Eine Frau streicht sich mit der Hand über ihre Glatze, sie hat die Augen geschlossen
Krebs laugt aus – trotzdem möchte man als Eltern weiter für die Kinder da sein. Selbsthilfegruppen unterstützen dabei.
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"Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als ich meine Diagnose Brustkrebs bekommen habe. Es war der 7. August 2017. So ein Datum vergisst man nicht. Ich bin vom Arzt nach Hause gekommen und habe es meinem Mann gesagt. Für uns war sofort klar, dass wir es unseren Kindern ganz offen kommunizieren möchten." Nur: Wie sagt man es den Kindern?

Vor sechs Jahren stand Claudia Kölbl vor einer Frage, der sich Eltern mit Krebsdiagnose weltweit stellen müssen. Denn auch wenn man im Arztzimmer Patientin oder Patient ist – sobald man es verlässt, ist man in erster Linie Mutter oder Vater.

Claudias Kinder waren bei ihrer Diagnose fünf und acht Jahre alt. Ihre Tochter war noch im Kindergarten, ihr Sohn in der Grundschule. Für die damals 40-Jährige war klar, dass sie kein Geheimnis aus ihrer Krankheit machen wollte. Denn auch ihre eigene Mutter hatte Krebs gehabt, als Claudia ein Kind war. Ein Umstand, von dem sie erst viele Jahre später erfuhr, als es um ihre eigene Vorsorge ging. "Für mich war es damals ein Schock zu erfahren, dass meine Mutter krank war, während ich ein Kind war. Außerdem stellte ich es mir wahnsinnig anstrengend vor, das geheim halten zu müssen. Wir haben mit unseren Kindern deshalb ganz offen gesprochen, ihnen erklärt, was Krebs bedeutet, und alle Fragen beantwortet. Wir haben ihnen auch gesagt, dass sie es jedem erzählen dürfen."

Mark Forster und die Angst

Claudias Sohn hatte während des Gesprächs vor allem zwei Fragen: Was wird mit Mamas Haaren passieren? Und können sie trotzdem zum Mark-Forster-Konzert gehen? Claudia lacht, als sie sich daran erinnert: "Das kam in einem Atemzug. Ich sagte ihm, dass die Haare jetzt ausfallen würden, aber dann wieder nachwachsen – und zu dem Konzert würden wir trotzdem gehen. Er war beruhigt."

Die Mutter versuchte ihre Kinder in ihren Genesungsprozess einzubinden – sie nahm sie mit, als es darum ging, eine Perücke auszusuchen, und die Kinder entschieden, dass sie helfen wollten, Mamas Haare abzuschneiden. Sie sollten sich nicht machtlos fühlen, sondern das Gefühl haben, dass sie mithelfen können.

Irgendwann kamen Claudias Kinder aus der Schule und hatten mehr Fragen. Denn die Mitschülerinnen und Mitschüler hatten erzählt, dass man an Krebs auch sterben kann, das war den Kleinen davor nicht so bewusst. Claudia erinnert sich: "Wir sprachen auch darüber ganz offen und sagten ihnen, dass die anderen Kinder recht haben. Man kann an Krebs sterben. Aber dann erklärten wir ihnen, dass es unterschiedliche Formen gibt und die Variante, an der ihre Mama erkrankt ist, gut heilbar ist. Das hat sie dann beruhigt."

Inzwischen ist Claudia seit etwas mehr als fünf Jahren krebsfrei und engagiert sich mittlerweile im Vorstand des Vereins Das Buusenkollektiv, um auch jüngere Frauen mit Brustkrebs zu vernetzen. Denn sie hat die Erfahrung gemacht, dass in Selbsthilfegruppen häufig Frauen über 60 Jahren zu finden waren. Und die hatten natürlich ganz andere Probleme, Sorgen und Ängste als sie.

Als sie die Tittie-Talks von Das Buusenkollektiv entdeckte, fühlte sie sich unter Gleichgesinnten, Frauen ihres Alters, teilweise mit Kindern. Bei den Tittie-Talks handelt es sich um regelmäßig stattfindende Onlinetreffen. Das ermöglicht es auch Müttern, die keine Kinderbetreuung haben, daran teilzunehmen. Durch diese Netzwerk-Talks entstehen auch Freundschaften, die es ins echte Leben schaffen. Der Verein versucht neben diversen Events noch mehr Hilfestellung für jüngere Betroffene zu bieten. So wird unter den Frauen auch regelmäßig die Frage diskutiert, wie man mit seinen Kindern am besten über die Krankheit spricht. Grundkonsens ist, dass man es offen und kindgerecht kommuniziert und am besten auch das nähere Umfeld der Kinder wie Lehrer oder Betreuungseinrichtungen informiert. Denn natürlich löst die Erkrankung eines Elternteils Ängste aus, die sich in der Schulleistung niederschlagen können. Weiß das Umfeld Bescheid, kann auch besser darauf eingegangen werden.

Bücher, Videos und Haartermine

Auf Instagram rief der Verein Betroffene dazu auf, persönliche Tipps und Erfahrungen zu teilen. Es trudelten zahlreiche Hinweise ein, denn jede Familie hatte ihren eigenen Weg gefunden, mit diesem Thema umzugehen. Besonders auf Youtube fanden viele Familien gute Videos, in denen das Thema Krebs, die Chemotherapie und die Frage, was dabei im Körper passiert, kindgerecht erklärt werden. Hilfreich für kleinere Kinder ist auch die App Zauberbaum, die ihnen das Thema verständlich aufbereitet.

Zusätzlich gibt es bei vielen Krebshilfestellen Gruppen und Angebote für Kinder krebskranker Eltern, darunter der Verein Flüsterpost. Dort findet man neben einer Telefonhotline viele Informationen in Form von Videos, Lesetipps und Links, die helfen, den Kindern das Thema zu erklären. Manche Eltern nahmen die Kinder auf Rat der Psychologin der Onkologie mit ins Krankenhaus, um ihnen zu zeigen, dass es dort gar nicht gruselig ist – und die Ärzte helfen wollen. Für größere Kinder gibt es das kostenlose Sommerlager Pink Kids Camp.

Ein Screenshot von Instagram beschreibt Tipps, wie man mit Kindern über die eigene Krebserkrankung spricht
Cancer Hacks von dasbuusenkollektiv auf Instagram
Auf Instagram teilen die Betroffenen ihre Erfahrungen und geben Tipps.
instagram/dasbuusenkollektiv

Viele Mütter bezogen die Kinder so viel wie möglich in ihren Genesungsprozess ein: Sei es bei der Auswahl der Perücke, dem Haareabschneiden, dem Bemalen oder Bekleben des Chemo-Kalenders oder dabei, jeden Morgen gemeinsam ein Kopftuch auszusuchen. Ein besonders häufiger Tipp vieler erkrankter Eltern zum Umgang mit den Kindern war: viel kuscheln, viel Nähe!

Man ist immer noch Mama

Claudia Kölbl findet diese Anregungen hilfreich, meint aber: "Das Thema ist immer intuitiv. Man ist immer noch Mama und weiß, was die Kinder brauchen. Die Situation ist eine ganz besondere, fast alle Eltern gehen unterschiedlich an das Thema heran. Eine Freundin hat den Kindern eine Geschichte erzählt, dass der Krebs ein Monster ist. Wir wiederum haben mit den Kindern Bilder gemalt."

Was sie zusätzlich ganz wichtig findet, ist, dass man Kindern sagt, dass sie nicht schuld an der Situation sind: "Gerade kleinere Kinder beziehen häufig alles, was in ihrem Leben passiert, auf sich." Eine der größten Herausforderungen für Kölbl war dennoch, das Leben mit den Kindern noch genauso zu genießen, wie sie es im Normalfall getan hätte.

Denn nicht nur die Kinder sehnen sich nach Normalität: "Wenn man die Diagnose bekommt, wünscht man sich, dass alles schnell vorbeigeht. Aber gleichzeitig bekommt man diese Entwicklungsphase der Kinder, wie das letzte Kindergartenjahr meiner Tochter, nie wieder. Und das möchte ich nicht missen. Also musste ich innehalten, um diese kleinen Momente trotz Erkrankung wertzuschätzen. Das war nicht immer einfach." (Sandra Gloning, 24.9.2023)