Seien wir uns ehrlich, manchmal ist er schon ein bisschen nervig, dieser Otis. Woher nimmt er eigentlich dieses Selbstbewusstsein zu wissen, was anderen guttut? Und warum gibt er Ratschläge, die er selber nicht befolgt? Aber das ist freilich kein Widerspruch, wir alle kennen das und wissen: Oft ist es einfacher, anderen zu helfen und ihnen beizustehen, als sich um sich selbst zu kümmern.

Und Otis (Asa Butterfield) hatte es noch nie leicht. Vor allem nicht mit sich selbst. Auch in der vierten und finalen Staffel - abrufbar seit Donnerstag auf Netflix - der Erfolgsserie "Sex Education" kämpft er um Anerkennung, um seinen Platz und natürlich um die Liebe. Nur ist die gerade weit weg, wegen eines Stipendiums in Amerika, seine On-off-Maeve (Emma Mackey) studiert dort Literatur.

Asa Butterfield als Otis in
Manchmal auch recht ernst: Otis (Asa Butterfield) in der vierten und letzten Staffel von "Sex Education" auf Netflix.
Foto: Netflix

Seit der letzten Staffel hat sich viel getan im Leben von Otis und seinen diversen Freundinnen und Freunden. Die Moordale-Secondary-Schule ist nach gefloppter Investorensuche Geschichte, die Teenies besuchen jetzt das Cavendish Sixth Form College. Und dort geht es bei weitem progressiver zu als in der good old Moordale. Hier sind alle lieb und nett zueinander, gegenseitige Wertschätzung, Nachhaltigkeit und Yoga-Kurse stehen hoch im Kurs. Nicht die bösen Biester sind hier beliebt, sondern die Guten und Achtsamen. Fein. Aber natürlich sind die sexuellen Wünsche, Fantasien und Probleme die gleichen. Gut so, denn wir wollen noch immer hören, was Otis zu sagen hat über Orgasmen, Queerness, Outings, sexuelle Praktiken, Eifersucht. Über Themen also, die alle umtreiben.

Sex Education: Season 4 | Official Teaser | Netflix
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Konkurrenz belebt

Aber in der vierten Staffel bekommt er Konkurrenz. Denn an der neuen Schule gibt es mit O bereits jemanden, die Sexualberatung anbietet. Und die gibt sich kämpferisch, lässt sich ihren Platz nicht so schnell streitig machen. Konkurrenz belebt, auch hier. Zu sehen, wie sehr sich Otis um Kundschaft bemüht, ist rührend und charmant, das erinnert an seine Anfänge in der Moordale High School und damit an den Beginn der Serie 2019. Selten wurde so erfrischend ehrlich Sexualität thematisiert. Und ja, auch aufgeklärt, offen und ohne Scham.

Erwachsenen-Troubles

Aber nicht nur die Jungen haben ihre Probleme, in der vierten Staffel geht es – öfter als in den Staffeln davor – auch um die Troubles der Älteren. Adams nicht so netter Papa versucht ein besserer Mensch zu werden, mit mäßigem Erfolg. Es ist aber vor allem Otis' Mama Jean (Gillian Anderson), die für schön-traurige Szenen sorgt. Nach der schwierigen Geburt der kleinen Joy ist für sie nichts mehr so, wie es einmal war. Im Job läuft es nicht rund, Stichwort: Vereinbarkeit. Und auch sonst herrscht Chaos im Hause Milburn, nicht nur im Wohnzimmer, sondern auch in ihrem Kopf.

Gillian Anderson als Jean.
Schwer überfordert: Mama Jean (Gillian Anderson) mit Baby Joy.
Foto: Netflix

In der vierten Staffel fehlen einige Nebencharaktere, neue stoßen dazu. Es wird noch diverser, noch bunter, aber auch tragischer und weniger lustig als zuvor. Die Kids werden älter, die Probleme größer. Für Serienmacherin Laurie Nunn ist es jetzt an der Zeit, Otis und seine Gang ziehen zu lassen. Ein wenig Wehmut ist dabei. (Astrid Ebenführer, 21.9.2023)