Noch im ausgehenden 19. Jahrhundert waren Tage mit bis zu 14 Stunden Arbeitszeit keine Seltenheit – Sonntagsruhe freilich Fremdwort. Die arbeitende Bevölkerung hat sich über das 20. Jahrhundert hinweg neben verbesserten Arbeitsbedingungen immer wieder auch Arbeitszeitverkürzungen erkämpft.

Die momentane Normalarbeitszeit von branchenabhängig 38,5 bis 40 Stunden wurde aber seit Jahrzehnten nicht mehr reduziert. Die Forderung nach einer weiteren Verringerung steht groß im Raum.

Das Zauberwort ist allerdings "Normalarbeitszeit". Es handelt sich dabei um das vom Gesetzgeber erlaubte Maximum, das nur unter Umständen überschritten werden darf. Und impliziert einen Vollzeitjob, dem die Erwerbstätigen üblicherweise nachgehen.

So richtig normal ist eine Vollzeittätigkeit in Österreich aber nicht mehr.

Obwohl die Bevölkerung und mit ihr die Zahl der Erwerbstätigen in den vergangenen vierzig Jahren stark angewachsen sind, arbeiten heute weniger Menschen Vollzeit als noch in den 1990er-Jahren. Deutlich zugenommen hat hingegen die Zahl der Teilzeitverträge. Das betrifft vor allem Frauen.

Der Trend zur Teilzeit führt dazu, dass die durchschnittlich tatsächlich geleistete Arbeitszeit pro Erwerbsperson in Österreich sinkt. Vor gut zwanzig Jahren kam jede Arbeitskraft effektiv auf rund 36 Stunden, nur geringfügig weniger, als es die Normalarbeitszeit in vielen Branchen vorsah. Bis 2022 reduzierte sich das tatsächliche Arbeitspensum auf 30 Stunden.

Das zieht sich durch alle Gruppen arbeitender Menschen. Männer, Frauen, Selbstständige, Arbeiter, Angestellte und Beamte – lediglich bei den Lehrlingen war der Rückgang nicht ganz so stark ausgeprägt.

Ein größerer Pool an arbeitenden Menschen bei gleichzeitigem Rückgang ihrer jeweiligen Arbeitszeit – diese gegenläufigen Tendenzen führen dazu, dass sich das Arbeitsvolumen nicht sonderlich verändert. Mit dem Begriff Arbeitsvolumen wird die Summe aller pro Jahr von allen Arbeitnehmern in Österreich geleisteten Stunden bezeichnet.

2004 betrug das Arbeitsvolumen 7,09 Milliarden Stunden, 2022 dann 7,11 Milliarden Stunden. Zu erwähnen sei allerdings, dass die Finanzkrise ab 2008 und die Corona-Pandemie jeweils einen nach unten regulierenden Effekt hatten.

(Randnotiz dieser Statistik: Auch die Mehr- und Überstunden sowie die in Nebenjobs verbrachte Arbeitszeit werden immer weniger.)

Aus einem stagnierenden Arbeitsvolumen könnte man die Vermutung ableiten, dass auch die Produktivität in Österreich nicht wächst. Zumindest versuchen manche Stimmen, mit einem drohenden BIP- und Wohlstandsverlust gegen eine weitere Arbeitszeitreduktion zu argumentieren.

Die Wahrheit ist: Obwohl wir immer weniger Stunden im Job verbringen, erarbeiten wir ein immer größeres Bruttoinlandsprodukt. Die Produktivität steigt – wenngleich zuletzt auch nicht mehr so stark wie noch um die Jahrtausendwende.

Das muss aber nicht unbedingt heißen, dass der Trend zur Teilzeit keine Einbußen brachte. Bei einer höheren Vollzeitquote wäre die Produktivitätskurve in den letzten Jahren vielleicht nicht abgeflacht, sondern noch stärker angestiegen, und das höhere BIP hätte sich laut Ökonomen in höheren Lohnzuwächsen auswirken können.

Und die anderen?

Und wie stehen wir mit unserer Arbeitszeit international da? Laut der laufenden Modellerhebung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) liegt Österreich leicht unter dem Durchschnitt vergleichbar großer europäischer Staaten. Auch in Schweden, Dänemark oder Griechenland geht man es etwas gemütlicher an, mehr Stunden im Job stecken beispielsweise die Menschen in Bulgarien, Ungarn, der Schweiz oder Portugal.

Österreich gehört beim Trend zur Arbeitszeitreduktion also durchaus zu den Vorreitern. Ob wir zur Mitte des Jahrhunderts nur mehr zwanzig Stunden im Brotberuf werken werden und im 22. Jahrhundert gar nicht mehr, kann freilich niemand sagen. Vielleicht erledigen Maschinen und KI dann den Rest. Vielleicht dreht sich die Kurve auch wieder um und unsere Enkel und Urenkel arbeiten wieder mehr?

Was ziemlich sicher nicht verschwinden wird, ist die häufige und wichtige Arbeit, die oft gar nicht als solche wahrgenommen wird: Nichterwerbsarbeit wie Freiwilligentätigkeit oder häusliche Pflege- und Sorgeleistungen um Kinder, ältere Mitmenschen oder Menschen mit Behinderung. (Michael Matzenberger, 22.10.2023)