Er denke mittlerweile sehr genau darüber nach, welches Fleisch er esse, sagt Peter Resetarits. Aber wer garantiert, dass das Fleisch aus dem Supermarkt anständig produziert worden ist? Dass die Schweine etwa genug Platz hatten? Und wer garantiert, dass das Fleisch aus der Region kommt? Der Preis sei vielleicht ein Indiz für Tierwohl und Qualität, aber keine Garantie, sagt Resetarits. Und was genau bedeutet das AMA-Gütesiegel? Für ihren neuen ORF-"Schauplatz" war Beate Haselmayer in Ställen quer durch Österreich unterwegs und hat versucht, Antworten auf diese Fragen zu finden.

Auf einem Volksfest geht es zünftig zu, Würstel, Kotelett, Brathendl, Stelze. "Wenn ich darüber nachdenken würde, woher das Fleisch kommt, dann würde ich kein Würstel essen", sagt eine Frau und beißt genüsslich in die Bratwurst. Man könne nicht auf alles Rücksicht nehmen, sagt sie. "Das AMA-Gütesiegel ist kein Allheilmittel", sagt ein Gastronom in Hollabrunn, aber es sei für ihn "ein Grundlevel, wo ich sage, da kann ich drauf vertrauen und mich verlassen, dass das einfach passt".

Schweine auf Spatenboden
Der Großteil der heimischen Schweine wird auf einem Spaltenboden gehalten.
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Haselmayer besucht einen AMA-Gütesiegel-Maststall, mit einem Teil perforierten Böden und einem Teil aus planbefestigter Liegefläche. Die Schweine könnten sich aussuchen, wo sie sich lieber aufhalten, sagt der Bauer. Kritik an Vollspaltenböden hält er für übertrieben, "das Thema wird sicher größer gemacht, als es ist".

Laut Gesetz braucht jedes ausgewachsene Schwein in Österreich 0,7 Quadratmeter Platz, klärt Haselmayer auf. Ein AMA-Gütesiegel-Schwein habe zehn Prozent mehr Platz, also 0,77 Quadratmeter. Dank Spaltenboden muss der Bauer nicht ausmisten, der Kot wird durch die Spalten in eine Güllegrube getreten.

Wenig Platz und Vollspaltenboden

Martin Balluch, der Obmann des Vereins gegen Tierfabriken, will darauf aufmerksam machen, woher das Rindfleisch kommt, "in Österreich glaubt man, die Tiere leben alle auf einer Alm irgendwo", sagt Balluch. "Aber in Wahrheit sehen diese Rinder natürlich nie irgendeine Weide. Siebzig Prozent der Mastrinder, also der Rinder, die extra für die Fleischproduktion gehalten werden, leben auf dem sogenannten Vollspaltenboden." 2,4 Quadratmeter Bodenfläche seien der gesetzliche Mindeststandard für einen Stier bis 500 Kilogramm, kritisiert er, mehr Platz müsse man dem Stier nicht bieten. Im Unterschied zu Rindern haben Schweine, die nach dem AMA-Gütesiegel gehalten werden, etwas mehr Platz als per Gesetz vorgeschrieben. Für Balluch müsste ein Gütesiegel eine deutliche Verbesserung darstellen, "und das ist dort nicht der Fall".

AMA-Gütesiegel
Das AMA-Gütesiegel sei "ein Breitenprogramm für die breite Bevölkerung", sagt Christina Mutenthaler-Sipek vom AMA-Marketing.
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"Das AMA-Gütesiegel ist ein Breitenprogramm", sagt Christina Mutenthaler-Sipek vom AMA-Marketing. Es gehe dabei nicht um ein "Spitzenprogramm im Tierwohlbereich. Dafür haben wir das TW 100 etwa im Schweinebereich, das ist ein Tierwohlprogramm." Das AMA-Gütesiegel sei "ein Breitenprogramm für die breite Bevölkerung. Eine gute Qualität zu leistbaren Preisen, und vor allem, sie ist kontrolliert und sichergestellt." Sie will in Zukunft in der Kommunikation vor allem die Landwirte zu Wort kommen lassen und die Realität zeigen, auch mit Fakten. "Weil nur so schaffen wir es, dass wir eine Wertschätzung und eine Bewusstseinsbildung für verbesserte Tierhaltung und mehr Tierwohl bringen."

"Jemand muss dieses Fleisch auch kaufen"

Haselmayer besucht auch einen Biobauern. "Das Schwein als Individuum ist gleich nach dem Affen und dem Delfin das drittintelligenteste Säugetier", sagt er, bei ihm wühlen die Schweine in der Erde, haben viel Platz. Ein Kilo Schnitzelfleisch vom Sonnenschwein kostet 35 Euro. Ein Kilo AMA-Gütesiegel-Schnitzel gibt es im Supermarkt in Aktion schon um acht Euro. Dass Konsumentinnen und Konsumenten wegen der Teuerung sparen, das merkt auch der Biobauer.

40 Bauernhöfe sind in Österreich mit dem AMA-Siegel "Tierwohl 100" zertifiziert, rechnet Haselmayer vor. Die Tiere dort haben doppelt so viel Platz, liegen auf Stroh, bekommen kein gentechnisch verändertes Futter und Beschäftigungsmaterial. AMA-Chefin Mutenthaler-Sipek sieht hier freilich auch die Konsumentinnen und Konsumenten in der Pflicht. "Wir wollen mehr Tierwohlställe. Das Entscheidende ist, es muss auch jemand dieses Fleisch kaufen", sagt sie.

Hannes Royer macht regelmäßig Testkäufe in Supermärkten. Er ist Obmann des Vereins Land schafft Leben, er will zeigen, wie Lebensmittel in Österreich produziert werden. Bei Fleisch muss "immer klar ersichtlich sein, woher es kommt. Bei verarbeiteten Produkten wie Wurst und Schinken ist das anders", erklärt Royer. Da müsse der Hersteller keine Herkunft angeben.

Schockierende Videos

Immer wieder kritisiert der Verein gegen Tierfabriken die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Haltung von Rindern. Die Tierschützerinnen und Tierschützer haben ausgerechnet, wie viel Platz ihnen in einem Rinderstall zustehen würde. So bekommt ein in Mastrind mit 500 Kilogramm 2,4 Quadratmeter Stallfläche. Ein durchschnittlich schwerer Mensch müsste laut VGT-Berechnungen somit auf umgerechnet gerade einmal 0,95 Quadratmetern leben. Der VGT veröffentlicht auch immer wieder Videos von Missständen in Ställen, ein AMA-zertifizierter Betrieb wurde von den Behörden geschlossen.

VGT-Aktion mit Martin Balluch auf dem Wiener Schwarzenbergplatz.
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Wie geht die AMA-Chefin damit um? "Es ist frustrierend, es ist schockierend. Wir haben umgehend Sofortmaßnahmen gesetzt. Man darf halt nie vergessen, Landwirtschaft ist ein anstrengender Beruf. Es gibt persönliche Schicksalsschläge. Es gibt Überforderung. So wie in allen gesellschaftlichen Gruppen", sagt sie. Schweinebetriebe, die ein AMA-Gütesiegel haben, würden zumindest einmal im Jahr kontrolliert. Alle Schweinebetriebe in Österreich würden von Amtstierärzten überprüft, sie habe aber von Bauernhöfen gehört, die nur einmal in 20 Jahren kontrolliert werden, so Haselmayer. Seit Anfang des Jahres habe die AMA mehr als 11.000 Kontrollen durchführen lassen. 64 Betriebe wurden aufgrund massiver Mängel vom Gütesiegel ausgeschlossen. (Astrid Ebenführer, 22.9.2023)