Sonne
Die Sonne steuert auf eine Hochphase koronaler Aktivität zu. Die Auswirkungen davon sind auch auf der Erde und im Orbit zu spüren.
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Ungefähr alle elf Jahre steigert sich die Aktivität der Sonne zu einem Maximum. Ein Maß dafür ist etwa die zunehmende Anzahl dunkler Sonnenflecken an der Oberfläche. In diesen Phasen kommt es aufgrund elektromagnetischer Vorgänge im Inneren des Zentralgestirns vermehrt zu Sonneneruptionen, die den als Sonnenwind bekannten Teilchenstrom kurzfristig verstärken können. Bei den stattfindenden Eruptionen können dabei gewaltige Plasmawolken ins All geschleudert werden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass solch koronale Massenauswürfe (Coronal Mass Ejections, CMEs) ausgerechnet auf die in kosmischen Maßstäben winzige, ungefähr 150 Millionen Kilometer entfernte Erde treffen, ist gering. Falls eine Plasmawolke allerdings doch den blauen Planeten anpeilt, führt sie alle Zutaten für einen geomagnetischen Sturm mit sich. Denn unterwegs wechselwirken die hoch energetischen Teilchen – vor allem Protonen und Elektronen – auch noch mit dem Sonnenwind und dem interplanetaren Magnetfeld.

Sonnenstürme als Satellitenkiller

Treffen diese geladenen Plasmateilchen dann auf das Erdmagnetfeld, erhitzen sie die oberen Schichten der Erdatmosphäre so stark, dass sie sich ausdehnen. Dadurch nimmt der Luftwiderstand weiter unten zu, und Satelliten verlieren an Geschwindigkeit und Höhe. So hat ein Sonnensturm im Februar des Vorjahrs sogar 40 Starlink-Satelliten von Elon Musks Weltraumfirma Space X zum Absturz gebracht, noch bevor diese ihre geplante Flughöhe erreichten.

Der aktuelle Sonnenaktivitätszyklus soll in den kommenden zwei Jahren seinen Höhepunkt erreichen. Sichtbare Anzeichen dafür konnten im April diesen Jahres sogar in Österreich beobachtet werden, als sich hierzulande nicht gerade alltägliche Nordlichter (Aurora Borealis) am Himmel präsentierten.

Starlink Satelliten am Nachthimmel.
Einige Starlink-Satelliten fielen bereits Sonnenstürmen zum Opfer.
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Heiße Phase

"Wir bemerken schon jetzt aufgrund der aktuellen Ereignisse, dass wir wieder in diese Phase hineinkommen, in der es komplexe Eruptionen gibt, die auch miteinander interagieren", weiß Manuela Temmer vom Institut für Physik der Universität Graz. Die europäische Weltraumorganisation Esa habe vorsorglich bereits einige ihrer Satelliten um mehrere Kilometer angehoben, erklärt die Astrophysikerin.

Temmer und ihre Forschungsgruppe am Institut für Physik an der Universität Graz haben rund 300 katalogisierte Sonneneruptionen aus den Jahren 2002 bis 2017 analysiert. Diese Informationen verwendete ein Team vom Institut für Geodäsie der Technischen Universität Graz um Sandro Krauss und setzte sie mit Veränderungen der Atmosphärendichte in Verbindung.

Die Gesamtanalyse der kumulierten Daten floss in das Vorhersagemodell Soda (Satellite Orbit Decay) ein, das wiederum auf das mit FFG-Forschungsgeldern geförderte Vorgängerprojekt Sweets aufbaut. Im Zuge dessen hatte man herausgefunden, dass ein großer koronaler Massenauswurf der Sonne Satelliten in einer Höhe von 490 Kilometern bis zu 40 Meter absacken ließ. Soda dient nun dazu, Satellitenbetreibern eine gewisse Vorwarnzeit vor Sonnenstürmen zu geben.

Meldung mit Verspätung

Der Service ist seit Juli Teil des Space-Safety-Programms der Esa, zu deren Budget auch das österreichische Klimaministerium beiträgt. Die Messungen für das Soda-Projekt stammen von Sonden am Lagrange-Punkt L1. An diesem knapp 1,5 Mio. Kilometer entfernten Punkt auf der Achse zwischen Erde und Sonne wirken deren Gravitationskräfte so zusammen, dass dort ein Objekt wie auf einer Art "Weltraumparkplatz" in einer relativ stabilen Position zwischen den beiden Himmelskörpern verweilen kann.

Sonnenflecken Nahaufnahme
Riesige Flecken sind auf der Oberfläche der Sonne zu beobachten.
IMAGO/Ian L. Sitren

Sonneneruptionen, die am Lagrange-Punkt von Satelliten der Nasa-Missionen Ace (Advanced Composition Explorer) und Dscovr (Deep Space Climate Observatory) detektiert und sogleich zur Erde gemeldet werden, kommen eine halbe bis Dreiviertelstunde später bei unserem Heimatplaneten an. "Zusätzlich bekommen wir hier auch zuverlässige Magnetfeldmessungen", ergänzt Temmer.

Erschwerte Vorhersage

Da sich die Thermosphäre – jener Höhenbereich der Erdatmosphäre, in dem ihre Temperatur oberhalb der Ozonschicht erneut mit der Höhe ansteigt – über Heizungseffekte etwas zeitverzögert verdichtet, ergibt sich für Soda daher eine Vorhersagezeit von etwa 15 bis 20 Stunden.

Während sich für solare Einzelereignisse recht solide Vorhersagen treffen lassen, bereiten den Grazer Fachleuten die Auswirkungen multipler Sonnenstürme und deren Wechselwirkungen noch Kopfzerbrechen. "Wenn diese komplexen Stürme reinkommen – und genau das ist es, was wir in den nächsten zwei Jahren erwarten –, dann werden diese Vorhersagen sehr ungenau – weil wir eben die Interaktionsprozesse schlecht kennen", sagt Temmer.

Warnvorhersage aus Österreich

Die Physik hinter der Dichteerhöhung der Thermosphäre aufgrund von multiplen Sonneneruptionen ist noch eine Wissenslücke, der man im Folgeprojekt Casper zu Leibe rücken will. Zudem soll das Vorhersagemodell Soda um Prognosen für unterschiedliche Höhenschichten ab 400 Kilometer erweitert werden. Bisher endeten die Kalkulationen bei 490 Kilometern. Erkenntnisse aus Casper, das bis Mitte 2025 läuft, sollen wiederum in die Vorhersageplattform einfließen und diese Schritt für Schritt verbessern – auf dass Satelliten keine Höhenangst mehr leiden müssen.

Die Daten des Projekts Soda und andere Serviceangebote des Esa Space Weather Service sind nach einer Registrierung kostenlos unter der Esa-Webseite verfügbar. Neben der Universität Graz und der Technischen Universität Graz sind auch die Seibersdorf Laboratories Teil des Programms. In den fünf Fachzentren im Weltraumwetter-Netzwerk der Esa ist Österreich in vier vertreten. (Mario Wasserfaller, 25.9.2023)