abgestimmt werden.

Für einen nicht freiwilligen Rückzug Steinharts gibt es eine hohe Hürde: Diesem müssten zwei Drittel der Wiener Vollversammlung (mit 90 Mitgliedern) zustimmen. Diese erforderliche Mehrheit dürfte es derzeit nicht geben: Neben den verbliebenen Vertrauten Steinharts unterstützt auch Ex-Präsident Thomas Szekeres mit seiner Liste ein derartiges Vorgehen nicht. Gemeinsam haben beide Fraktionen die erforderliche Sperrminorität.

Szekeres sagte auf Anfrage zum STANDARD, dass er "prinzipiell gegen Vorverurteilung" sei. Der ehemalige Ärztekammer-Chef will aber überhaupt Neuwahlen in der Wiener Ärztekammer durchsetzen. Szekeres räumte freilich ein, dass es derzeit dafür ebenfalls keine Zweidrittelmehrheit in der Vollversammlung gebe. Somit könnte die Pattstellung in der Wiener Kammer prolongiert werden – und damit der Fortbestand des Chaos.

Ausgangspunkt der Turbulenzen ist die Causa rund um die Ärzte-Einkaufsplattform Equip4Ordi, eine ehemalige Tochterfirma der Wiener Kammer. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts des schweren Betrugs, der Untreue und der Begünstigung. Auch der Rechnungshof und die Wiener Aufsichtsbehörde MA 40 (Soziales) untersuchen den Fall. Neben drei weiteren Personen wird auch Präsident Steinhart als Beschuldigter geführt: Bei ihm gibt es den Verdacht der Beteiligung an einer Untreue. Zuletzt wurde auch Ex-Präsident Szekeres von Ferenci in der Causa wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch angezeigt. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Kritik von Gesundheitsminister Rauch

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) kritisierte die Protagonistinnen und Protagonisten des offen ausgetragenen Streits in der Ärztekammer und forderte diese auf, "zur Vernunft zurückzukehren", wie er am Mittwoch sagte. Dem Gremium sprach er aktuell die Gesprächsfähigkeit ab. Dabei brauche es die Ärztekammer als Verhandlungspartner in vielen Materien, sagte Rauch. (David Krutzler, 20.9.2023)