Sebastian Kurz kommt im Film
Sebastian Kurz.
Imago Images / DAINA LE LARDIC

Gleich zu Beginn wird Sebastian Kurz so gezeigt, wie sich Sebastian Kurz vermutlich selbst gerne sieht. Beim Bergsteigen. Zu heroischer Musik erklimmt er den Gipfel, steht in der Abendsonne neben dem Gipfelkreuz und blickt in die Ferne. Dazu, dass Kurz in der Doku im rechten Licht steht, hat er selbst beigetragen. Der kroatische Regisseur Jakov Sedlar habe persönliches Filmmaterial von Kurz direkt und das zu seiner politischen Karriere von der ÖVP erhalten, erklärte er im Interview mit der kroatischen Tageszeitung "Večernji list". Ergänzend werden Interviewsequenzen mit Beobachtern und Weggefährten eingeblendet. Keiner von ihnen verliert ein kritisches Wort über Kurz.

Der Film "Sebastian Kurz – the Truth" ist daher genau das: ein Imagefilm über den glorreichen Ex-Kanzler, unkritisch und einseitig. Und in seiner Vergötterung zum Teil so überspitzt, dass man ihn für eine Parodie halten könnte. Seit Mittwoch ist er auf der Streamingplattform Vimeo zu sehen. Für 9,99 Euro kann man sich die Doku dort für 24 Stunden ausleihen.

Es ist der insgesamt dritte Film über den ehemaligen Regierungschef. Vor einer Woche feierte der eher kritisch angelegte Kinofilm des österreichischen Regisseurs Kurt Langbein ("Projekt Ballhausplatz") Premiere und startete ebenfalls am Mittwoch in die Kinos. Einem weiteren Kinofilm von Regisseur Sascha Köllnreiter ("Kurz – der Film") wurde von Beobachtern dagegen ebenfalls attestiert, eher für PR-Zwecke für Kurz dienlich zu sein.

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APA/Kha

Regisseur outet sich als Kurz-Fan

Regisseur Sedlar machte auch erst gar keinen Hehl aus seiner Bewunderung für den Ex-Kanzler: Kurz sei eine "charismatische Persönlichkeit", heutzutage fehle es an solchen Charakteren, sagte er der APA. Das Drehbuch für den Kurz-Film stammt von der Journalistin Judith Grohmann, die 2019 eine autorisierte – freundliche – Biografie über Kurz verfasst hat. Das Budget für den Film liegt laut Sedlar bei rund 350.000 Euro, das berichtet die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Woher die Mittel kommen, ging aus dem Medienbericht nicht hervor.

Das gut einstündige Porträt ist eine Aneinanderkettung von Standbildern, Imagevideos und Interviews, in denen die Interviewten teils lieblos und amateurhaft ins Bild gesetzt werden. Auch der Ex-Kanzler selbst kommt zu Wort. Im Sekundentakt werden die Lobhuldigungen an den damals jungen Politstar abgefeuert. Kurz sei ein "talentierter Redner", die "Personifikation des österreichischen Charismas", "ein Idol für Konservative auf der ganzen Welt" und vor allem: ganz "bodenständig".

Der englischsprachige Sprecher, Hollywood-Schauspieler Armand Assante, spart in der Kurz-Verehrung nicht mit Pathos in der Stimme, wenn er über den damals 27-jährigen Außenminister sagt: "Nach den Politikwissenschaftern begannen auch die Medien, sich gegen Kurz zu wenden. Und zum ersten Mal in seinem Leben verstand er, dass er sich in einem Kampf befindet. In einem Kampf um seine eigene Selbstachtung." Sebastian sei trotz seiner Jugend "ein kluger Schöpfer einer neuen, modernen Politik". Im gesamten Film wird über Kurz nur mit seinem Vornamen geredet.

Fokus auf Einsatz gegen Antisemitismus

Inhaltlich bleibt der Film oberflächlich und unterkomplex, konzentriert sich vor allem auf die medienwirksamen Auslandsreisen des ehemaligen Außenministers und späteren Kanzlers. Kurz in Japan, Kurz in China, Kurz in Frankreich, Kurz in den USA und vor allem: Kurz in Israel. Aneinandergereihtes Händeschütteln mit großen Staatschefs. Die Message dahinter: Kurz hat es geschafft, Österreich auf die Bildfläche der Weltöffentlichkeit zu bringen.

Die Ibiza-Affäre und Korruptionsvorwürfe werden nur kurz erwähnt. Ebenso wie die Vorwürfe der Falschaussage gegen Kurz selbst. Umso dramatischer wird Kurz' Rücktritt inszeniert, und das, aus dramaturgisch unerklärlichen Gründen, gleich zweimal. Dazwischen wird viel Zeit eingeräumt, um Kurz' Einsatz gegen Antisemitismus und für den Staat Israel zu huldigen.

David Harris, ehemaliger Präsident des Amerikanisch-Jüdischen Komitees sagt dabei etwa, Kurz sei in die Geschichte eingegangen. Denn als er Kanzler wurde, habe es ein klares Ja zum israelischen Staat gegeben – davor sei das nicht der Fall gewesen.

Obwohl die Doku nur eine gute Stunde dauert, wirkt sie in ihrer Einseitigkeit mitunter langwierig. Überraschendes passiert in keiner Minute. Am Ende munkeln die Protagonisten über eine Rückkehr von Kurz in die Politik, was sie alle, Überraschung: ganz gut fänden würden. Auch Regisseur Sedlar sagte tags zuvor, er wisse zwar nicht, ob Kurz vorhabe, in die Politik zurückzukehren werde – fände es aber gut "für Europa und die Welt". (Leonard Laurig, 22.9.2023)